29.7.2022
Wir sind gestern unbeschadet und ohne Verspätung in Tunesien angekommen. Nach dem Fiasko mit Tunisair im Mai haben wir uns dieses Mal für Lufthansa entschieden. Zwar gab es keinen Direktflug, sodass wir einen Zwischenstop in München hatten, aber das war kein Problem. Ich bin gespannt, ob beim Rückflug auch alles so glatt läuft, da wir über Frankfurt fliegen werden.
Jan hat sich noch eine Stunde später über das Kompliment des Nudel-Mannes beim Abendessen gefreut. Dieser hatte zu mir „hübscher Freund“ gesagt und auf Jan gezeigt. Das zeigt mal wieder, wie leicht es ist, Menschen eine Freude zu machen.
Die Sonne brennt unerbittlich vom Himmel. Ich liege im Schatten eines Schirms am Strand. Hier kommt eine Auflistung der Dinge, die ich heute gemacht habe:
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- Aufstehen
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- Mit Sonnencreme einschmieren
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- Bikini anziehen, Kleid drüber
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- 10m bis zur Frühstücksterrasse gehen
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- Einen Schoko-Crêpe essen
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- Ein Omelett mit allem essen
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- Ein kleines Schokocroissant essen
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- Cappuccino trinken
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- Frisch gepressten Orangensaft trinken
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- Zwei Gläser Wasser trinken
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- Mit Tasche, Handtuch und Schwimmring (Donut) zum Strand gehen und den gewohnten Platz auf der Liege einnehmen
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- Liege in den Schatten schieben
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- Im Meer schwimmen
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- Über Jan lachen, der von kleinen Fischen angeknabbert wird
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- Salzwasser abduschen
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- Bikini wechseln
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- Strandbar: Sprite-Wasser-Grenadine trinken
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- Am Strand liegen und Musik hören, während Jan Volleyball spielt
Jan kommt gerade vom Volleyball zurück, weil sich nicht genug Mitspieler gefunden haben. Kein Wunder bei der Hitze und noch dazu in der prallen Sonne. Jans eigentlicher Plan hatte eh vorgesehen, den ganzen Tag auf der Liege am Strand zu verbringen.
11:57Uhr Wir liegen noch immer reglos am Strand. Zwischendurch hat Jan einmal unsere Liegen verschoben, um der Sonne zu entgehen. Ich sehe momentan drei Kamele, zwei Piratenschiffe, ein Segelboot, zwei Jetskis und einen Strandverkäufer. Außerdem zieht ein kleines Motorboot so ein Luftkissen hinter sich her, auf dem schreiende Menschen sitzen.
Es ist schon wieder Essenszeit. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich noch mehr Essen in meinen Bauch bekommen soll. Aber wat mutt, dat mutt.
Ich muss pinkeln, aber dafür muss ich aufstehen, meine FlipFlops anziehen (der Sand ist viel zu heiß, um barfuß zu laufen) und mich auf den Weg zur Strandbar machen. Anstrengend!
Einige Tage später
Ich habe gerade ein schreiendes Baby beruhigt und zum Lachen gebracht, das ganz allein in seinem Kinderwagen lag. Von den Eltern war weit und breit nichts zu sehen. Wie sich später herausstellte, waren sie ins Meer schwimmen gegangen.
Das Kamel klingt, als würde jemand richtig laut rülpsen.
Neben mir hat sich eine deutsche Familie niedergelassen, die auch schon seit einigen Tagen hier ist. Ich dachte immer, eine Person würde noch fehlen, weil die Mutter von sich immer in der dritten Person spricht: „Die Mama kommt gleich“. Ihr Englisch ist auch super: „I have me outgesperrt!“
Die Dartscheibe wird zum Pool geschoben. Der Bademeister pfeift. Aus den Boxen dringt Sommer-Partymusik mit einem durchdringenden Beat. Es ist heiß. Ich habe mich eben kalt abgeduscht und sitze nun im Bikini unter der Palme in unserem Vorgarten. Jan ist noch beim Volleyball. Beim Bogenschießen waren wir heute nur zu viert, was viel mehr Spaß gemacht hat als sonst, wenn man so lange warten muss. Ich habe bis jetzt immer gewonnen.
