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12:41Uhr

Ich sit­ze auf mei­nem Bett und war­te auf die Vi­si­te. Aus­ge­rech­net heu­te, wo sich end­gül­tig ent­schei­det, ob ich Mor­gen ge­hen darf, las­sen sich die Ärz­te ex­trem viel Zeit. Es ist schon 12:41Uhr. Vor etwa ei­ner hal­ben Stun­de gab es Mit­tag­essen. Da mei­ne Übel­keit seit ges­tern Mor­gen so gut wie weg ist, habe ich ge­wagt, Nu­deln mit To­ma­ten­so­ße zu be­stel­len. „To­ma­ten?!“, wird sich jetzt so man­cher fra­gen. Ja, To­ma­ten! Ich möch­te näm­lich aus­tes­ten, ob mei­ne Hist­amin­in­to­le­ranz mit der Stamm­zell­trans­plan­ta­ti­on ver­schwun­den ist. Das wäre ein fan­tas­ti­scher Ne­ben­ef­fekt. Als ich die Ab­deck­glo­cke ab­hob, hat­te ich et­was Angst vor dem Ge­ruch und Zwei­fel, ob ich die­ses Es­sen jetzt über­haupt noch mag. Zu mei­ner gro­ßen Er­leich­te­rung ro­chen und schmeck­ten die Nu­deln echt gut und ich hat­te so­gar so et­was wie Ap­pe­tit. Zum Nach­tisch schäl­te ich mir ei­nen Apfel. 

An­sons­ten war mein bis­he­ri­ger Tag sehr ent­spannt. Da ich nicht mehr am Turm hän­ge, ist es in mei­nem Zim­mer viel ru­hi­ger und es kom­men kei­ne Schwes­tern oder Pfle­ger am lau­fen­den Band her­ein. Au­ßer­dem wur­de mei­ne Mor­gen­rou­ti­ne et­was durch­ein­an­der ge­bracht. Ich konn­te nicht du­schen, weil es kei­ne fri­schen Hand­tü­cher gab. Zum Früh­stück aß ich wie­der Zwie­back und eine Ba­na­ne. Dazu trank ich Saft­schor­le. Bis­her habe ich heu­te schon ei­nen Li­ter ge­trun­ken (Ta­ges­ziel sind 2 Li­ter). Au­ßer­dem be­stell­te ich mir ein Fläsch­chen Fresub­in. Das ist ein hoch­ka­lo­ri­sches Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel, wel­ches das Es­sen so­gar kom­plett er­set­zen kann. Ich soll es trin­ken, wenn ich an­sons­ten nicht auf mei­ne Ka­lo­rien­zahl kom­me. Ges­tern trank ich so ei­nen Drink der Ge­schmacks­rich­tung Cap­puc­ci­no. Der schmeck­te ganz gut. Heu­te brach­te man mir Oran­ge-Ana­nas, was ziem­lich ek­lig war und wo­von ich da­her nur ei­nen Schluck trank. Die ers­ten Ta­blet­ten nahm ich mit dem Früh­stück ein. Mit der Ein­nah­me mei­ner Im­mun­sup­pres­si­va war­te­te ich bis 9.30 Uhr bzw. 10 Uhr. 

Ges­tern Abend hat­te ich mein pfle­ge­ri­sches Ab­schluss­ge­spräch mit ei­ner mei­ner Lieb­lings­schwes­tern. Sie ver­ein­bar­te auch gleich ei­nen te­le­fo­ni­schen Ter­min bei der Er­näh­rungs­be­ra­te­rin. Ge­gen 10Uhr wür­de sie mich an­ru­fen. Da­her saß ich heu­te nach der Ein­nah­me mei­ner Me­di­ka­men­te auf dem Bett und war mir un­schlüs­sig, ob ich jetzt noch schnell du­schen ge­hen (in­zwi­schen gab es wie­der Hand­tü­cher) oder erst das Te­le­fo­nat ab­war­ten soll­te. Um 10.30Uhr ent­schied mich schließ­lich für ers­te­res. Die Du­sche tat gut, aber mein Kreis­lauf war mal wie­der über­for­dert, so­dass ich mich nach dem Ab­trock­nen mit star­kem Schwin­del auf mein Bett fal­len ließ. 

Ei­gent­lich könn­te ich jetzt schon an­fan­gen, mei­nen Kof­fer zu pa­cken, aber dann den­ke ich wie­der „Ach, das geht nach­her so schnell, war­te lie­ber ab, bis du die end­gül­ti­ge Zu­sa­ge hast, dass es mor­gen nach Hau­se geht.“ Nach Hau­se!!! Ich freue mich so der­ma­ßen dar­auf, mit mei­nen Kof­fern die­ses Kran­ken­haus hin­ter mir zu las­sen. Das Ein­zi­ge was jetzt noch pas­sie­ren könn­te, wäre, dass mein Blut­bild in Be­zug auf die Im­mun­sup­pres­si­va noch nicht zu­frie­den­stel­lend ist, aber das will ich mal nicht hof­fen. Das Blut­ab­neh­men mach­te heu­te Mor­gen zum ers­ten Mal Pro­ble­me. Viel­leicht hat sich mein ZVK schon dar­auf ein­ge­stellt, mög­lichst bald sei­ne Ar­beit einzustellen.

Üb­ri­gens er­zähl­te mir die Schwes­ter ges­tern nach dem Ab­schluss­ge­spräch, dass alle Din­ge (Ver­brauchs­ge­gen­stän­de) in die­sem Zim­mer weg­ge­wor­fen wer­den, wenn ich gehe, dar­un­ter vier fast vol­le Pa­ckun­gen mit Ein­mal­hand­schu­hen, Pflas­ter, Te­ra­b­än­der, Spuck­scha­len und Ste­ril­li­um. Sie sag­te, ich sol­le am bes­ten al­les mitnehmen.

