März

März

Schild­drü­se

Be­vor ich die Er­geb­nis­se des All­er­gie­tests be­kam, er­hielt ich ei­nen An­ruf des Der­ma­to­lo­gi­kums. Die ers­ten Aus­wer­tun­gen mei­nes Blu­tes hät­ten auf­fäl­li­ge Schild­drü­sen­wer­te er­ge­ben. Ich sol­le doch bit­te mög­lichst bald ei­nen Ter­min beim En­do­kri­no­lo­gen ver­ein­ba­ren. Die Wer­te wür­den mir per Mail zu­ge­schickt. Geil, zum nächs­ten Arzt! Ich dach­te ja ei­gent­lich, ich hät­te den Ärz­te­ma­ra­thon hin­ter mir ge­las­sen. Die te­le­fo­ni­sche Ter­min­ver­ein­ba­rung mit der en­do­kri­no­lo­gi­schen Pra­xis in Lü­ne­burg stell­te sich auch als sehr müh­sam her­aus. Nach 20 Mi­nu­ten in der War­te­schlan­ge konn­te ich end­lich mit je­man­dem spre­chen. Wir mach­ten ei­nen Ter­min für Ende April aus. 

All­tag

Ne­ben dem all­täg­li­chen Nerv­kram (ich wur­de für Stun­den von ei­nem Bau­fahr­zeug auf dem Net­to-Park­platz ein­ge­parkt, in der Men­sa wur­de ein­ge­bro­chen und ran­da­liert, Idio­ten­kin­der ha­ben abends auf „un­se­rem“ Schul­hof mit Bau­zäu­nen ge­spielt,…) gab es auch schö­ne Mo­men­te. Wir fei­er­ten den 8. Ge­burts­tag un­se­rer Nich­te, tra­fen uns mit Pad­dy und Jojo zum Spie­len und mit Lui­se und Ben­ny zum Es­sen. In der Kunst­bä­cke­rei wur­de flei­ßig ge­malt, ge­bas­telt und ge­näht. Neue Er­kennt­nis: Für Kreuz­stich las­sen sich be­son­ders Jungs und Män­ner be­geis­tern. Ich habe Yoda und Won­der Wo­man gestickt. 

Wer bin ich?

Wir wa­ren auch end­lich mal wie­der bei Anna und Kim­bo. Seit sie um­ge­zo­gen sind und ein Baby ha­ben ist es schwie­ri­ger ge­wor­den, sich „mal eben“ zu tref­fen. Un­se­re Freund­schaft lei­det dar­un­ter aber trotz­dem nicht. Wir ha­ben le­cker ge­ges­sen und ge­quatscht. Ich woll­te ger­ne et­was spie­len und konn­te die an­de­ren schließ­lich von „Wer bin ich?“ über­zeu­gen, ob­wohl ich das Spiel ei­gent­lich über­haupt nicht mag. So wie Mo­no­po­ly macht es nur Spaß, wenn man da­bei ge­winnt. Kim­bo hol­te Stirn­bän­der und je­der klemm­te sei­nem Nach­barn ei­nen Na­men an die Stirn. Als Anna schließ­lich er­ra­ten hat­te, wer sie war, ern­te­te ich ei­nen ziem­lich bö­sen Blick von ihr. „Nele, das ist echt ge­schmack­los!“ Sie war Pu­tin. Naja, nor­ma­ler­wei­se ist doch im­mer ir­gend­wer Hit­ler, oder? Das ist auch nicht ge­schmack­vol­ler. Am Ende des Abends ha­ben wir Shrek ge­guckt. Der Film ist aber lei­der rich­tig schlecht ge­al­tert. Viel­leicht sind Jan und Kim­bo des­halb so früh eingeschlafen.