In Deutschland ist es ebenfalls furchtbar heiß. Eva ist mit ihren Kindern heute zu IKEA gefahren, um der Hitze zu entfliehen. Das ist ein ziemlich genialer Plan, denn dort gibt es alles, was man derzeit braucht: Klimaanlage, Småland und Eis.
Ayoub (Animateur) hat uns zu einer Weinprobe in die Blu Bar eingeladen. Normalerweise lehnen wir solche Einladungen ab, da die Tunesier zwar gutes Olivenöl herstellen und sehr leckere Nationalgerichte vorweisen können, aber Wein absolut nicht zu ihren Stärken gehört. Da es aber mal wieder ultra heiß war und unser Freund Aymen die Verkostung durchführen würde, kamen wir gerne in die klimatisierte Bar mit den bequemen Ledersesseln. Auf den Tischen standen Snacks und ich bediente mich an den leckeren Oliven. Nach und nach kamen noch neun weitere Gäste dazu; sieben Engländer und zwei deutsche junge Frauen, die uns gegenüber saßen. (Ich habe eben kurz darüber nachgedacht, ob ich gendern soll, damit man nicht davon ausgeht, dass da nur englische Typen saßen. Dabei fiel mir zum ersten Mal auf, dass man Engländer/-innen ohne Probleme schreiben kann, man bei mehreren Deutschen aber immer ein ergänzendes Wort braucht. Das heißt absolut nicht, dass ich möchte, dass das geändert wird zu sowas wie Deutsch*innen, aber es ist halt eine Schwäche unserer Sprache.) Die beiden deutschen Blondinen (ich nenne sie mal Jenny und Nicole) waren leider überhaupt nicht gesprächig, wodurch eine unangenehme Stille herrschte, während wir auf den Wein warteten. Als Jan ihnen eine Smalltalk-Frage stellte, guckten sie ihn nur ganz komisch an. Es war ziemlich offensichtlich, dass sie allein deshalb gekommen waren, da sich Jenny in Ayoub verguckt hatte, der davon allerdings noch nichts mitbekommen hatte. Sobald er sie ansprach, lief sie rot an (d.h. sie wäre errötet, wenn ihr Gesicht nicht bereits komplett verbrannt gewesen wäre).
Der Wein schmeckte – wie erwartet – nicht besonders gut. Lediglich der Rosé ließ sich ganz gut wegtrinken. Als wir die Bar schließlich wieder verließen (wir waren die Letzten, da wir uns noch mit Aymen und Ayoub unterhalten hatten), warteten Jenny und Nicole auf der ansonsten menschenleeren Terrasse darauf, dass Ayoub zufällig (zwangsläufig) an ihnen vorbeiläuft. Jenny nahm all ihren Mut zusammen und fragte Ayoub nach einem Foto. Es war mehr als offensichtlich, dass sie ein Foto von sich MIT Ayoub haben wollte, doch Ayoub verstand sie falsch und MACHTE ein Foto von ihr und ihrer Freundin. Nichtmal ein Selfie von allen zusammen! Man man man, als Single muss es echt hart sein.
16:43 4 Boote, 2 Jetski und ein Quad suchen den Strand und das Meer ab. Anscheinend ist jemand verschwunden.
21:05 Es ist White-Party. Alle Gäste kommen weiß gekleidet an den Strand, um im Barbecue-Bereich, der zu einer Tanzfläche umfunktioniert wurde, Cocktails zu schlürfen und zu Live-Musik zu tanzen.
Der Sänger singt wie Wiebke als Kind, wenn sie aus dem Cluburlaub zurückkam und die englischen Lieder der Mini-Disco nachsang. Zwei Frauen dachten sich anscheinend: „Mist! Ich hab gar nichts Weißes eingepackt. Naja, dann ziehe ich eben ein knallrotes Kleid an.“ Vielleicht wäre das auch eine Option für Jenny gewesen, um Ayoubs Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine Aufmerksamkeit ist gerade bei der alten Frau, die eben an mir vorbeigeschlurft ist. Zuerst dachte ich, sie hätte große Kopfhörer um den Hals hängen, dabei ist es eine Vorrichtung mit zwei Ventilatoren an den Enden, die ihr ins Gesicht pusten! Jan ist begeistert und will sofort auch sowas.
