Vorbereitungen
Heute begann meine Chemotherapie mit dem Medikament Thiotepa. Zusätzlich bekam ich davor und danach noch andere Tabletten und eine Infusion, unter anderem gegen Übelkeit, sowie ein vorbeugendes Antibiotikum. Irgendwie hatte ich mir den Ablauf der Chemo viel dramatischer, bzw. irgendwie „wichtiger“ vorgestellt. Tatsächlich wurde ich heute aber sehr freundlich (noch im Dunkeln) geweckt. Die Schwester nahm mir Blut über den Katheter ab, wovon ich gar nichts mitbekam (Yeah, ZVK!). Dann wurden Fieber, Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Puls und mein Gewicht gemessen. Meine Körpertemperatur betrug 35,3°C, ich war also weit entfernt von Fieber. Währenddessen ging die Sonne an einem wunderschönen, pinken Himmel vor meinem Fenster auf. Als Nächstes wurde ich an den Medikamententurm angeschlossen, über den die Thiotepa-Infusion in einen 7m langen Schlauch geleitet wurde. Dieser wurde dann an meine drei Anschlüsse gekoppelt. Die Uhr zeigte 10:08Uhr und ich war startklar.
Warten bis der Arzt kommt
Leider besitzt das Pflegepersonal nicht die Befugnis, die Infusion zu starten, weshalb wir nun auf einen Arzt warten mussten, der aber erstmal nicht kam. Dadurch verschob sich natürlich mein ganzer Zeitplan und die Schwester war auch schon ziemlich sauer, weil wir eigentlich echt früh bereit waren und ihr keiner sagte, weshalb der Arzt sich so viel Zeit ließ. Als er dann endlich um 12 Uhr kam, dauerte es 2 Sekunden und die Chemo begann. (Es gab wohl einen Notfall auf der Nachbarstation mit einem kritischen Patienten. In so einem Fall warte ich natürlich gerne. Ich hatte nur Angst, vergessen worden zu sein.)
Läuft.
Während der Tropf lief, war ich allein im Zimmer und konnte meine Serie weiterschauen. Von der Infusion habe ich Dank des ZVKs überhaupt nichts mitbekommen. (Lediglich das anschließende Durchspülen meiner Zugänge brachte ein komisch kaltes Gefühl im Brustkorb und Hals hervor.) Nach 30 Minuten war das Thiotepa leer, worauf eine 10-minütige Nachspülung folgte. Das war’s. Ich wurde sogar wieder von der Leine befreit.
Anschlussprogramm
Aber natürlich hatte ich nicht den Rest des Tages frei. Wie ich gestern schon geschrieben hatte, wird Thiotepa im Schweiß abgesondert. Dadurch kann es zu einer „toxisch bedingten Erythrodermie“ kommen. Das heißt, meine Haut würde ähnlich wie bei einem Sonnenbrand reagieren, brennen und sich eventuell entzünden. Deshalb hieß es alle vier Stunden: Duschen, gründlich abtrocknen, neuen Pyjama anziehen, Bett beziehen, feuchtes ZVK-Pflaster wechseln lassen. Vor der ersten Dusche kam jedoch noch mein Mittagessen. Heute hatte ich mich für die Hühnersuppe mit Reisnudeln entschieden. War OK. Zum Nachtisch bekam ich auf meinen Wunsch hin ein Hipp-Gläschen. Während meines Mundspülprogramms, das ich natürlich ganz gewissenhaft ausführe, bekam ich einen Anruf der Ernährungsberaterin, die spezielles Essen für spezielle Menschen zusammenstellt und es dann in die Stationsküche liefern lässt. Ich bin gespannt, was ich ab morgen bekomme! Die Zeit zwischen den Duschen verbrachte ich mit Telefonieren, Fotos an die Wand kleben, Netflix und trinken.
Wasserhaushalt
Ich hatte bereits während des Frühstücks 2,3 Liter getrunken! Das Beste daran ist, dass ich es mir überhaupt nicht reinzwängen musste, sondern derzeit gerne viel trinke. Liegt wahrscheinlich auch daran, dass mir das Bismarck-Wasser gut schmeckt. Zu Hause trinken wir seit einiger Zeit Bismarck mit Zitrone. Ich liebe es! Davon mache ich am Tag mehrere Flaschen leer. Trotz meiner guten Wasserversorgung fühlte/fühlt sich meine Haut sehr trocken an. Meine Stirn spannt und meine Hände verlangen dringend nach Handcreme. Aber leider darf ich mich nicht eincremen, da die abgesonderten Gifte sonst unter der Fettschicht festhängen würden.
Fertig für heute
Meine letzte Dusche war schließlich um 21.40Uhr. Der Nachtpfleger kam anschließend mit der täglichen Thrombosespritze und einem frischen Pflaster. Außerdem brachte er mir einen Kleinen Kreuzschlitzschraubendreher mit, damit ich mein Grafiktablet an dessen Standhalter schrauben konnte. Er hatte gestern schon vergeblich auf der Station gesucht und ihn daher heute von zu Hause mitgebracht. Das war echt lieb. Er kontrollierte wie schon am Morgen meine Vitalzeichen. Diesmal hatte ich eine Temperatur von 35,7°C.
Ausblick
Morgen geht es noch mal genauso weiter wie heute. Danach folgen vier Tage mit anderer Medikation. Ich muss sagen, dass es mir momentan ziemlich gut geht. Klar, die harte Phase kommt erst nach der Transplantation, aber es hätte auch jetzt schon sehr viel schiefgehen können. Bislang habe ich bis auf die trockene Haut keine Nebenwirkungen gespürt. Eigentlich dachte ich, man würde durch das Medikament mehr schwitzen, aber ich war tatsächlich den ganzen Tag über knochentrocken. Soll mir recht sein! Es fühlte sich allerdings seltsam ein, den augenscheinlich frischen Schlafanzug und die Bettwäsche immer wieder zu entsorgen. Man muss hier ständig Angst vor Keimen, Bakterien und Viren haben, die man aber natürlich nicht sehen kann. Hoffentlich werde ich als Spätfolge von meinem Aufenthalt hier keine Sagrotan-Frau!
Yeah Nele! Die Fotowände sehen wirklich cool aus. Du hast das schönste Krankenhauszimmer, das ich je gesehen habe. Wirklich gemütlich – soweit man ein Zimmer im KH gemütlich nennen kann…
Es freut mich zu lesen, dass es dir gut geht. Ebenso gefreut habe ich mich aber über unsere telefonische Germanistik-Podcast-Info-Stunde! Kann die Fortsetzung der Debatte kaum erwarten *____*
Bleib tapfer <3