Blut­spen­de

Am nächs­ten Tag war Blut­spen­de. Ir­gend­wie war ich nicht gut drauf. Ich spür­te, dass mir wie­der al­les zu viel wur­de und ohne es zu wol­len, lie­fen mir Trä­nen über die Wan­gen. Da­nach ging es mir et­was bes­ser. Ich wusch mir das Ge­sicht und fuhr zur Wolf­gang-Bor­chert-Schu­le, um dort am Buf­fet den Blut­spen­dern eine Tüte mit al­ler­lei le­cke­ren Sa­chen zu­sam­men­zu­stel­len. Je­der er­hielt (wenn er woll­te) ein fri­sches Bröt­chen (Laugenbrötchen/Körnerbrötchen/Schokobrötchen/Franzbrötchen/…), eine Pa­ckung Kek­se, et­was Sal­zi­ges (Pa­ckung Chip­s/­Pom­bä­ren­/­Tuc-Kek­se/­Salz­stan­gen/…), ei­nen Ap­fel, ei­nen Joghurt/Actimel, eine Bifi, ei­nen Müs­li­rie­gel, eine Ha­ri­bo-Tüte so­wie eine Klei­nig­keit (Ha­nu­ta o.Ä.). Die­ser Pos­ten macht mir im­mer am meis­ten Spaß, weil man an­de­ren Men­schen ein­fach et­was gibt wor­über sie sich freu­en, ohne, dass sie da­für be­zah­len müs­sen. Au­ßer­dem kann ich mich bei je­dem Spen­der per­sön­lich be­dan­ken. Blut­spen­den sind SO wich­tig und ohne die gan­zen Frei­wil­li­gen wäre eine aus­rei­chen­de Ver­sor­gung z.B. in Kran­ken­häu­sern un­mög­lich. Seit­dem ich selbst auf Blut­kon­ser­ven an­ge­wie­sen war, ist mir die Re­le­vanz von Blut­spen­den noch­mal deut­li­cher ge­wor­den. Da­bei un­ter­stüt­zen wir vom Ju­gend­rot­kreuz be­reits seit über 18 Jah­ren die Blut­spen­de­ter­mi­ne in Win­sen. Seit ein paar Jah­ren wird die Blut­spen­de kom­plett von uns ge­plant und durch­ge­führt. Lei­der ka­men zu die­sem Ter­min am 14.03. nicht so vie­le Spen­der wie er­war­tet. Erst im Nach­hin­ein er­fuh­ren wir den Grund. Ab dem 21.03. gab es fol­gen­de Ak­ti­on: Bei je­dem Spen­der wur­de der ak­tu­el­le Co­ro­na-An­ti­kör­per­ti­ter be­stimmt. Je­der, der die App be­nutzt, wur­de über die­sen kos­ten­lo­sen Ser­vice in­for­miert. Na­tür­lich ver­lor un­ter die­sem Ge­sichts­punkt der Spen­de­ter­min eine Wo­che vor­her an At­trak­ti­vi­tät. Das war zwar scha­de für uns, aber ab­so­lut nach­voll­zieh­bar. Was ich al­ler­dings dumm fin­de, ist die Tat­sa­che, dass ei­nem an­schlie­ßend nie­mand sa­gen konn­te, was das Test­ergeb­nis be­deu­te­te. „Es gibt noch kei­ne Er­kennt­nis­se dar­über, wel­cher Impf­ti­ter aus­rei­chend ist. Man geht da­von aus, dass Wer­te über 44 gut sind.“ Ja, gut, aber mei­ne Mut­ter hat­te ei­nen Wert von 7630! Ist das auch NOCH gut? Ist ja schon ziem­lich weit von 44 entfernt… 

Ur­laubs­pla­nung

Am Tag nach der Blut­spen­de fühl­te ich mich rich­tig krank. Nach dem Auf­ste­hen muss­te ich mich erst­mal über­ge­ben und auch da­nach wur­de es nicht viel bes­ser. Ei­gent­lich hät­te ich an die­sem Tag zum Amts­arzt ins Kreis­haus kom­men sol­len, doch die woll­ten mich in mei­nem Zu­stand nicht se­hen. Da­her wur­de der Ter­min um eine Wo­che ver­scho­ben und ich lag statt­des­sen ver­schnupft auf dem Sofa, wo ich mich durch Ur­laubs­por­ta­le klick­te. Als ers­tes buch­te ich eine Wo­che für Jan und mich An­fang Mai in Tu­ne­si­en. Das ging ziem­lich schnell, da ich ge­nau wuss­te, wann wir dort sein woll­ten und es von Ham­burg aus nur ei­nen Hin- und ei­nen Rück­flug gab. An­lass die­ser Rei­se war die Hoch­zeit von Lin­da und Ay­men am 10. Mai. Da sie in ei­nem Ho­tel fei­er­ten, war auch klar, wo wir schla­fen würden. 

