Im Mai kam zum ersten Mal eine Klasse aus der Alten Stadtschule zu mir in die Kunstbäckerei. Ich hatte für die Zweitklässler sieben Stationen mit Aleatorischen Verfahren (Zufallsverfahren) vorbereitet:
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- Landkartenbilder
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- Spachteln
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- Drucken/Schablonen
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- Frottage
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- Autospuren
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- Murmelbilder
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- Schnurdruckgrafik
An 5 dieser Stationen wurde mit Acrylfarbe hantiert. Da man diese nicht auswaschen kann, trugen die Kinder blaue Malhemden, die ich vor einigen Jahren von meinem ehemaligen Elternvertreter gespendet bekommen hatte. Ich weiß nicht mehr genau warum, aber irgendwie waren die bei seiner Arbeit „über“ gewesen. In der Kunstbäckerei haben sie jedenfalls endlich ihre Bestimmung gefunden und sorgen neben dem Schutz der Kleidung für ein schönes Einheitsbild. Danke, Herr H.!
Bevor die Kinder mit der Arbeit beginnen durften, erklärte ich ihnen jede Station im Schnelldurchlauf. Da ich vermeiden wollte, dass sich 26 Kinder um einen kleinen Tisch drängeln, stellte ich eine weiße Leinwand auf eine Staffelei in der Sofaecke. Davor platzierte ich den Beamer, an den ich mein AppleTV angeschlossen hatte. Das AppleTV verband ich per AirPlay mit meinem iPad, sodass alles, was ich mit der iPad-Kamera filmte, in Echtzeit auf der Leinwand zu sehen war. Die Kinder konnten auf diese Weise ganz entspannt auf dem Teppich, dem Sofa und den Sesseln sitzen, während meine Helferin die iPad-Linse auf das hielt, was ich demonstrierte.
Als es dann endlich losging, hatten die Zweitklässler großen Spaß beim Experimentieren mit der Farbe. Alle 8 Minuten wurde die Station im Uhrzeigersinn gewechselt, sodass am Ende jedes Kind sieben Bilder gestaltet hatte. Nachdem alle Stationen durchlaufen und die Finger wieder sauber waren, gab es noch eine Rückmelderunde in der Sofaecke. Die Kinder fanden ALLES richtig toll.
Landkartenbilder
Auf die Frage, welches ihre Lieblingsstation gewesen sei, antworteten Mehrere, dass sie die Landkartenbilder am besten fanden. Das überraschte mich, denn ich hatte diese Aufgabe nur hinzugenommen, weil sie wenig Begleitung benötigt und keinen Dreck macht. Eigentlich hatte ich befürchtet, dass die Kinder sie zu langweilig finden würden. Also, falls ihr mal jemanden beschäftigen möchtet oder selbst irgendwas Meditatives machen wollt: Druckt euch einfach Karten von Google Maps in Graustufen auf normalem Kopierpapier aus. Ich habe als Bildausschnitt eine Karte von Winsen in verschiedenen Ansichten und Größen gewählt. Die Kinder fanden es total spannend, ihre eigene Adresse zu finden und von dort aus spazieren zu gehen. (Man kann diese Aufgabe gut fächerübergreifend mit Sachunterricht, Thema Kompass und Karten machen.) Dann nimmt man einen Stift (Ich habe Filzstifte genommen, aber es geht mit jedem Stift) und fährt eine Straße entlang. Dabei kann man so oft abbiegen wie man möchte und auch auf der Straße wenden. Dabei entstehen wie von selbst Muster auf dem Blatt, die dann von den Kindern (wie Wolkenbilder) gedeutet (und weiterbearbeitet) werden können. Klingt langweilig und zu simpel? Ja, dachte ich auch, aber Kinder lieben es offenbar.
Erstmal Ruhe
Nachdem die Kinder gegangen waren, setzte ich mich erstmal aufs Sofa und genoss die Ruhe. Obwohl die Jungs und Mädchen wirklich süß und gut erzogen waren, war es ungewohnt anstrengend für mich gewesen. Die Lautstärke, die durchgehende Ansprechbarkeit, die Verantwortung für alles was gerade passiert; Daran bin ich nicht mehr gewöhnt. In stressigen Situationen wird mir immer noch schwindelig und ich bekomme ein Fiepen auf den Ohren. Dabei war ich ja nichtmal allein gewesen, sondern hatte Unterstützung von der Klassenlehrerin sowie von drei Frauen aus meiner Malgruppe gehabt. Einen ganzen Schulvormittag (allein) würde ich so nicht durchstehen. Die folgende Stunde verbrachte ich mit dem Abwasch der zahlreichen Malutensilien.
