Jan und ich hatten einen Direktflug mit Tunisair von Hamburg nach Monastir gebucht. Aus Angst vor Stau und langen Warteschlangen waren wir extra früh zum Flughafen gefahren und fanden uns aufgrund der leeren Straßen nun viel zu früh (8 Uhr morgens) am fast menschenleeren Check-In-Schalter ein, der erst in einer Stunde öffnen sollte. Vor uns standen lediglich zwei ältere Herren. Kein Problem, lieber zu früh als zu spät, dachten wir uns. Nach und nach trudelten weitere Urlauber ein, bis sich irgendwann eine lange Schlange hinter uns gebildet hatte. Nur der Schalter blieb leer. Komisch, eigentlich sollte der Check-In spätestens zwei Stunden vor Abflug öffnen, vor allem weil die Sicherheitskontrollen aufgrund des Personalmangels zu dieser Zeit ziemlich überfüllt waren und an alle Urlauber appelliert wurde, sich möglichst früh am Flughafen einzufinden.
Auch eine Stewardess gesellte sich zu den Wartenden. Sie hatte nichts mit der Ursache des Problems zu tun, sondern wollte ebenfalls einfach mitfliegen. Glücklicherweise hatte sie ein Funkgerät und konnte somit Kontakt zu irgendwem aufnehmen. Das brachte zwar keinen Erfolg, aber immerhin hatte man durch ihre drängenden Nachfragen per Funk das Gefühl, „dass jemand etwas macht“. Zwischendurch kamen andere Flughafenmitarbeiter zu ihr und guckten ebenfalls ratlos. Mit uns sprach niemand. Wir standen uns einfach die Füße in den Bauch. Tatsächlich hatte ich von dem langen Stehen inzwischen starke Schmerzen in den Beinen bekommen. Man konnte ja nicht einfach die Schlange verlassen und sich irgendwo gemütlich hinsetzen und einen Film gucken, da wir davon ausgehen mussten, dass es jeden Moment losgeht.
Als endlich ein einzelner seeeehr langsamer und sehr entspannter Tunisair-Mitarbeiter am Schalter Platz nahm, war es bereits 11Uhr. Somit hatten wir nur noch eine Stunde bis zum geplanten Abflug. Langsam kam Hektik auf. Ob wir es wohl noch rechtzeitig durch die Sicherheitskontrolle schaffen würden? Hahaha. Wie naiv wir waren! An diesem Tag würde ich sogar dreimal die Sicherheitskontrolle passieren! Zum Glück durfte ich Dank meiner Behinderung die Fast Lane benutzen.
Um mein ganzes Flughafen-Trauma nicht noch einmal durchleben zu müssen, schreibe ich nicht alles auf, sondern lade euch stattdessen die Screenshots aus meiner Instagram-Story hoch.
Als wir das Flugzeug endlich betreten konnten, machte es einen sehr abgewrackten Eindruck. Dass die Maschinen von Tunisair nicht die neusten sind, ist bekannt, aber in diesem Flugzeug war es zudem extrem dreckig. Erst viel später erfuhren wir, dass unser eigentliches Flugzeug gar nicht abgeflogen war, weil es anscheinend kaputt oder einfach „nicht da“ war. Dieser Flieger in dem wir nun saßen kam aus Paris. Wie auch immer. Das war uns inzwischen alles egal, Hauptsache, es ging endlich mal los! Wir hatten ganze 14 Stunden im schönen Hamburger Helmut Schmidt Flughafen verbracht. Nun waren wir tatsächlich urlaubsreif.
Allerdings bangten wir bis zur letzten Minute, ob unser Flugzeug überhaupt abheben würde, denn wie allgemein bekannt ist, gilt in Hamburg ab 23 Uhr Flugverbot. Meine Casio zeigte bereits 23:08 Uhr. Zum Glück gibt es aber eine großzügige Verspätungsregelung, Dank der bei (angeblich) nachweisbar unvermeidbaren Verspätungen noch bis 23:59 Uhr gestartet und gelandet werden darf.
Nach einem anstregenden Flug und einer noch viel anstrengenderen Busfahrt kamen wir gegen 4:30 Uhr Ortszeit im Hotel an. Den ersten Urlaubstag hatten wir verpasst. Völlig erschöpft ließen wir uns auf die Betten in unserem großzügig gestalteten Bungalow mit Meerblick fallen.