Län­ger dau­er­te die Pla­nung des Last-Mi­nu­te-Ur­laubs mit mei­ner Mut­ter. Mein Va­ter hat­te zum Glück kurz­fris­tig ei­nen Platz in ei­ner Reha be­kom­men, die den An­for­de­run­gen sei­ner Krank­heit ent­sprach. Da­her hat­te ich ein Zeit­fens­ter von drei Wo­chen, in de­nen ich mei­ner Mut­ter et­was Er­ho­lung ver­schaf­fen woll­te. Denn die hat­te sie drin­gend nö­tig! Ich such­te also nach ei­nem rund­um-sorg­los-Ur­laub, von dem wir uns nichts an­de­res er­hoff­ten als viel Son­ne und Ent­span­nung. Als ers­tes sah ich mir die Wet­ter­vor­her­sa­ge für alle mög­li­chen Rei­se­zie­le an und muss­te ziem­lich schnell fest­stel­len, dass das Welt­wet­ter zu die­ser Zeit echt be­schis­sen wer­den soll­te. Do­mi­ni­ka­ni­sche Re­pu­blik? Thai­land? Mal­lor­ca? Re­gen, Sturm und Käl­te! Das ein­zi­ge Ur­laubs­land, in dem durch­weg die Son­ne schei­nen soll­te, war Ägyp­ten. Vor etwa sechs Jah­ren wa­ren mei­ne Mut­ter und ich schon ein­mal nach Mar­sa Alam ge­reist. Sie war da­mals to­tal be­geis­tert vom Schnor­cheln und den vie­len bun­ten Fi­schen ge­we­sen. Nach­dem ich ei­ni­ge Stun­den in den Ho­tel­ver­gleich in­ves­tiert hat­te (Ich has­se das!), ent­schied ich mich schließ­lich für ein 5‑Sterne Ho­tel mit sehr gu­ter Be­wer­tung, ei­ge­nem Haus­riff und All In­clu­si­ve-Ver­pfle­gung. Der Flug ging früh mor­gens ab Han­no­ver, wes­halb ich gleich noch eine Nacht im Flug­ha­fen­ho­tel dazu buch­te. So konn­ten wir am Vor­tag ganz ent­spannt mit dem Zug-zum-Flug-Ti­cket nach Han­no­ver fah­ren und abends ru­hig schla­fen ge­hen. Früh mor­gens mit dem Zug an­zu­rei­sen war für mich kei­ne Op­ti­on, denn auf die Deut­sche Bahn ver­las­se ich mich schon seit Lan­gem nicht mehr! 

Nach­dem die Ur­laubs­pla­nung ab­ge­schlos­sen war, küm­mer­te ich mich wie­der um an­de­re The­men. Am nächs­ten Tag kam mein Bru­der vor­bei. Wir hal­fen mei­nen El­tern da­bei, alle Vor­keh­run­gen für die kom­men­den Wo­chen zu tref­fen und den Kof­fer für mei­nen Va­ter zu pa­cken. Glück­li­cher­wei­se hat­te sich Alan be­reit­erklärt, für die Zeit ih­rer Ab­we­sen­heit auf das Haus und vor al­lem auf Mucki aufzupassen. 

Mei­ne Mut­ter brach­te mei­nen Va­ter al­lein nach Bad Wil­dun­gen, ob­wohl die Fahrt ziem­lich lang war und ich sie ei­gent­lich hat­te be­glei­ten wol­len, um sie beim Fah­ren ab­lö­sen zu kön­nen. Mit mei­ner Er­käl­tung woll­te ich je­doch nicht mit mei­nem Va­ter auf en­gem Raum ho­cken. Ich hat­te Angst, ihn an­zu­ste­cken und da­mit wo­mög­lich sei­nen Reha-Auf­ent­halt zu ge­fähr­den, denn bei Co­ro­na-Sym­pto­men ist na­tür­lich jede Kli­nik hochsensibel.

Er­geb­nis­se

Statt­des­sen fuhr ich mit Jan nach Ham­burg zur KMT-Am­bu­lanz. Ei­gent­lich soll­te ich erst Ende April kom­men, aber durch die neue­ren Ent­wick­lun­gen schien es sinn­voll, frü­her vor­bei­zu­schau­en. Auf dem Weg zum UKE er­hielt ich die er­sehn­te Mail des Der­ma­to­lo­gi­kums. Die Er­geb­nis­se des All­er­gie­tests wa­ren da! Ge­spannt öff­ne­te ich den An­hang, gab das Pass­wort ein und las Jan die Aus­wer­tung vor. Jetzt er­fuhr ich auch, wie der Test heißt, der mit mei­nem Blut durch­ge­führt wurde: 

