Der heutige Tag war ziemlich anstrengend und eigentlich will ich jetzt sofort schlafen, aber vorher möchte ich euch kurz auf den neusten Stand bringen und eine kleine Tageszusammenfassung schreiben:
Geweckt wurde ich viel zu früh von einem Arzt, der mich richtig fies in den Arm stach und danach eine (gefühlte) Ewigkeit schmerzhaft nach meinem Blut suchte. In dem Moment freute ich mich auf den ZVK, der jede weitere Blutabnahme völlig schmerz- und stressfrei gestalten würde. Nachdem der Arzt mein Zimmer mit meinem Blut verlassen hatte, konnte ich noch etwa eine halbe Stunde schlafen, bevor mich die nette Schwester weckte und sagte, ich solle meine Sachen für den Umzug auf Station 6 packen. In 5 Minuten war ich fertig, aber der Umzug wurde nach hinten verschoben. Stattdessen aß ich erstmal Frühstück, machte meine Mundspülung und bekam anschließend Besuch von einem älteren Physiotherapeuten, der 12 Jahre lang als Musicaldarsteller gearbeitet hatte und ziemlich spirituell unterwegs war. Trotz seiner Plauderlaune schaffte er es, mir einige Atem- und Sportübungen zu zeigen, die ich in meinem Zimmer bzw. in meinem Bett machen kann und soll. Er lobte mich und sagte, ich könne gut in den Bauch und in den Brustkorb atmen. Was für ein Kompliment, oder? Ich kann gut atmen! Ich bekam ein Terra-Band und ein Plastikding mit dem man seine Lunge trainieren kann. Noch während der Physiotherapeut da war, kam meine behandelnde Ärztin (die auch meine letzte KMP durchgeführt hatte) um mich willkommen zu heißen. Ich hab mich gefreut sie zu sehen.
ZVK
Als ich wieder allein im Zimmer war, guckte ich ein bisschen Netflix, wurde aber von zwei Männern unterbrochen, die mit großen Gerätschaften in mein Zimmer kamen. Sie wollten mir den ZVK legen. Ich hatte etwas Angst und fand es nicht gerade beruhigend, dass ich die beiden vorher noch nie gesehen hatte. Anscheinend war der Jüngere noch in der Ausbildung, denn während ich quasi blind unter dem OP-Tuch lag, flüsterte der Ältere dem Jüngeren, der sich an meinem Hals zu schaffen machte, immer wieder Tipps zu: „Versuch es flacher“. Ich sagte ihnen, dass FLÜSTERN während so einer Behandlung beim Patienten nicht gerade Vertrauen erweckt. Innerlich hoffte ich einfach nur, dass der Typ nicht aus Versehen meine Adern oder meine Lunge treffen möge. Nachdem aber alles erledigt und der Katheter an meinem Hals festgenäht war, stand auch schon der Abholdienst für mich bereit, um mich zum Röntgen zu fahren. Dort wurde geguckt, ob der ZVK richtig sitzt. Zum Glück ging alles total schnell und ehe ich mich versah, saß ich wieder in meinem Zimmer und bekam Mittagessen serviert. Nach dem Essen folgte natürlich wieder das Mundspülprogramm.
Umzug
Irgendwann war es dann endlich so weit und ich zog mit meinen Koffern in den sechsten Stock auf die Transplantationsstation. Ich kam passend zum Schichtwechsel und wurde herzlich begrüßt. Hier gelten strengere Hygieneregeln und die Zimmer haben spezielle Luftfiltersysteme. Obwohl ich vor meinem Zimmer einen Balkon habe, darf ich weder Tür noch Fenster öffnen (Geht auch gar nicht, weil die natürlich abgeschlossen sind). Ich räumte meine Koffer aus und freute mich über meine unglaubliche Weitsichtigkeit, denn aufgrund meiner Hotelschrankerfahrungen hatte ich zusätzliche Kleiderbügel eingepackt, weshalb ich mich fast freute, dass ich in meinem winzigen Schrank lediglich drei verbogene Reinigungsbügel vorfand. Außerdem hatte ich meine Sachen (Bücher und sowas) zu Hause in zwei schwarze Drahtkörbe gepackt, die ich nun wie Schubladen in einen sehr hohen Schrank stellen konnte. Hier ist wirklich wenig Platz! Dennoch schaffte ich es, alle Dinge sinnvoll unterzubringen. Besonders sinnvoll brachte ich meine Lichterkette unter. Sie hängt an der Balkontür, wo ich sie mit Panzertape (soll ja schließlich nicht runterfallen) befestigt habe. Gerade als ich meine Fotos aufhängen wollte, kam der Stationsarzt ins Zimmer und untersuchte mich. Er ist auch erst seit zwei Wochen auf dieser Station.
Herzecho
Kaum war der Arzt wieder draußen, stand ein südländischer Typ meines Alters in der Tür und fragte: „Wollen wir dann?“ Er war gerufen worden, um mich zum Herzecho im anderen Gebäude zu bringen. Im Behandlungsraum angekommen, bereitete eine Schwester mich für den Ultraschall vor. Da ich das Verfahren ja inzwischen kannte, war ich nicht mehr ganz so irritiert davon, oben ohne auf der Seite mit einer Hand auf der Hüfte und der anderen Hand angewinkelt unter dem Kopf dazuliegen wie eine Vorlage für antike Nacktbilder. Natürlich war der Arzt, der mir mit dem glitschigen Ultraschallkopf zwischen den Brüsten herumfuhr jung und wahrscheinlich auch recht attraktiv (mit Maske kann man das immer nur schwer beurteilen). Wenn man sich im Anschluss mit einem angereichten Papiertuch den Glibber vom Oberkörper wischt, fühlt man sich irgendwie immer ein wenig schlampig/benutzt/komisch.
Duschen, duschen, duschen
Nachdem ich wieder in meinem Zimmer lag, war ich echt ko. Aber ich hatte auch endlich Zeit zum Duschen. Das war herrlich! Danach fühlte ich mich wie neu geboren. Die Schwester wechselte das feuchte Pflaster auf meinem ZVK gegen ein neues. Kurz darauf kam auch schon mein Abendbrot. Ich telefonierte mit meiner Familie und mehreren Freunden. Zwischendurch kam immer mal wieder eine Schwester rein und erklärte mir Details zur morgen beginnenden Chemotherapie. Ich werde zwei verschiedene Medikamente erhalten. Die ersten beiden Tage bekomme ich ein Mittel, dass über die Haut ausgeschwitzt wird. Da die Substanz aber die Haut angreift und schädigt, muss ich alle 2–4 Stunden gründlich duschen, meine Bettwäsche wechseln und frische Kleidung anziehen! Ich werde morgen also vermutlich überhaupt keine Zeit haben, da ich ja auch noch 4–5 Mal mein Mundspülprogramm und meine Atemübungen durchführen muss. Naja und essen muss ich schließlich auch noch irgendwann. Wenn der Chemoschweiß zu lange auf einer Stelle bleibt, verursacht er brennende Haut (wie bei einem Sonnenbrand) und führt zu braunen Flecken (z.B. an Stellen, die mit einem Pflaster abgedeckt sind). Diese Flecken bleiben dann meist noch für ein Dreivierteljahr zu sehen. Hauptsache meine Haut fängt nicht an zu jucken. Trockene, juckende Schienbeine oder Mückenstiche treiben mich auch ohne Chemo in den Wahnsinn. Das Chemomedikament, das danach kommt, kann Krampfanfälle auslösen, deshalb bekomme ich dagegen eine Prophylaxe.
Boah, jetzt bin ich aber echt todmüde. Gute Nacht!