Am Pfingstsonntag war es außergewöhnlich heiß. In unserer Dachgeschosswohnung herrschten unmenschliche Temperaturen, weshalb Jan und ich uns auf eine Aktivität außerhalb unserer vier Wände einigten. Wir wollten endlich mal Geocaching ausprobieren. Das ist diese Freizeitaktivität, bei der sich früher Nerds mit GPS-Geräten und Trekkingsandalen auf die Suche nach entlegenen „Schätzen“ gemacht haben. Angefangen hatte alles damit, dass Bill Clinton am 1. Mai 2000 die gewollte Ungenauigkeit der GPS-Daten für zivile Nutzer aufgehoben hatte. Von da an war das, für das US-Militär entwickelte, Ortungssystem für die Allgemeinheit freigegeben. Der Amerikaner Dave Ulmer war sofort begeistert, denn er erkannte die Möglichkeit einer weltweiten Schnitzeljagd. Er versteckte einen schwarzen Eimer mit Deckel in der Nähe seines Hauses und legte einige Gegenstände hinein, die er für einigermaßen wertvoll hielt. Außerdem fügte er ein Logbuch hinzu. Anschließend postete er die genauen Koordinaten in einem Forum. Er forderte die Leser einerseits dazu auf, seinen „Schatz“ zu heben (einen Gegenstand entnehmen und durch einen anderen ersetzen) und animierte sie andererseits dazu, eigene Caches zu verstecken. Seine Idee zündete sofort und fand in kürzester Zeit eine Menge Anhänger auf der ganzen Welt. 2005 gab es allein in Deutschland bereits über 10.000 Geocaches. Inzwischen ist diese Zahl auf 432.000 gestiegen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass heutzutage niemand mehr unhandliches GPS-Zubehör benötigt; Ein normales Smartphone mit Geocaching-App reicht vollkommen aus.
Wir luden die App herunter, packten unsere Rucksäcke und schwangen uns auf die Fahrräder. Es war total schön, den Fahrtwind zu spüren. Der erste Cache lag nur zwei Minuten von zuhause entfernt. Wir standen auf einem Parkplatz und guckten uns ratlos um. Hier irgendwo sollte sich ein Cache befinden, doch wir hatten keine Ahnung, wie so ein Ding überhaupt aussehen sollte. Als einzigen Hinweis gab uns die App das Wort „Unten“. Nachdem wir uns einige Zeit die nackten Beine im Gestrüpp zwischen Straße und Parkplatz aufgekratzt hatten, rief Jan plötzlich: „Ich hab es!“ Hinter einer kleinen Mauer unter einem Gebüsch befand sich ein ausrangierter Schachtdeckel mit einem Hohlraum darunter, in dem eine Plastikdose steckte. Darin fanden wir mehrere kleine Dinge sowie ein Logbuch, in das wir das Datum, unsere Usernamen und die Uhrzeit unseres Fundes eintrugen. Danach ging es weiter. Das Spiel führte uns an Orte in unserer Stadt, die wir noch nie gesehen hatten und machte dabei richtig Spaß. Unsere Fahrt ging über versteckte Wege in die Natur, vorbei an grünen Wiesen, Feldern, Bahngleisen und durch schattige Alleen. Einige Aufgaben waren kniffliger als andere und wir waren überrascht von der Vielfalt der Cache-Größen und ‑Arten. Die Kleinsten waren nur einen Centimeter groß und magnetisch, der Größte füllte einen Baumstumpf aus und bestand aus mehreren Teilen.
Als wir am frühen Abend wieder nach Hause kamen, hatten wir einen wirklich schönen Ausflugstag in der nahegelegenen Natur hinter uns, während sich alle Welt über die drückende Hitze in der Stadt beschwerte.