„ISAC-Test: All­er­gie-Dia­gnos­tik der neus­ten Generation

Bei dem Im­mu­no So­lid-Pha­se All­er­gen Chip (ISAC) han­delt es sich um eine mi­nia­tu­ri­sier­te Im­mu­n­o­as­say- Platt­form auf der Grund­la­ge mo­der­ner Bio­chip-Tech­no­lo­gie. Die Ver­wen­dung hoch auf­ge­rei­nig­ter, na­ti­ver und re­kom­bi­nan­ter All­er­gen­kom­po­nen­ten er­mög­licht die Mul­ti­plex­mes­sung von spe­zi­fi­schen IgE-An­ti­kör­pern ge­gen 112 All­er­gen­kom­po­nen­ten aus 51 Allergenquellen.

Ge­tes­tet wer­den All­er­gen­kom­po­nen­ten un­ter an­de­rem aus den Fa­mi­li­en der Spei­cher­pro­te­ine, nicht spe­zi­fi­sche Li­pid-Trans­fer-Pro­te­ine (nsLTP), PR-10-Pro­te­ine, Pro­fil­i­ne, Cross-re­ak­ti­ve Koh­len­hy­drat-De­ter­mi­nan­ten (CCDs), Tro­po­myo­si­ne, Par­v­al­bu­mi­ne und Se­rum­al­bu­mi­ne. Die De­tek­ti­on der nach­weis­ba­ren IgE-An­ti­kör­per er­folgt mit ei­nem Bio­chip-Scan­ner und die Aus­wer­tung an­hand von semiqua­nti­tativen Test­ergeb­nis­sen in ISAC Stan­dar­di­zed Units (ISU).“

Haus­staub­mil­ben sind BÖSE!

Der ISAC-Test kam bei mir zu fol­gen­den Er­geb­nis­sen: Ich bin all­er­gisch ge­gen Schim­mel­pil­ze (Kon­zen­tra­ti­on 1,1 ISU‑E = Mit­tel), Lies­ch­gras (Kon­zen­tra­ti­on 6,8 ISU‑E = Mittel/Hoch) und Haus­staub­mil­ben. Die Haus­staub­mil­ben wer­den noch­mal in vier Be­rei­che aufgeteilt. 

Der f1 Cystein­pro­tease: 0,9 ISU‑E = Niedrig 

Der f2 NPC2-Fa­mi­lie: 22 ISU‑E = Sehr hoch

Der p1 Cystein­pro­tease: 1,2 ISU‑E = Mittel 

Der p2 NPC2-Fa­mi­lie: 32 ISU‑E = Sehr hoch 

Das „Der“ ist üb­ri­gens kein Ar­ti­kel son­dern steht für „Der­ma­to­pha­go­ides“, was der la­tei­ni­sche Name für die Haus­staub­mil­be ist. In al­len an­de­ren Be­rei­chen la­gen mei­ne Wer­te un­ter 0,3. Ich war sehr er­leich­tert, dass ich we­der auf Le­bens­mit­tel noch auf (süße) Tie­re all­er­gisch re­agie­re. Gleich­zei­tig wur­de mir klar, dass of­fen­sicht­lich das Auf­räu­men und Sor­tie­ren in al­ten Schrän­ken, Kel­lern und Bü­cher­re­ga­len in den letz­ten Mo­na­ten mei­ne Quad­deln aus­ge­löst hat­te. In Zu­kunft soll­te ich bei sol­chen Ak­tio­nen wohl bes­ser eine Mas­ke tra­gen und an mei­ne All­er­gie­ta­blet­ten den­ken. Nor­ma­ler­wei­se ver­schickt das Der­ma­to­lo­gi­kum die Test­ergeb­nis­se üb­ri­gens nicht vor dem Rück­mel­de­ge­spräch, aber in mei­nem Fall mach­ten sie eine Aus­nah­me, da mein Ter­min in der KMT-Am­bu­lanz vier Tage vor dem Ge­spräch mit dem All­er­go­lo­gen lag und ich mei­ner Ärz­tin ger­ne die Er­geb­nis­se mit­tei­len wollte.

