Wollen Sie Kinder?
Durch die hochdosierte Chemotherapie werden meine Eizellen mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit zerstört. Was für ein Glück, dass es heutzutage die Möglichkeit gibt, vor der Behandlung Eizellen einfrieren zu lassen. Klar, man muss vielleicht ein paar Hormone nehmen, aber was soll da schon großartig schiefgehen?
Ich sag’s euch: NE GANZE MENGE!!!
Bereits im ersten Diagnosegespräch sagte mir meine Ärztin, ich solle über die Option nachdenken, Eizellen einfrieren zu lassen, wenn es der Zeitplan erlaubt. Finanziell müsse ich mich allerdings darauf einstellen, den Großteil der Behandlung aus eigener Tasche zu zahlen, da die Krankenkasse und die Beihilfe (wenn überhaupt) nur einen kleinen Teil übernehmen würden.
Der finanzielle Aspekt sollte für uns nicht ausschlaggebend sein. Wir hatten eigentlich immer vor, irgendwann Kinder zu bekommen, auch, wenn wir bislang noch keine konkreten Pläne hatten. Allerdings wollten wir nicht riskieren, dass sich durch eine Kinderwunschbehandlung mein Zustand verschlechtert oder sich die SZT verzögert. Hätten die Ärzte in der Behandlung ein Risiko für meine Gesundheit gesehen, hätte ich wohl darauf verzichtet. Klar, wäre es schön, später „eigene“ Kinder zu haben, aber für uns wäre z.B. auch eine Adoption eine Option. Zumal ich eh überhaupt keinen Bock auf eine Schwangerschaft habe. Jan und ich sind uns darüber einig, dass wir selbst ganz ohne Kinder ein glückliches Leben führen würden. Da ich mir aber später keine Vorwürfe machen möchte, wollte ich es zumindest versuchen, ein paar Eizellen auf Eis zu legen.
Spritzen spritzen
Nachdem ich vom UKE die Zusicherung hatte, dass ich meine erworbene Genmutation nicht vererben würde, besorgte ich mir bzw. uns einen Termin im Kinderwunschzentrum Altona. Wir mussten einen mehrere Seiten umfassenden Fragebogen mit vielen indiskreten Fragen ausfüllen und fanden uns schließlich im Beratungszimmer eines netten Arztes wieder, der uns das Prozedere anhand diverser Grafiken erklärte. Anschließend kaufte ich mir für etwa 2000€ Spritzen. Ich dachte immer, ich würde es nicht hinbekommen, mir selbst in den Bauch oder den Oberschenkel (oder überhaupt irgendwohin) eine Spritze zu geben. Ging dann aber doch. Spritze zusammenbauen, Ampulle aufbrechen, Kochsalzlösung aufziehen und in das Fläschchen mit dem Medikamentenpulver spritzen, Medikament aufziehen, Kanüle wechseln, Stelle desinfizieren, Luft anhalten, in die Bauchfalte piksen und gleichmäßig spritzen. Anschließend die zweite Spritze (diesmal eine Fertigspritze) aus dem Kühlschrank holen, Spitze aufsetzen, Haut desinfizieren, Kappe abnehmen und ebenfalls in den Bauch spritzen. Das Ganze musste ich dann etwa zwei Wochen lang jeden Abend machen. Ich hatte zum Glück immer Jan an meiner Seite, der mir Kühlpacks oder Pflaster anreichte, wenn ich mal eine blöde Stelle getroffen hatte, die besonders wehtat oder blutete. Nach 5 Tagen kam dann noch eine weitere Spritze hinzu, die ich mir morgens in den Oberschenkel spritze. Die Einstichstelle tat nach dem Spritzen immer ein paar Stunden lang weh.