Auf der Tanzfläche herrscht blendende Stimmung. Männer und Frauen haben sich unter Anleitung der Animateure in zwei Lager aufgeteilt und kommen abwechselnd aufeinander zu. Dabei werden alberne Bewegungen und Geräusche gemacht. Ein ziemlich alter und offensichtlich ziemlich betrunkener Mann nimmt diese „Jungs gegen Mädchen – Mädchen gegen Jungs“-Situation (Bibi und Tina) etwas zu ernst und zeigt den Frauen äußerst aggressiv den Doppelmittelfinger.
Bitteres Ende
Ich bin richtig richtig krank mit hohem Fieber und Halsschmerzen. Ich werde von Schüttelfrost überfallen und mir laufen vor körperlicher Überforderung die Tränen über die Wangen. So ging es mir auch damals als ich Scharlach hatte. Der Arzt in der kassenärztlichen Notfallpraxis meinte damals: „Das ist psychisch. Sie weinen ja, da sieht man‘s doch dran.“ Dass ich Fieber hatte und infektionsbedingt hyperventilierte ließ er unbeachtet, da er es nicht mal für nötig hielt, meine Temperatur zu messen.
Der tunesische Apotheker, der hier im Hotel Ansprechpartner bei Beschwerden ist, schob es nicht auf die Psyche, sondern auf einen Infekt. Auf die Frage, ob es Corona sein könnte, sagte er: „Das kann nicht sein, weil hier im Hotel niemand Corona hat.“ Da Jan die letzten Tage starke Halsschmerzen hatte und sich ebenfalls sehr schlapp fühlte, meinte ich: „Naja doch, vielleicht ja wir?!“ Aber wenn man nicht testet, hat natürlich niemand Corona. Ein Schnelltest kostet übrigens 70 tunesische Dinar, was in etwa 22 Euro entspricht. Wir haben uns gegen einen Test entschieden, weil der im Moment ja eh nichts gebracht hätte und der Apotheker ihn auch erst hätte holen müssen. Stattdessen bekam ich eine Spritze Cortison in den Po. Jan brachte mich zum Zimmer und stellte mich unter die Dusche. Mein ganzer Körper glühte. Währenddessen holte der Apotheker, der hier im Hotel nur ein kleines Behandlungszimmer, aber nicht alle Medikamente hat, die benötigten Antibiotika, ein Rachenspray und Paracetamol aus der Apotheke. Als ich fertig geduscht hatte und Jan mich gerade abtrocknete, klopfte es an unserer Zimmertür und der Apotheker stand davor. Er erklärte uns die Einnahme, doch ich war überhaupt nicht aufnahmefähig. Jan schrieb alles auf und steckte mir die ersten Tabletten in den Mund. Anschließend legte ich mich aufs Bett, während Jan meine Kleider aus dem Schrank holte und meinen Koffer packte. Dazu wäre ich absolut nicht in der Lage gewesen. Obwohl es Jan selbst noch nicht wieder gut ging, hat er mir alles abgenommen. Ich bin so dankbar für diesen Mann.
Drei Stunden nach der Cortison-Spritze und den Medikamenten ging es mir tatsächlich merklich besser. Da ich aber noch weit entfernt von „fit“ war, buchte ich über die Lufthansa-Seite den Mobilitätsservice.
Als wir am nächsten Tag am Flughafen in Tunis ankamen, mussten wir uns nicht in die lange Schlange beim Check-In stellen, sondern durften einen anderen Schalter benutzen. Darüber war ich sehr dankbar, da ich mich gerade so auf den Beinen hielt. Anschließend musste ich mich in einen Rollstuhl setzen, in dem ich durch die Pass- und die Sicherheitskontrolle bis hin zum Gate geschoben wurde.