KMT-Am­bu­lanz

Im Ge­spräch mit mei­ner Ärz­tin sag­te ich ihr, dass ich im­mer wie­der un­ter Schmer­zen in den Ge­len­ken, Mus­keln und im Rü­cken lei­de. Be­son­ders zu schaf­fen ma­che mir mei­ne lin­ke Schul­ter. Sie sag­te, dass auch mei­ne Le­ber­wer­te wei­ter­hin et­was er­höht sei­en und man dar­an sehe, dass ich eine leich­te Spen­der-ge­gen-Wirt-Re­ak­ti­on habe. Wahr­schein­lich sei­en auch die Mus­kel-/Ge­lenk­schmer­zen dar­auf zu­rück­zu­füh­ren. Ich müs­se aber wei­ter­hin kei­ne Me­di­ka­men­te da­ge­gen neh­men. Sie ver­schrieb mir statt­des­sen wei­ter­hin Kran­ken­gym­nas­tik, Mas­sa­gen und Wär­me. Wir spra­chen au­ßer­dem dar­über, dass ich ei­nen Ter­min mit der Psy­cho­on­ko­lo­gin ver­ein­bart hat­te, was sie sehr be­grüß­te. Be­züg­lich mei­ner Schild­drü­sen­wer­te konn­te sie mich be­ru­hi­gen. Sie sag­te, dass mei­ne Wer­te ty­pisch für Trans­plan­ta­ti­ons­pa­ti­en­ten sei­en. Trotz­dem sol­le ich den ver­ein­bar­ten Ter­min ru­hig wahr­neh­men. Nach­dem ich das UKE ver­las­sen hat­te, fuh­ren wir in die In­nen­stadt. Die Son­ne schien und wir gin­gen durch die Als­ter­ar­ka­den am Was­ser ent­lang. An­schlie­ßend aßen wir Bur­ger bei Jim Block. 

Amts­ärzt­li­che Untersuchung

Am 21.03. war Blut­spen­de in Dra­ge. Dank der kos­ten­lo­sen An­ti­kör­per­tes­tung war der An­drang ex­trem groß. Ich konn­te al­ler­dings nicht hel­fen, da ich zu mei­ner ver­scho­be­nen amts­ärzt­li­chen Un­ter­su­chung ins Kreis­haus muss­te. Am Tag zu­vor war ich im Fit­ness­stu­dio ge­we­sen, um end­lich wie­der ein biss­chen Kraft auf­zu­bau­en. Da­bei habe ich auch eine sehr ef­fek­ti­ve Übung für mei­ne Bei­ne aus­pro­biert, die zur Fol­ge hat­te, dass ich in den fol­gen­den Ta­gen vor Mus­kel­ka­ter kaum ge­hen konn­te und ziem­lich star­ke Schmer­zen beim Hin­set­zen und Auf­ste­hen hat­te. Dem­entspre­chend mit­lei­dig schau­te mich die Amts­ärz­tin an als sie mich auf­rief und ich mich in ihr Be­hand­lungs­zim­mer müh­te. Ich über­reich­te ihr die ak­tu­el­len Arzt­be­rich­te und führ­te an­schlie­ßend ein sehr net­tes und lan­ges Ge­spräch mit ihr. Au­ßer­dem un­ter­such­te sie mich. Am Ende sag­te sie, sie wer­de die Er­geb­nis­se an die Be­hör­de wei­ter­lei­ten, die dann über die wei­te­ren Schrit­te ent­schei­den wür­de. Ih­rer Ein­schät­zung nach wer­de es noch ein bis zwei Jah­re dau­ern, bis ich wie­der dienst­fä­hig bin. Dass mei­ne Be­las­tungs­gren­ze im Mo­ment ziem­lich nied­rig ist, mer­ke ich selbst dar­an, dass ich in stres­si­gen Si­tua­tio­nen schnell Tin­ni­tus be­kom­me, mir schwin­de­lig wird und ich auch all­ge­mein sehr schwach und nah am Was­ser ge­baut bin. Ei­gent­lich geht es mir manch­mal so wie vor der Trans­plan­ta­ti­on. Al­ler­dings weiß ich jetzt, dass mein Blut ge­sund ist und ich le­dig­lich NOCH NICHT wie­der fit bin. Mein Blick in die Zu­kunft ist da­her viel op­ti­mis­ti­scher als vor der Dia­gno­se MDS. Ich brau­che ein­fach noch ein biss­chen Zeit.

