Der März 2022 begann für mich mit einer kaputten Autobatterie, Quaddeln an Hals und Schulter, Frühjahrsputz auf dem Balkon und dem Aufräumen unseres Kellers, wobei ich feststellen musste, dass dort offensichtlich eine Mäusefamilie wohnt.
Herzecho und Lungenfunktion
Am 7.3. hatte ich einen Kontrolltermin im Krankenhaus Winsen. „Ihr Herz ist insgesamt in Ordnung. In einigen Bereichen liegen die Werte zwar unter dem Durchschnitt, in anderen aber darüber. Die Schwächen fallen daher nur auf, wenn man ganz genau hinsieht. Sie werden allerdings keine Spitzensportlerin mehr werden können.“ Gut, dass ich das eh nicht vorhatte. Nach dem Herzecho ging es zum Lungenfunktionstest. Der lief gut. Als ich das Krankenhaus verließ, war ich im Großen und Ganzen zufrieden. Es war schön, mal wieder mit Dr. Dörner zu sprechen. Er meinte, ich hätte mich verändert. Ich sei ernster geworden seit der Transplantation und hätte etwas von meiner „Leichtigkeit“ verloren. Es wäre zwar kein Wunder, wenn ich nicht mehr so unbeschwert wäre wie früher, aber ehrlich gesagt empfinde ich das selbst überhaupt nicht so. Ich war an diesem Tag nur etwas fertig, weil ich schon wieder mückenstichartige Quaddeln am Oberkörper hatte und mich insgesamt nicht fit fühlte. Einen Tag zuvor hatte es in meiner MDS-Gruppe eine neue Todesnachricht gegeben. Auch das zog mich runter. Zudem hatten mich die letzten acht Wochen sehr belastet, da mein Vater diese Zeit im Krankenhaus (teilweise auf der Intensivstation) verbracht hatte und niemand von uns wusste, wie es weitergehen würde.
Quaddeln
Abends hatten sich meine Quaddeln auf die Kniekehlen, den Rücken und sogar bis in mein Gesicht ausgebreitet. Trotzdem verzichtete ich auf die Einnahme von Antihistaminika, da ich am nächsten Tag endlich meinen Termin beim Allergologen hatte und den Allergietest nicht beeinflussen wollte. Ich legte mich schlafen und hoffte das Beste. Meistens waren die Quaddeln ja am nächsten Morgen wieder verschwunden.
Quasimodo
Nicht so in dieser Nacht. Gegen 2.30Uhr wurde ich wach und spürte sofort, dass etwas anders war als sonst. Mein Gesicht spannte unglaublich und als ich es mit meinen Fingern abtastete, fühlte ich die gewaltigen Schwellungen. Panisch kletterte ich über den schlafenden Jan und schaltete die Taschenlampe meines Smartphones ein. Es war das erste Mal, dass ich richtige Angst hatte, mein Spiegelbild anzusehen.
Ein quasimodoartiger Anblick bot sich mir. Meine Lippen ähnelten Schlauchboten und mein linkes Auge war beinahe zugeschwollen. Da ich nicht so recht wusste, was ich machen sollte, rief ich in der Notaufnahme an. Die Schwester am Telefon sagte, ich solle ins Krankenhaus kommen, da man bei Schwellungen im Mundbereich immer befürchten müsse, dass auch die Zunge anschwillt. Das könnte dann im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. Ich weckte Jan und informierte ihn darüber, dass ich ins Krankenhaus fahre. Er war völlig schlaftrunken und fragte ganz benommen: „Soll ich dich fahren?“ Ich fuhr selbst. Das erschien mir trotz der Schwellungen sicherer. Außerdem musste Jan am nächsten Morgen früh aufstehen und zur Arbeit fahren.
Notaufnahme
In der Notaufnahme angekommen, hängte man mich sofort an einen Tropf mit Kortison. „Davon sollten die Schwellungen schnell zurückgehen.“ Tja, taten sie leider nicht. „Vielleicht fehlt Ihnen ein Enzym“, vermutete die Ärztin. Zur Überwachung behielt man mich dort. Ich bekam wiedermal ein Bett in einem Zimmer der Notaufnahme. Im Arztbrief wurde vermerkt, dass es sich wohl nicht um eine allergische Reaktion gehandelt habe, sondern dass der Verdacht auf ein Quincke-Ödem bestehe. Ich schlief erstaunlich gut. Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen zusammen, setzte meine Maske auf (die wenigstens meine Lippen verdeckte), verließ das Zimmer und wollte mich bei der Anmeldung abmelden. Das Sprechen fiel mir noch etwas schwer und die Schwester schien mich nicht so recht einordnen zu können. „Ich habe hier geschlafen.“ Irritierter Blick. Ich nahm meine Maske ab. Erschrockener Blick. „Muss ich mich noch bei der Ärztin abmelden?“ Doch die Ärztin kam schon herbeigeeilt, übergab mir den ausgedruckten Arztbrief und wünschte mir viel Erfolg beim Allergologen.
Allergologe
Meine Mutter begleitete mich nach Hamburg und kümmerte sich wieder ums Parken (oft eine unmögliche Herausforderung), während ich einfach aussteigen konnte. Den ersten Termin hatte ich im Dermatologikum am Stephansplatz. Das alte Haus ist total schön und liegt direkt gegenüber des Eingangs zu Planten und Blomen. Im Wartezimmer stehen lauter bequeme Sessel, die Gänge sind lang und die Decken hoch gewölbt. Zum Glück bin ich privatversichert, denn es handelt sich hier mal wieder um eine Privatpraxis. Es ist extrem schwierig, einen Allergologen zu finden und noch schwieriger, einen zeitnahen Termin zu bekommen. Das Dermatologikum war mir von Luise und Carina empfohlen worden. Bei der Terminvergabe am Telefon hatte man mir gesagt, dass es auch hier nur einen einzigen Allergologen gäbe. Als ich diesem nun endlich gegenübersaß, bestätigte er mir, dass die Blutuntersuchungen, die er bei mir vornahm, für kassenärztliche Patienten quasi unmöglich sind, da er keinen (kassenärztlichen) Arzt kennt, der sie überhaupt durchführt. Wenn man die Kosten selbst übernehmen würde, wäre das „unbezahlbar“, bzw. übertrieben teuer.