Kinderwunschzentrum
Zuerst schien ich die Hormonbehandlung ganz gut zu vertragen, als jedoch die dritte Spritze hinzukam, bekam ich starke Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und ein Druckgefühl im Bauch. Es war aber alles auszuhalten und schließlich wusste ich ja, woher es kam. In der Woche vor der Eizellentnahme fuhr ich zweimal zum Ultraschall nach Altona. Wegen der Corona-Auflagen durfte ich die Praxis nur noch allein betreten. Irgendwie fühlte ich mich im Wartezimmer ziemlich fehl am Platz zwischen all den Frauen, die sich nichts sehnlicher wünschten, als schwanger zu werden und ein Kind zu bekommen.
Der Arzt war sich noch nicht sicher, ob die Entnahme am Freitag oder am Montag stattfinden würde. Hierfür mussten noch die Blutergebnisse abgewartet werden. Ich sollte später einen Anruf bekommen. Vorsichtshalber sagte ich also in der Apotheke meines Vertrauens Bescheid, dass ich eventuell noch weitere Spritzen benötigte, damit sie diese dann auch vorrätig hätten. Abends bekam ich dann den versprochenen Anruf. Die Eizellentnahme sollte am Freitag (19.11.) stattfinden und ich müsse mir genau 36 Stunden vorher zwei identische Auslösespritzen in den Bauch spritzen. (Keine Ahnung, wieso sie den Wirkstoff nicht in eine Spritze packen, die ein bisschen größer ist?) Da mein OP-Termin auf 14 Uhr gelegt wurde, musste ich mir also in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um 2 Uhr die Spritzen geben. „Achso, wir benötigen noch ein kleines Blutbild von Ihnen. Sie können dafür herkommen oder es bei ihrem Arzt machen lassen. Die Ergebnisse müssen aber morgen Abend hier vorliegen.“ Na toll. Welcher Hausarzt hat denn schon ein eigenes Labor? Abgesehen davon, dass ich mich in diesen Tagen viel zu schwach fühlte, um selbst länger Auto zu fahren, fand ich es sehr ärgerlich, extra für eine einfache Blutentnahme (zum vierten Mal in einer Woche) nach Altona und wieder zurück zu fahren.
Plötzlich krank
Glücklicherweise konnte mir ein Freund die Blutabnahme im Winsener Krankenhaus ermöglichen. Um 10.30Uhr war alles erledigt und ich fuhr zu meinen Eltern. Bereits auf dem Weg zu ihnen merkte ich, dass es mir nicht gut ging. Mein Brustkorb schmerzte und ich bekam schlecht Luft. Angekommen legte ich mich sofort aufs Sofa. Meine Mutter brachte mir eine dicke Decke, denn inzwischen hatte ich starken Schüttelfrost. Nach kurzer Zeit musste ich mich hinsetzen, da ich nicht mehr richtig atmen konnte und die Schmerzen im Liegen kaum auszuhalten waren. Plötzlich tat alles weh, ich fing an zu weinen, doch als ich schluchzen musste, kam keine Luft mehr hinterher. Ich bekam es mit der Angst zu tun, da ein normales Einatmen nicht mehr möglich war. Aufgrund der raschen Verschlechterung meines Zustands rief meine Mutter einen Krankenwagen, der mich in die Notaufnahme brachte. Dort angekommen, wurde ich ans EKG angeschlossen, bekam Sauerstoff und erfuhr, dass ich nun auch Fieber hatte. Aufgrund meiner Symptome lag auch der Corona-Verdacht nicht fern. Ich war sowohl körperlich als auch mit den Nerven völlig am Ende. Meine größte Sorge galt der anstehenden Eizellentnahme, die nun mal nicht verschoben werden konnte. Zu meiner großen Erleichterung war immerhin der Corona-Test negativ, denn mit einem positiven Ergebnis hätte ich die OP vergessen können. Die Ursache für meine Schmerzen/Atemnot war aber noch nicht gefunden. Gegen Abend (nachdem bereits meine Lunge geröntgt und einiges anderes ausgeschlossen wurde) landete ich schließlich bei der Echokardiographie (Herzultraschall). Wie bereits gewohnt, rechnete ich nicht mehr mit einer Diagnose, als der Arzt sagte: „Sie haben da etwas Wasser in ihrem Herzbeutel.“ „Ähm, ok? Was bedeutet das?“ „Das heißt, sie haben eine leichte Herzbeutelentzündung“. Mensch, immer mal was Neues. Sowas hatte ich noch nie!