All­er­go­lo­gie

Am Tag drauf fuhr ich wie­der nach Ham­burg. Zu­erst ging es ins Der­ma­to­lo­gi­kum zum Rück­mel­de­ge­spräch, an­schlie­ßend ins UKE zur Psy­cho­on­ko­lo­gin. Der All­er­go­lo­ge gab mir ein Pa­ket mit In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al zu mei­ner Haus­staub­mil­ben­all­er­gie. Zu­dem be­kam ich ein Re­zept für All­er­gi­ker­bett­wä­sche aus­ge­hän­digt. Er sprach mit mir über die Er­geb­nis­se und sag­te, dass er aber den­noch von ei­ner Au­to­im­mun­erkran­kung wie dem Quin­ke-Ödem aus­ge­he, die für die Schwel­lun­gen ver­ant­wort­lich sei. Ich sol­le da­her wei­ter­hin jede Reaktion/Schwellung no­tie­ren. Even­tu­ell müs­se man dann noch eine wei­te­re Me­di­ka­ti­on ins Auge fas­sen. Ich ver­ließ die Pra­xis mit ei­ner neu­en Pa­ckung Ebas­tel und mach­te mich auf den Weg zum UKE. 

Psy­cho­on­ko­lo­gie

Im Foy­er traf ich mich mit der Psy­cho­on­ko­lo­gin, um an­schlie­ßend mit ihr in den Kel­ler zu ge­hen. Vor­bei an den Schließ­fä­chern der Mit­ar­bei­ter und dunk­len Ab­stell­kam­mern gin­gen wir in ihr „Büro“. Es äh­nel­te eher ei­nem Mu­sik­raum-Ne­ben­raum, in dem die In­stru­men­te für Grund­schü­ler auf­be­wahrt wer­den. „Ent­schul­di­gen Sie bit­te das Durch­ein­an­der. Ich tei­le mir das Büro mit den Mu­sik­the­ra­peu­ten.“ Mein Blick ging aus dem Fens­ter. In Bo­den­hö­he sah man auf eine Bau­stel­le. Die dort statt­fin­den­den Ar­bei­ten sorg­ten für eine un­an­ge­neh­me Lärm­ku­lis­se. Ich war zu­vor noch nie bei ei­nem Psych­ia­ter ge­we­sen, aber durch Fil­me und Se­ri­en hat­te sich in mei­nem Kopf ein Bild ei­ner ty­pi­schen psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Pra­xis ge­bil­det. Die­ser Kel­ler­raum stand in kras­sem Ge­gen­teil zu al­lem, was ich er­war­tet hat­te. Wenn ich hier ar­bei­ten müss­te, wür­de ich ver­mut­lich de­pres­siv wer­den. Die Psy­cho­on­ko­lo­gin war aber sehr nett und of­fen­sicht­lich selbst nicht glück­lich über die Raum­si­tua­ti­on. Wir spra­chen etwa eine Stun­de mit­ein­an­der. Zwi­schen­durch wur­den wir von ei­ner hart­nä­cki­gen Rei­ni­gungs­kraft un­ter­bro­chen, die ger­ne den Bo­den sau­gen woll­te. Da sie kein Deutsch sprach, war es et­was schwie­rig ihr zu ver­mit­teln, dass wir den Raum noch ei­ni­ge Zeit be­nö­ti­gen wür­den und sie doch bit­te in ei­ner Stun­de wie­der­kom­men möge. Naja, das Ge­spräch war nett (das mit der Psy­cho­on­ko­lo­gin, nicht das mit der Rei­ni­gungs­kraft) und ich habe sehr viel ge­re­det. Aber ir­gend­wie glau­be ich nicht, dass es mich wirk­lich wei­ter­ge­bracht hat. 

