-7 Tag 2

-7 Tag 2

Der heu­ti­ge Tag war ziem­lich an­stren­gend und ei­gent­lich will ich jetzt so­fort schla­fen, aber vor­her möch­te ich euch kurz auf den neus­ten Stand brin­gen und eine klei­ne Ta­ges­zu­sam­men­fas­sung schreiben:

Ge­weckt wur­de ich viel zu früh von ei­nem Arzt, der mich rich­tig fies in den Arm stach und da­nach eine (ge­fühl­te) Ewig­keit schmerz­haft nach mei­nem Blut such­te. In dem Mo­ment freu­te ich mich auf den ZVK, der jede wei­te­re Blut­ab­nah­me völ­lig schmerz- und stress­frei ge­stal­ten wür­de. Nach­dem der Arzt mein Zim­mer mit mei­nem Blut ver­las­sen hat­te, konn­te ich noch etwa eine hal­be Stun­de schla­fen, be­vor mich die net­te Schwes­ter weck­te und sag­te, ich sol­le mei­ne Sa­chen für den Um­zug auf Sta­ti­on 6 pa­cken. In 5 Mi­nu­ten war ich fer­tig, aber der Um­zug wur­de nach hin­ten ver­scho­ben. Statt­des­sen aß ich erst­mal Früh­stück, mach­te mei­ne Mund­spü­lung und be­kam an­schlie­ßend Be­such von ei­nem äl­te­ren Phy­sio­the­ra­peu­ten, der 12 Jah­re lang als Mu­si­cal­dar­stel­ler ge­ar­bei­tet hat­te und ziem­lich spi­ri­tu­ell un­ter­wegs war. Trotz sei­ner Plau­der­lau­ne schaff­te er es, mir ei­ni­ge Atem- und Sport­übun­gen zu zei­gen, die ich in mei­nem Zim­mer bzw. in mei­nem Bett ma­chen kann und soll. Er lob­te mich und sag­te, ich kön­ne gut in den Bauch und in den Brust­korb at­men. Was für ein Kom­pli­ment, oder? Ich kann gut at­men! Ich be­kam ein Ter­ra-Band und ein Plas­tik­ding mit dem man sei­ne Lun­ge trai­nie­ren kann. Noch wäh­rend der Phy­sio­the­ra­peut da war, kam mei­ne be­han­deln­de Ärz­tin (die auch mei­ne letz­te KMP durch­ge­führt hat­te) um mich will­kom­men zu hei­ßen. Ich hab mich ge­freut sie zu sehen. 

ZVK

Als ich wie­der al­lein im Zim­mer war, guck­te ich ein biss­chen Net­flix, wur­de aber von zwei Män­nern un­ter­bro­chen, die mit gro­ßen Ge­rät­schaf­ten in mein Zim­mer ka­men. Sie woll­ten mir den ZVK le­gen. Ich hat­te et­was Angst und fand es nicht ge­ra­de be­ru­hi­gend, dass ich die bei­den vor­her noch nie ge­se­hen hat­te. An­schei­nend war der Jün­ge­re noch in der Aus­bil­dung, denn wäh­rend ich qua­si blind un­ter dem OP-Tuch lag, flüs­ter­te der Äl­te­re dem Jün­ge­ren, der sich an mei­nem Hals zu schaf­fen mach­te, im­mer wie­der Tipps zu: „Ver­such es fla­cher“. Ich sag­te ih­nen, dass FLÜS­TERN wäh­rend so ei­ner Be­hand­lung beim Pa­ti­en­ten nicht ge­ra­de Ver­trau­en er­weckt. In­ner­lich hoff­te ich ein­fach nur, dass der Typ nicht aus Ver­se­hen mei­ne Adern oder mei­ne Lun­ge tref­fen möge. Nach­dem aber al­les er­le­digt und der Ka­the­ter an mei­nem Hals fest­ge­näht war, stand auch schon der Ab­hol­dienst für mich be­reit, um mich zum Rönt­gen zu fah­ren. Dort wur­de ge­guckt, ob der ZVK rich­tig sitzt. Zum Glück ging al­les to­tal schnell und ehe ich mich ver­sah, saß ich wie­der in mei­nem Zim­mer und be­kam Mit­tag­essen ser­viert. Nach dem Es­sen folg­te na­tür­lich wie­der das Mundspülprogramm. 