Ergebnisse
Als die Bilder durchgetrocknet waren, traf ich mich mit meiner Mutter in der Bäckerei, um aus ihnen „brauchbare“ Ergebnisse zu erzeugen. Zunächst brauchten wir eine Ewigkeit, um die Bilder nach Kindern zu sortieren. Obwohl wir bei jedem Stationswechsel erneut dazu aufgefordert haben, den Namen auf die Rückseite des Bildes zu schreiben, gab es einige unbeschriftete Exemplare, was die ganze Angelegenheit noch komplizierter machte. Im nächsten Schritt falteten wir die dicken A3-Blätter, die mit der Spachteltechnik gestaltet wurden, in der Mitte zusammen. Dann legten wir einige, ebenfalls gefaltete, Blankoblätter hinein und tackerten alles mit meinem Spezial-Tacker (der hintere Teil ist ganz lang, sodass man die Mitte eines A3-Blattes erreicht) zusammen. Auf diese Weise entstand ein schönes Heft, welches noch durch ein ausgestanztes Namensschild auf der Vorderseite ergänzt wurde. Mit derselben Technik erstellten wir auch noch für jedes Kind ein Heft im A5-Format. Mithilfe meiner Sizzix-Stanzmaschine und einer entsprechenden Stanzform verwandelten wir die Murmelbilder in schöne Briefumschläge. Aus dem Rest hätte man auch noch Lesezeichen, Grußkarten etc. schaffen können, aber dann hätten wir wahrscheinlich bis in die Nacht hinein weitermachen müssen. Alle Bilder, Hefte und Briefumschläge sortierten wir in große Versandtaschen, auf denen wir die Namen der Kinder notierten.
Als die Kinder ihre Ergebnisse erhielten war die Freude riesengroß. Sie waren total stolz auf das, was sie geschaffen hatten und einige überlegten gleich, wem sie denn einen Brief schreiben könnten, um den Briefumschlag zu benutzen. Andere wollten das Heft als Tagebuch benutzen oder schöne Gedichte hineinschreiben. (Hier lässt sich auch wieder fächerübergreifend arbeiten, wenn man in Deutsch z.B. gerade im Bereich Lyrik arbeitet.) Der erste Schulklassenbesuch war ein voller Erfolg.
Juni
Im Juni wurde die Kunstbäckerei von sechs weiteren Schulklassen besucht. Annika und Luise kamen im Rahmen ihrer Projektwoche („Rund um die Welt“) jeweils mit ihrer ersten Klasse zu mir. Mit Annikas Kindern macht ich eine Weltreise auf dem fliegenden Teppich. Dafür erhielten alle Passagiere einen Reisepass von mir, in den, nach jedem besuchten Land, ein passendes Bild gestempelt wurde. Die Kinder setzten sich auf den großen roten Teppich, der sich hinter den geschlossenen weißen Gardinen befand. Auf die andere Seite des Raumes hatte ich einen Beamer gestellt, dessen Bild nun formatfüllend auf die Gardinen projiziert wurde. Zuvor hatte ich ein Video zusammengeschnitten, in dem mit Google Earth von unserem Standpunkt hinausgezoomt wurde, bis man die Weltkugel sah. Darauf folgten dicke, weiße Wolken, die sich langsam über den Himmel schoben. Da das Licht durch den Stoff hindurchschien, sah es für die Kinder so aus, als würden sie sich in der Luft befinden. Solche Spielereien funktionieren natürlich bei kleinen Kindern besonders gut, aber auch auf die Erwachsenen wirkte diese „Installation“ beruhigend und irgendwie magisch. Während der Teppich um die Welt flog, stand ich auf der anderen Seite des Vorhangs und erzählte etwas über das Land, in das wir als nächstes reisen würden. Die Kinder saßen komplett still und fasziniert auf der anderen Seite. Nur ab und zu flüsterte jemand: „Wo kommt die Stimme her?“ Dann kam der Landeanflug mit Google Earth, gefolgt von einigen Bildern der Landschaft, der Sehenswürdigkeiten, der Menschen und der Tiere. Parallel spielte ich landestypische Musik ab, die ich vorher in verschiedenen Playlisten zusammengestellt hatte. Während der folgenden Gestaltungsphasen lief die Musik weiter, um die Atmosphäre des Landes aufrecht zu erhalten. Am Ende verausgabten wir und noch bei einem indischen und einem afrikanischen Tanz, bevor mich die Klasse wieder verließ.
Einen Tag später kam Luise mit ihrer Klasse. Diesmal reisten wir auch mit dem Teppich, allerdings nur nach Australien. Im Unterricht hatten sie bereits das Buch „Trau dich Koala Bär“ gelesen, in dem es darum geht, sich selbst zu vertrauen und neue Dinge auszuprobieren. Der ängstliche Koalabär begegnet in der Geschichte vielen anderen australischen Tieren. Ziel des Besuchs war es, Tiermasken herzustellen, um das Buch anschließend als kleines Theaterstück aufführen zu können. Mit Papptellern, Acrylfarben, Tonpapier und viel Begeisterung gestalteten die Kinder ihre Masken. Am Ende tackerten wir ein Gummiband an den Seiten fest. Luise fügt bei einigen Kindern noch etwas Schminke hinzu, bevor ich sie anschließend fotografierte.
Krank? Hormone?
Als ich mit den Weltreisen fertig war, musste ich mir eine Geschichte für einen Stop Motion-Film für den vierten Jahrgang der Alten Stadtschule ausdenken. Doch irgendwie fühlte ich mich nicht gut. Ich war erschöpft und mir tat alles weh. Lag das vielleicht an den Hormonen, die ich seit Mai einnahm?