Heute ist Freitag, der 16.7.2021. Meine Transplantation liegt 5 Monate und zwei Wochen zurück. Die erste Hürde (100 Tage) habe ich ja bereits im Mai überwunden. Trotzdem befinde ich mich immer noch in der kritischen Phase, da ich weiterhin Immunsuppressiva nehme. Nach einem halben Jahr wird man in der Regel davon befreit, allerdings waren beim letzten Kontrolltermin meine Leberwerte leicht erhöht und meine Nierenwerte am oberen Rand des Normbereichs. Beides könnte auf eine leichte Spender-gegen-Wirt-Reaktion hindeuten, genauso wie das Piksen auf meiner Haut. Um so eine Reaktion zu unterdrücken, werde ich wohl noch einen Monat länger die Immunsystem unterdrückenden Pillen schlucken. Ab und zu fühlt es sich an, als würden 1000 kleine Nadeln auf meine Arme und auf meine Kopfhaut stechen. Allerdings kann das auch eine Irritation der Nerven sein, die durch meine Medikamente hervorgerufen wird. Wenn dieses Piksen zuhause auftritt, gehe ich sofort duschen und creme mich danach dick ein. Ich bilde mir ein, dass das hilft.
Chimärismus
Meine Spenderzellen sind leider noch nicht bei 100% angekommen; Der Chimärismus liegt weiterhin bei 99,7%. Das ändert sich hoffentlich bald! Allerdings sind 100% Spenderzellen auch kein Garant dafür, dass die Krebszellen nicht zurückkommen können. In meiner MDS-Gruppe habe ich in letzter Zeit viele schlimme Nachrichten gelesen. Bei einem jungen Mann lief 1 1/2 Jahre alles wunderbar, dann bekam er plötzlich starke Schmerzen in den Beinen, im Bauch und im Rücken. Im Krankenhaus stellte man fest, dass der Chimärismus von 100% auf 74% gefallen war und sich die Blasten stark vermehrt hatten (auf über 21%). Das bedeutet, dass aus dem MDS eine AML (akute myeloische Leukämie) geworden war, die umgehend mit einer erneuten Chemotherapie und einer zweiten Stammzelltransplantation behandelt werden musste. Solche Nachrichten erschrecken mich immer wieder, denn sie zeigen, wie schnell sich alles ändern kann und wie wacklig unsere Gesundheit ist. Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, sage ich „gut“ und das stimmt ja auch. Klar, ich bin nicht wirklich fit und ich hab hier und da meine Wehwehchen, aber für die Krankheit und de Behandlung, die ich hinter mir habe, geht es mir hervorragend! Aber ich versuche dem Fragenden auch immer klarzumachen, dass ich nicht „übern Berg“ bin und sich alles jederzeit ändern kann. Wenn ich das sage, möchte ich nicht pessimistisch klingen, sondern realistisch darauf hinweisen, dass Krebs ein Arschloch ist, dem man nicht trauen kann. Trotzdem gelingt es mir, mein Leben gelassen zu leben und die schönen Tage (von denen es im Moment zum Glück sehr viele gibt) zu genießen.
Hormone
Ich fragte meine Ärztin auch, wie es denn um meinen Hormonhaushalt stehe und wie es mit der Kinderwunschbehandlung weitergehen würde. Seit der Chemotherapie befinde ich mich ja in den Wechseljahren, was mir vor allem durch die ständigen und äußerst lästigen (und intensiven!) Hitzewallungen deutlich vor Augen geführt wird. Sie sagte, dass normalerweise erst nach einem Jahr nach der SZT mit der Gabe von Hormonen begonnen würde. Da ich aber noch so jung sei und wir verhindern müssten, dass ich in die Menopause komme bzw. in der Menopause bleibe (vor allem wegen der nachlassenden Knochendichte), will sie mich schon im September zu dem Hormonarzt (den Fachbegriff konnte ich mir nicht merken) schicken, um zu kontrollieren, wie mein Hormonhaushalt aussieht. Eventuell muss ich dann eine Pille nehmen. (Hoffentlich nehme ich von der dann nicht extrem zu. Ich hab mir nämlich in letzter Zeit sehr viele schöne Klamotten gekauft, die perfekt passen.)
Kinderwunsch?