Ur­laubs­vor­be­rei­tun­gen und Instagram

Als ich wie­der in Win­sen war, be­such­te ich mei­ne Mut­ter, Alan und Mucki auf der Ter­ras­se. An­schlie­ßend fuhr ich nach Ade­ndorf zu mei­nen Bru­der und Mei­ke. Die fol­gen­den Tage ver­brach­te ich vor al­lem mit Ur­laubs­vor­be­rei­tun­gen. Jan schenk­te mir ei­nen Ku­schel­tier-Quok­ka (sein In­sta­gram-Feed ist voll von Quok­kas) und zeig­te mir, wie man aus ei­nem Hand­tuch ei­nen Ted­dy­bä­ren fal­tet. Ich bin mir ziem­lich si­cher, dass ihm das An­lei­tungs-Reel hier­zu auch von In­sta­gram vor­ge­schla­gen wur­de. Jans Al­go­rith­mus ist sehr sim­pel. Er guckt sich vor al­lem süße/witzige Tier­vi­de­os an. Ab und an schafft es auch ein Foot­ball- oder Fit­ness­bei­trag in sei­ne Vor­schlä­ge. Bei an­de­ren Ty­pen sind fast nur Tit­ten und nack­te Haut zu se­hen. Das kann na­tür­lich auch pas­sie­ren, wenn man sich vie­le Sport­vi­de­os an­guckt, in de­nen die Men­schen nack­te Ober­kör­per ha­ben (z.B. beim Bould­ern, Sur­fen oder Ska­ten). Der Al­go­rith­mus denkt sich dann: „Ah, nack­te Haut! Dann zeig ich dem jetzt zu­künf­tig nur noch leicht­be­klei­de­te Frau­en!“ (So hat uns das zu­min­dest Fa­bi­an er­klärt.) Wenn man dann auch noch auf die vor­ge­schla­ge­nen Bei­trä­ge klickt, fühlt sich der Al­go­rith­mus be­stä­tigt und zeigt noch mehr da­von. Ein Teu­fels­kreis! Mein In­sta­gram-Al­go­rith­mus ist kom­plett im Arsch. Nie im Le­ben hab ich mich für ir­gend­was in­ter­es­siert, was die an­ge­zeig­ten Vor­schlä­ge recht­fer­ti­gen wür­de! Bei­spiels­wei­se wird mir jetzt ge­ra­de un­ter „Ent­de­cken“ ein Foto von 11 Zun­gen (!) an­ge­zeigt. Dar­un­ter die Zun­ge ei­ner gro­ßen Kat­ze, ei­nes Fuch­ses und ei­nen Ka­nin­chens. Au­ßer­dem wird mir eine Ka­chel an­ge­zeigt auf der steht: „Dei­ne Wahr­heit zu spre­chen ist kein Be­trug an dei­ner Fa­mi­lie.“ Wel­che Wahr­heit? Wel­che Fa­mi­lie? Da­ne­ben wer­den mir seit ei­ni­ger Zeit Bil­der von Frau­en ver­schie­de­ner Grö­ße ge­zeigt, die ne­ben­ein­an­der ste­hen und die glei­chen Kla­mot­ten tra­gen?! Ich ver­steh es nicht. Wahr­schein­lich muss ich mich mal schlau ma­chen, wie man sei­nen Al­go­rith­mus zurücksetzt. 

F*** dich, Deut­sche Bahn

Am 26.03. brach­te Jan uns nach Lü­ne­burg zum Bahn­hof, wo ich mich für zehn Tage von ihm ver­ab­schie­de­te. So lan­ge wa­ren wir seit mei­nem Kran­ken­haus­auf­ent­halt nicht mehr von­ein­an­der ge­trennt ge­we­sen. Der Zug hat­te na­tür­lich Ver­spä­tung. Zu­nächst soll­ten es 5 Mi­nu­ten sein, dann 20. Er kam schließ­lich 15 Mi­nu­ten zu spät, was ich auch schwie­rig fin­de. Wenn man sich nun auf die 20 Mi­nu­ten Ver­spä­tung ver­las­sen hät­te und noch­mal schnell auf Klo ver­schwun­den wäre, hät­te man den Zug näm­lich ver­passt. Naja…Deutsche Bahn halt. In Han­no­ver muss­ten wir mit der S‑Bahn zum Ho­tel fah­ren. Wir hat­ten noch et­was War­te­zeit. Auf un­se­rem Gleis war es sehr voll, da dort vor­her noch ein an­de­rer Zug ab­fah­ren soll­te und vie­le Men­schen mit Fahr­rä­dern un­ter­wegs wa­ren. Kurz vor der er­war­te­ten Ab­fahrt kam eine Durch­sa­ge, die ver­kün­de­te, dass der Zug heu­te vom ge­gen­über­lie­gen­den Gleis ab­fährt. Die rie­si­ge Men­schen- und Fahr­rad­mas­se muss­te mög­lichst schnell über die we­ni­gen Trep­pen und Fahr­stüh­le auf die an­de­re Sei­te ge­lan­gen. Ein of­fen­bar sehr leid­ge­plag­ter Rei­sen­der hielt es nicht mehr aus. Er brüll­te über den gan­zen Bahn­steig: „ACH FICK DICH DOCH, DEUT­SCHE BAHN!!!!!“

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