Der Flug von Tunis nach Frankfurt verlief ohne Probleme. Lediglich vor dem Start gab es ein paar Probleme mit den Sitzplätzen. Die Mitglieder einer größeren Familie mit zwei Babys hatten sich nicht an die ihnen zugewiesenen Plätze gehalten, sondern mit anderen Fluggästen getauscht, sodass die beiden Mütter (die erste war durchgehend am Telefonieren) mit ihren Babys auf dem Schoß nun nebeneinander (in der selben Reihe wie wir, auf der anderen Seite des Ganges) saßen. Die Stewardess wies sie darauf hin, dass es aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt sei, zwei Babys in einer Reihe sitzen zu lassen. Daraufhin tauschte die eine Mutter mit Jans Sitznachbarn die Plätze, woraufhin die Stewardess abermals kam, um zu erklären, dass dies immer noch dieselbe Reihe sei und es im Ernstfall Probleme mit den Sauerstoffmasken gäbe. Der dritte Platzwechsel war dann endlich erfolgreich, sodass wir bereit für den Abflug waren. Mutter 1 trug übrigens (trotz Pflicht) keine Maske und telefonierte noch beim Start. In dem Fach von meinem Vordersitz lag ein benutzter Q‑Tip. Menschen sind eklig.
Es folgt ein kurzer Rückflugbericht im Präsens:
18.20Uhr. Wir sitzen immer noch in dem Flieger, der aus Tunesien gekommen ist. Die Vorhölle Frankfurter Flughafen steht uns bevor. Boarding für den Flug nach Hamburg ist um 18.30Uhr. Um 19Uhr ist Abflug. Das wird spannend. Zum Glück hab ich den Transportservice für Behinderte gebucht.
19.05Uhr: Wir sitzen im Bus zum Flugzeug. Ohne den Mobilitätsservice hätten wir es niemals geschafft. Zwei Personen (wahrscheinlich ebenfalls aus Tunis kommend) haben ihren Flieger verpasst. Als wir am Boarding-Schalter ankamen, sagten sie, sie würden in zwei Minuten dicht machen. Da war es 18.52Uhr. Nach uns kam niemand mehr in den Bus.
Wir fahren jetzt seit 10 Minuten über den Flugplatz. Es ist 19.11Uhr. Ob unser Gepäck wohl mitkommt?
19.29Uhr: Wir fahren im Flugzeug zur Startposition. Der Flug hat Verspätung, da das Reinigungsteam nicht rechtzeitig kam. Ich glaub, ohne diese Verspätung wären wir nicht mehr mitgekommen.
19.33Uhr: Abflug!
19:41Uhr: Ich höre Harry Potter. Hermine und Harry werden gerade von Hagrid tief in den verbotenen Wald geführt, wo er ihnen Grawp vorstellen will. Jan guckt sowas wie Pimp my ride.
19.49Uhr: Ansprache des Kapitäns. Entschuldigungen, Erklärungen.
Wir fliegen mit Maximalgeschwindigkeit, brauchen für einen Kilometer 4 Sekunden und befinden uns gleich über Kassel. Wir kommen nur 10 Minuten später an, müssen aber erstmal an Hamburg vorbeifliegen und dann Richtung Süden landen, wegen des Windes.
Das Putzteam kam übrigens gar nicht, sodass die Crew selbst geputzt hat (sie hatten allerdings keinen Staubsauger). Es sieht hier erstaunlich sauber aus! Nicht zu vergleichen mit dem Drecksflieger von Tunisair im Mai.
Auch die Leute mit Anschlussflug nach Kopenhagen kommen rechtzeitig.
20.03Uhr: Landeanflug auf Hamburg
20.11Uhr: Die Frau neben mir (auf der anderen Seite des Ganges) hat mit dem Stricken aufgehört und macht jetzt ein Puzzle auf ihrem Handy. Harry, Hermine und Hagrid begegnen gerade Bayne. Ein Knartschen verrät, dass die Räder ausgefahren werden. Hoffentlich müssen wir gleich nicht ewig am Gepäckband warten. Meine Eltern holen uns ab.
20:15Uhr: Wums! Wir sind gelandet.
20:30Uhr: Ich habe mich auf einem Sitz am Gepäckband niedergelassen. Mal sehen, wie lange wir diesmal warten müssen.
20:32Uhr: Die Koffer sind da.
20:54Uhr: Wir sitzen im Auto und verlassen das Parkhaus. Mein Vater konnte unseren Flug diesmal nicht bei Flightradar24 verfolgen, weil die Seite durch Pelosis Taiwan-Flug komplett überlastet war.
Eine Woche später
Als wir wieder zuhause waren, haben wir uns natürlich auf Corona getestet. Ich war negativ, Jan positiv. Ich habe mich täglich getestet, blieb jedoch trotz anhaltender Symptome negativ.
Jan verbrachte die Woche in Quarantäne.