Woher das Wasser kam, konnte mir keiner sagen. Ich vermute immer noch stark, dass es mit der Auslösespritze zu tun hatte. Die Ärzte meinten aber, dass das eigentlich nicht üblich/möglich sei, da man als Nebenwirkung erst Wasser im Bauch, dann in der Lunge und erst dann im Herzen hätte. Wie auch immer. Ich bekam jedenfalls ein Zimmer in der ZNA und musste über Nacht am EKG bleiben. Irgendwann durfte mich Jan besuchen, der mir das Nötigste für die Nacht und obendrein (bester Ehemann der Welt) eine frische Pizza brachte!
Nach einer durchwachsenen Nacht in der Notaufnahme (ich konnte nur in Schräglage „liegen“ und um 3Uhr wurde eine weitere Patientin ins Zimmer gebracht) fieberte ich der Entscheidung der Ärzte bzgl. der OP in Altona entgegen. Der morgendliche Ultraschall ergab neben der Herzbeutelentzündung nun auch noch eine Rippenfellentzündung. Anscheinend treten die beiden häufig in Kombination auf. Die Blutergebnisse zeigten leider deutlich gestiegene Entzündungswerte und das Bangen um die Eizellentnahme ging weiter. Schließlich verständigten sich die Ärzte im Winsener Krankenhaus mit denen im Kinderwunschzentrum darauf, dass die OP stattfinden könne, ich allerdings keine Narkose, sondern stattdessen lieber starke Schmerzmittel erhalten sollte. Außerdem müsse ich direkt nach der Behandlung zurück ins Krankenhaus kommen.
OP & Krankenhaus
Meine Erleichterung war riesig! Im KWZ haben sich alle rührend um mich gekümmert. Die OP war anstrengend und trotz der Drogen etwas schmerzhaft. Aber egal! Hauptsache die blöden Eizellen waren endlich in Sicherheit. Die Dinger will ich jetzt auch erstmal ein paar Jahre nicht mehr sehen. Als ich zurück im Krankenhaus Winsen war und die Schmerzmittel nachließen, tat mir ALLES weh. Aber immerhin konnte ich ein bisschen besser atmen. Wisst ihr, was so richtig, richtig ätzend ist, wenn einem alles wehtut? Schluckauf! Hatte ich die halbe Nacht.
Damit das hier jetzt kein Roman wird, fasse ich das, was danach kam, stichwortartig zusammen: Überreaktion mit starken Bauchschmerzen, weiter steigende Entzündungswerte, Dreibettzimmer, noch drei Nächte im Krankenhaus, aus Versehen auf dem Flur der internistischen Station ausgesperrt (in Unterhose und T‑Shirt…vor den Fahrstühlen), sehr schlechte Blutwerte, gegen eine Tür gelaufen (blaues Handgelenk), endlich nach Hause, Antibiotika, Ibuprofen, Hormontabletten
Noch nicht vorbei
Ein Monat nach der OP wachte ich nachts mit Bauchschmerzen direkt aus der Hölle auf! Ich konnte mich nicht mehr bewegen und musste Jan wecken, der mir eine Wärmflasche machte und mir alle Schmerzmittel gab, die er in unserem Schrank finden konnte. Erst nach einigen Stunden wurde mir klar, dass wohl mein Eisprung ursächlich für diese Qualen sein musste. Meine Eierstöcke hatten anscheinend ganz schön gelitten. Die Schmerzen hielten insgesamt drei Tage an.
Mal eben Eizellen einfrieren…man man man