Gemeinsam mit seiner Assistentin sah er mich ein wenig ratlos an. Die Quaddeln seien typisch für eine Allergie und auch die Schwellungen könnten daher kommen. Allerdings hätten sie bei der Medikamentengabe abschwellen müssen, was sie nicht taten. Daher müsse man von einer Autoimmunerkrankung wie dem Quinke-Ödem ausgehen. Jedoch würden bei dieser Erkrankung keine Quaddeln auftreten. „Irgendwie passt das alles nicht so ganz zusammen bei Ihnen.“ Na toll, mal wieder ratlose Ärzte, die nicht wissen, was ich habe. Immerhin hatte ich diesmal den Eindruck, dass sie meine Beschwerden ernst nehmen und sich allerhand Gedanken machen. Vor mir saß schließlich der Leiter des Zentrums für Allergologie mit einer superlangen Vita, die ihn als Allergie-Experten auswies. Wenn einer Ahnung von meinen Problemen haben sollte, dann er. Einen normalen Allergietest mit Proben auf der Haut etc. konnte er aufgrund der letzten Nacht nicht vornehmen, aber der Bluttest sei eh viel aussagekräftiger und in meinem Fall wichtiger. Der Arzt bat mich, in den kommenden Wochen ein Symptomtagebuch zu führen. Zudem verschrieb er mir ein Medikament, welches ich morgens und abends nehmen sollte (Ebastel) sowie einen Notfall-Adrenalin-Pen. Wir vereinbarten einen Anschlusstermin, an welchem wir die Ergebnisse besprechen wollten. Dann verabschiedete er sich von mir. An seine Stelle trat ein Assistent, der mir Blut abnahm.
Auf dem Weg zum Ausgang kaufte ich in der hauseigenen Apotheke die Medikamente. Vor der Tür traf ich auf meine Mutter. Sie hatte das Auto endlich sicher abgestellt und noch einige Minuten auf dem Parkschein, sodass wir die Zeit und das schöne Wetter für einen kurzen Spaziergang zum Tropenhaus nutzten. Leider war es wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, aber der Weg dorthin war trotzdem schön.
Dermatologie
Anschließend machten wir uns auf den Weg zum UKE, wo ich einen Termin in der Dermatologie zur Hautkrebsvorsorge hatte. Inzwischen sah mein Gesicht zum Glück wieder fast normal aus. Die Ärztin war sehr freundlich und schaute sich alle meine Leberflecken an. Keiner meiner Flecken war besonders groß, dunkel oder an den Rändern ausgefranst. Daher sah auch die Dermatologin keinen Anlass zur Sorge. Sie befürwortete die Blutuntersuchung, die der Kollege vornehmen wollte und wünschte mir viel Erfolg bei der Ursachenforschung.
KMT-Ambulanz
Als ich fertig war, machte ich noch einen kurzen Abstecher zur KMT-Ambulanz, um mir ein neues Rezept und die Ergebnisse der letzten Knochenmarkpunktion abzuholen. Meine Werte waren alle in Ordnung! Außerdem fragte ich meine Ärztin nach dem Namen der Psychoonkologin, die sie mir beim letzten Termin empfohlen hatte, denn ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass mir ein Gespräch vielleicht ganz gut tun würde. Meine Ärztin hatte gesagt: „Es ist ganz häufig so, dass zuerst der Körper heilt und dann die Psyche zum Problem wird.“ Dem wollte ich gerne entgegenwirken.
IKEA Altona
Da wir in Hamburg waren und nichts weiter zu tun hatten, fuhren wir zum ersten Mal zum IKEA in Altona. Was soll ich sagen? Es war richtig scheiße. Wir fuhren auf das Parkdeck und standen kurz darauf vor den gelben Fahrstühlen, die uns zum Eingang bringen sollten. Neben uns warteten bereits einige andere Menschen mit großen Einkaufswagen. Da es überhaupt nicht voranging und abzusehen war, dass wir alle unter Coronabedingungen keinen Platz im Fahrstuhl finden würden, folgten meine Mutter und ich einem Schild mit der Aufschrift: „Du möchtest nur schnell etwas umtauschen oder zum Eingang? Dann nutze auch unsere weiteren Aufzüge.“ Als wir mit einem dieser weiteren Aufzüge nach unten gefahren waren, befanden wir uns leider nicht am EINgang, sondern am AUSgang. Das Schild auf dem Parkdeck war schlichtweg falsch. Sollte man mal ändern, IKEA! Is nämlich richtig nervig, wenn man in eurem eh schon verwirrend aufgebauten City-Möbelhaus unter Coronabedingungen (und dementsprechenden Absperrungen) kaum noch Möglichkeiten hat, irgendwo hinzukommen. Zum Eingang gelangt man von da aus wo uns der Aufzug hingeführt hat schonmal gar nicht.
Naja, immerhin haben wir am Ende den Weg zu unserem Auto wiedergefunden und sind heil nach Hause gekommen. Nun hieß es wieder Tabletten schlucken und auf die Ergebnisse des Allergietests warten.