Ges­tern war ich üb­ri­gens wie­der auf dem Bal­kon. Die Son­ne schien so warm, dass ich erst­mal mei­nen Man­tel aus­zie­hen und mei­nen Schal ab­le­gen muss­te. Wirk­lich ent­span­nen konn­te ich mich aber nicht, da ich Angst hat­te, dass die Son­ne mei­ne emp­find­li­che Haut schä­digt. Mir wur­de be­reits ge­sagt, dass ich min­des­tens für ein hal­bes Jahr di­rek­ter Son­nen­ein­strah­lung aus dem Weg ge­hen sol­le und nur mit Son­nen­bril­le und star­kem Son­nen­schutz­mit­tel in die Son­ne dür­fe. Mein Ri­si­ko für Haut­krebs ist stark er­höht und den kann ich ge­ra­de wirk­lich nicht ge­brau­chen. Nach­dem ich zwei Zwie­back ge­ges­sen und mei­ne Ap­fel­schor­le ge­trun­ken hat­te, ging ich zu­rück in mein Zim­mer. Dort an­ge­kom­men hat­te ich wie­der star­ke Fuß­schmer­zen. Die Schwes­ter brach­te mir zwei Kühl­kis­sen für die Füße und ei­nes für die Hän­de, wel­che eben­falls brann­ten. Als ich eben im Bad war, um dort mein Mund­spül­pro­gramm zu ma­chen, ta­ten mei­ne Füße plötz­lich wie­der soooo weh, dass ich sie so­fort un­ter kal­tes Was­ser hal­ten muss­te. Wie­der im Bett brach­te man mir wie­der ein Kühl­kis­sen. Ich hof­fe, dass die­se Fuß­schmer­zen schnell nach­las­sen. Sonst is nich viel mit Spa­zie­ren­ge­hen! Naja, wenn die Füße wei­ter­hin weh­tun, muss Jan mich halt mit ei­nem Roll­stuhl spa­zie­ren fah­ren. Dann kann ich mir auch schön eine De­cke auf die Bei­ne le­gen. Viel­leicht set­ze ich auch eine graue Pe­rü­cke und eine di­cke Bril­le auf. Oh und dann kau­fe ich mir noch eine Dose Drops, die ich an vor­bei­ge­hen­de Kin­der verteile.

20.00 Uhr

In­zwi­schen ist es Abend ge­wor­den. Nach ei­nem län­ge­ren Nach­mit­tags­schlaf frag­te ich mich all­mäh­lich, wann wohl die Vi­si­te kom­men wür­de. Erst ge­gen 17.30 Uhr kam der jun­ge Sta­ti­ons­arzt zu mir und ver­kün­de­te, dass ich mor­gen nach Hau­se ge­hen darf. YEAH! Spä­ter kam dann noch ein an­de­rer Arzt, der mit mir ein Ab­schluss­ge­spräch führ­te. Da­nach be­gann ich da­mit, mei­nen Kof­fer zu pa­cken und mei­ne Fo­tos und Kar­ten von den Wän­den zu neh­men. Mei­ne bei­den Kof­fer sind fast fer­tig ge­packt. Ich muss­te ir­gend­wann ab­bre­chen, weil mein Kreis­lauf fast zu­sam­men­ge­bro­chen wäre. Mein Kör­per war wohl nach dem gan­zen Schla­fen nicht auf so eine Pack­ak­ti­on vor­be­rei­tet. Üb­ri­gens habe ich so­wohl das Mit­tag­essen als auch die Früh­stücks­ba­na­ne gut ver­tra­gen, was mei­ne Hoff­nung wach­sen lässt, dass ich nun wie­der hist­amin­hal­tig es­sen kann. Der Ab­schied vom UKE wird mir si­cher nicht schwer fal­len. Al­ler­dings muss ich am Don­ners­tag schon wie­der zur Kon­trol­le in die KMT-Am­bu­lanz. Das ist aber ok, so­lan­ge ich zu­hau­se schla­fen und le­ben kann. Mein ZVK wird mor­gen nach der Blut­ab­nah­me ent­fernt. Letz­te­re wird sehr früh statt­fin­den und noch vom Nacht­dienst vor­ge­nom­men wer­den, da­mit die Er­geb­nis­se bei mei­ner Ent­las­sung vor­lie­gen. Am meis­ten Angst habe ich da­vor, mein Kopf­kis­sen hier zu ver­ges­sen. Naja und auf län­ge­re Sicht habe ich na­tür­lich Angst vor jeg­li­cher In­fek­ti­on und Co­ro­na, da ich nun Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­tin bin und noch nicht ge­impft wer­den darf. Aber an Ängs­te will ich jetzt gar kei­ne Ge­dan­ken verschwenden.

Mor­gen um 10 Uhr wer­de ich ab­ge­holt. ICH FREUE MICH!!!

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Christine

    Hal­lo Nele, wie schön, dass du das Es­sen so gut ver­trägst und dass es auch wie­der schmeckt. Ich freu mich so für dich, dass du mor­gen nach Hau­se kannst. Du warst so taff und hast es dir jetzt wirk­lich ver­dient, die Luft, das Licht, dei­ne Fa­mi­lie, Freun­de und den Gar­ten zu ge­nie­ßen und or­dent­lich ver­wöhnt zu wer­den. Ich um­ar­me dich im Geis­te und wünsch dir für mor­gen ei­nen tol­len Tag.

  2. Rebecca

    Lie­be Nele,
    ich freue mich so für dich! Nur noch die­se Nacht und dann darfst du end­lich nach Hause. 🤩

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