Als ich wenige Stunden später die Augen wieder öffnete und an die Balkontür trat, um einen Blick aufs Meer zu werfen, wurde ich von etwas anderem abgelenkt: Vor unserem Bungalow stand ein Bagger. Der normalerweise gepflegte kleine Golfplatz zwischen Hotel und Strand war aufgebrochen worden. Durch den Sturm, der die Küste in den vergangenen Tagen heimgesucht hatte, war die Kanalisation beschädigt worden und musste nun repariert werden. Tja, Pech gehabt, würd ich sagen. Aber das Wetter lud eh nicht zu einem Strandspaziergang ein. Es war eiskalt und windig. Mit Kapuzenpulli und langer Hose erkundeten wir das Hotel. Nach und nach lernten wir die anderen Gäste kennen, die ebenfalls für Lindas und Aymens Hochzeit angereist waren. Mit Lindas Freundinnen verstanden wir uns auf Anhieb. Sie waren kurz vor dem Mittagessen angekommen und berichteten uns, dass Lindas Familie (7 Personen) eigentlich mit dem selben Flieger hatte kommen wollen. Doch da die Sicherheitskontrolle ewig gedauert hatte und die Maschine offenbar eh überbucht gewesen war, hatte man die Türen geschlossen und sie am Gate stehen lassen. Wir alle hofften natürlich, dass die Braut es rechtzeitig zu ihrer Hochzeit schaffen würde, aber da bis dahin noch drei Tage Zeit waren, blieben wir zuversichtlich.
Nach dem Mittagessen (mit hervorragendem Dessert!) setzten sich Jan und ich mit Aymen in die Bar und spielten Karten. Hier gab es bequeme Sessel, angenehme Musik und vor allem megaleckere Mojitos mit ganz viel Zitrone und frischer Minze. Vielleicht waren sie aber auch ein bisschen ZU lecker. Ich zählte nicht mit, da der Kellner unsere Gläser netterweise immer wieder selbstständig nachfüllte. Dazu aßen wir Erdnüsse. Es fühlte sich endlich ein bisschen nach Urlaub an, auch, wenn es draußen aus grauen Wolken regnete. Als wir schließlich aufstanden, um uns vor dem Abendessen nochmal kurz hinzulegen, merkte ich plötzlich die Wirkung der Mojitos. Ich hatte ewig nicht mehr so viel Alkohol getrunken.
Im Zimmer angekommen, legte ich mich erschöpft ins Bett, musste aber gleich darauf wieder aufstehen, um mich im Badezimmer zu übergeben. Joa… das war‘s dann auch für mich mit den Mojitos. Den restlichen Urlaub hielt ich mich sehr zurück. Nachdem ich mich meiner Getränke entledigt hatte, kroch ich wieder ins Bett. Irgendwann kurz vor Mitternacht wachte ich hungrig auf, um festzustellen, dass wir das Abendessen verpennt hatten.
Trotz des sehr holprigen Starts wurde es noch ein schöner Urlaub und vor allem eine schöne Hochzeit. Die Trauung fand auf einer Terrasse statt, von der aus man aufs Meer blickte. Leider war die Verständigung unter den Gästen etwas schwierig, da Aymens Familie fast ausschließlich Arabisch sprach und Lindas Anhang nicht. Es wurde sich aber nett zugelächelt und umarmt. Beim späteren Tanzen war eh alles egal. Wer sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachte, wurde in den Kreis gezogen und zum Mitmachen bewegt. Gegessen wurde am Strand. Da es gegen Abend sehr frisch wurde, zogen sich die anderen Gäste nach und nach wärmere Kleidung an. Ich blieb die ganze Zeit bei meinem bodenlangen Sommerkleid. Allerdings hatte ich vorgesorgt und sowohl eine Leggins als auch meine Winterstiefel untergezogen. So ließ es sich sehr gut aushalten.
Das Wetter besserte sich von Tag zu Tag und am Ende kamen sogar noch Selim und Alessandra spontan für einen Kurzurlaub dazu. Sie fanden eindeutig bessere Bedingungen vor als wir ein paar Tage zuvor. Die Sonne schien und man konnte nun endlich faul rumliegen und nichts tun. Leider war die Strandbar, von der uns alle vorgeschwärmt hatten, kurz vor unserem Urlaub von der Regierung abgerissen worden. Da der tunesische Strand immer weiter zurückweicht und schmaler wird, müssen alle (illegal) errichteten Bauten, die direkt am Strand liegen, abgerissen werden. Leider wurden mitsamt der Strandbar auch die Duschen abgerissen. Schade! Ich bin mir sicher, dass es einen Monat später im Hotel und am Strand bestimmt schon wieder ganz anders aussah, aber wir hatten anscheinend einen wirklich schwierigen Reisezeitraum erwischt. Bevor Jan und ich abreisten, machte ich noch ein Sprungfoto mit Selim. Als Vorlage diente uns ein Fotos, das wir vor 11 Jahren gemacht hatten. Wir haben uns seitdem ganz schön verändert.