Um­zug

Ir­gend­wann war es dann end­lich so weit und ich zog mit mei­nen Kof­fern in den sechs­ten Stock auf die Trans­plan­ta­ti­ons­sta­ti­on. Ich kam pas­send zum Schicht­wech­sel und wur­de herz­lich be­grüßt. Hier gel­ten stren­ge­re Hy­gie­ne­re­geln und die Zim­mer ha­ben spe­zi­el­le Luft­fil­ter­sys­te­me. Ob­wohl ich vor mei­nem Zim­mer ei­nen Bal­kon habe, darf ich we­der Tür noch Fens­ter öff­nen (Geht auch gar nicht, weil die na­tür­lich ab­ge­schlos­sen sind). Ich räum­te mei­ne Kof­fer aus und freu­te mich über mei­ne un­glaub­li­che Weit­sich­tig­keit, denn auf­grund mei­ner Ho­tel­schran­k­erfah­run­gen hat­te ich zu­sätz­li­che Klei­der­bü­gel ein­ge­packt, wes­halb ich mich fast freu­te, dass ich in mei­nem win­zi­gen Schrank le­dig­lich drei ver­bo­ge­ne Rei­ni­gungs­bü­gel vor­fand. Au­ßer­dem hat­te ich mei­ne Sa­chen (Bü­cher und so­was) zu Hau­se in zwei schwar­ze Draht­kör­be ge­packt, die ich nun wie Schub­la­den in ei­nen sehr ho­hen Schrank stel­len konn­te. Hier ist wirk­lich we­nig Platz! Den­noch schaff­te ich es, alle Din­ge sinn­voll un­ter­zu­brin­gen. Be­son­ders sinn­voll brach­te ich mei­ne Lich­ter­ket­te un­ter. Sie hängt an der Bal­kon­tür, wo ich sie mit Pan­zer­tape (soll ja schließ­lich nicht run­ter­fal­len) be­fes­tigt habe. Ge­ra­de als ich mei­ne Fo­tos auf­hän­gen woll­te, kam der Sta­ti­ons­arzt ins Zim­mer und un­ter­such­te mich. Er ist auch erst seit zwei Wo­chen auf die­ser Station. 

Herz­echo

Kaum war der Arzt wie­der drau­ßen, stand ein süd­län­di­scher Typ mei­nes Al­ters in der Tür und frag­te: „Wol­len wir dann?“ Er war ge­ru­fen wor­den, um mich zum Herz­echo im an­de­ren Ge­bäu­de zu brin­gen. Im Be­hand­lungs­raum an­ge­kom­men, be­rei­te­te eine Schwes­ter mich für den Ul­tra­schall vor. Da ich das Ver­fah­ren ja in­zwi­schen kann­te, war ich nicht mehr ganz so ir­ri­tiert da­von, oben ohne auf der Sei­te mit ei­ner Hand auf der Hüf­te und der an­de­ren Hand an­ge­win­kelt un­ter dem Kopf da­zu­lie­gen wie eine Vor­la­ge für an­ti­ke Nackt­bil­der. Na­tür­lich war der Arzt, der mir mit dem glit­schi­gen Ul­tra­schall­kopf zwi­schen den Brüs­ten her­um­fuhr jung und wahr­schein­lich auch recht at­trak­tiv (mit Mas­ke kann man das im­mer nur schwer be­ur­tei­len). Wenn man sich im An­schluss mit ei­nem an­ge­reich­ten Pa­pier­tuch den Glib­ber vom Ober­kör­per wischt, fühlt man sich ir­gend­wie im­mer ein we­nig schlampig/benutzt/komisch.  

Du­schen, du­schen, duschen

Nach­dem ich wie­der in mei­nem Zim­mer lag, war ich echt ko. Aber ich hat­te auch end­lich Zeit zum Du­schen. Das war herr­lich! Da­nach fühl­te ich mich wie neu ge­bo­ren. Die Schwes­ter wech­sel­te das feuch­te Pflas­ter auf mei­nem ZVK ge­gen ein neu­es. Kurz dar­auf kam auch schon mein Abend­brot. Ich te­le­fo­nier­te mit mei­ner Fa­mi­lie und meh­re­ren Freun­den. Zwi­schen­durch kam im­mer mal wie­der eine Schwes­ter rein und er­klär­te mir De­tails zur mor­gen be­gin­nen­den Che­mo­the­ra­pie. Ich wer­de zwei ver­schie­de­ne Me­di­ka­men­te er­hal­ten. Die ers­ten bei­den Tage be­kom­me ich ein Mit­tel, dass über die Haut aus­ge­schwitzt wird. Da die Sub­stanz aber die Haut an­greift und schä­digt, muss ich alle 2–4 Stun­den gründ­lich du­schen, mei­ne Bett­wä­sche wech­seln und fri­sche Klei­dung an­zie­hen! Ich wer­de mor­gen also ver­mut­lich über­haupt kei­ne Zeit ha­ben, da ich ja auch noch 4–5 Mal mein Mund­spül­pro­gramm und mei­ne Atem­übun­gen durch­füh­ren muss. Naja und es­sen muss ich schließ­lich auch noch ir­gend­wann. Wenn der Che­mo­schweiß zu lan­ge auf ei­ner Stel­le bleibt, ver­ur­sacht er bren­nen­de Haut (wie bei ei­nem Son­nen­brand) und führt zu brau­nen Fle­cken (z.B. an Stel­len, die mit ei­nem Pflas­ter ab­ge­deckt sind). Die­se Fle­cken blei­ben dann meist noch für ein Drei­vier­tel­jahr zu se­hen. Haupt­sa­che mei­ne Haut fängt nicht an zu ju­cken. Tro­cke­ne, ju­cken­de Schien­bei­ne oder Mü­cken­sti­che trei­ben mich auch ohne Che­mo in den Wahn­sinn. Das Che­mo­me­di­ka­ment, das da­nach kommt, kann Krampf­an­fäl­le aus­lö­sen, des­halb be­kom­me ich da­ge­gen eine Prophylaxe.

Boah, jetzt bin ich aber echt tod­mü­de. Gute Nacht!

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