Bezüglich der Kinderwunschbehandlung sagte sie, dass ich mindestens 2–3 Jahre warten müsse, bis mein Körper in der Lage sei, eine Schwangerschaft durchzustehen. Zudem meinte sie: „Vielleicht warten Sie sogar besser fünf Jahre, denn man weiß ja auch nicht, ob die Krankheit nochmal wiederkommt.“ Hmmmm, in fünf Jahren bin ich 38. Klar, meine Eizellen liegen auf Eis, d.h. die bleiben so „jung und frisch“ wie sie eingefroren worden und ich muss mir daher keine Gedanken über diesbezügliche Folgen einer späten Schwangerschaft machen. Trotzdem kommen mir fünf Jahre ziemlich lang vor. Andererseits war vor fünf Jahren 2016 und das war ja „eben erst“. Außerdem haben Jan und ich dann noch ein paar Jahre vor uns, in denen wir all die schönen Dinge tun und Reisen unternehmen können, die unseren Freunden mit Kindern erstmal vorenthalten bleiben. Naja und außerdem gibt es ja auch noch die Option einer Adoption, sollte es mir körperlich nicht so gut gehen, dass ich mir eine Schwangerschaft vorstellen kann. Und wenn das alles nichts werden sollte und wir in fünf Jahren vielleicht gar keine Kinder haben möchten, wären wir auch „allein“ ein gutes Paar und müssten immerhin niemals an einem Elternabend teilnehmen, uns über Lehrer/innen aufregen und uns über Erziehungsmethoden streiten. Aaaaber, diese Entscheidung liegt noch in ferner Zukunft. Erstmal muss dafür gesorgt werden, dass ich wieder komplett gesund werde. Sonst ist eh alles hinfällig.
Stammzellspender
Am Ende habe ich übrigens noch nachgefragt, wie ich Kontakt zu meinem Spender aufnehmen kann. Meine Ärztin sagte, ich könne einen anonymisierten Brief schreiben, den ich bei ihr abgeben kann. Der wird dann von der Transplantationskoordinatorinnen kontrolliert und an die DKMS weitergeleitet. Von dort aus wird er dann dem Spender zugestellt. Ich weiß gar nicht, ob ich das hier schon erwähnt habe: Mein Spender ist männlich, kommt aus Deutschland und wurde 1990 geboren. Außerdem ist er mein größter Held, denn er hat mir einfach so einige seiner Stammzellen geschenkt und mir damit das Leben gerettet, obwohl er mich überhaupt nicht kennt, Schmerzen auf sich nehmen musste und nichts dafür bekommen hat. „Nichts dafür bekommen“ ist vielleicht die falsche Formulierung, denn es ist sicher auch ein sehr gutes Gefühl, zu wissen, dass man einem anderen Menschen das Leben retten konnte. Mein Bruder hat vor über 10 Jahren auch schonmal Stammzellen für jemanden in Amerika (USA oder Kanada?) gespendet. Für ihn bestand damals auch kein Zweifel daran, dass er spenden wird. Viele Menschen betrachten Stammzell- und auch Blutspenden heutzutage zum Glück als Ehrensache und Selbstverständlichkeit. Das lässt mich weiterhin an das Gute im Menschen glauben! Einfach mal etwas für andere tun, weil es das Richtige ist und nicht, weil man dafür bezahlt wird oder irgendeinen anderen persönlichen Vorteil daraus zieht. Einfach nur aus Menschlichkeit und Nächstenliebe (und dafür braucht man kein Christ sein!). Ich hoffe sehr, dass ich meinen Lebensretter in 1 1/2 Jahren persönlich treffen und ihm danken kann! Wenn zwei Jahre nach der Transplantation beide Seiten ihr Einverständnis geben, werden die Kontaktdaten ausgetauscht. Ich bin jetzt schon aufgeregt, wenn ich nur daran denke! Ich meine….wir sind ja quasi sowas wie „blutsverwandt“, oder? Wir haben verdammt nochmal die gleiche DNA in unserem Blut! Zu meinem Glück harmonieren unsere Zellen bisher so gut, dass ich keinerlei Abstoßungsreaktionen hatte. Hätte er sich nicht bei der DKMS registriert oder hätte er abgesagt oder einen Unfall gehabt, der eine Spende verhindert hätte, dann würde es mir jetzt nicht so gut gehen. Das ist doch irgendwie verrückt, oder? Ich meine, hätten seine Eltern vor über 30 Jahren beschlossen, keine Kinder zu bekommen, wäre ich dieses Jahr vielleicht gestorben. Ich mag solche Was-wäre-wenn-Ketten; Sie verdeutlichen mir immer wieder, wie viel in unserem Leben vom Zufall abhängt. Ein Freund von mir hat mal im Ungarnurlaub eine Frau kennengelernt, deretwegen er heute (ohne sie, aber mit der gemeinsamen Tochter) in Norwegen lebt. Wäre er an diesem einen Abend in einen anderen Club gegangen, wäre sein komplettes Leben ein völlig anderes! Noch ein Beispiel: Mein Opa sollte damals im Krieg eigentlich nach Russland geschickt werden. Er war sogar schon eingekleidet worden und wartete nur noch auf den Transport am nächsten Tag, als ein anderer junger Mann zu ihm kam und sagte: „Du Glücklicher, du darfst nach Russland!“ Da mein Opa die Kälte hasste und wärmere Gefilde vorzug, gingen die Beiden zu ihrem Befehlshaber und trugen ihr Anliegen vor. Der sagte nur: „Ankleiden! Auskleiden!“ und bewahrte meinen Großvater damit vor dem Kältetod in Russland. Drei Tage später wurde er (zu seiner großen Erleichterung) nach Afrika geschickt. Auch hier entging er dem Tod, da seine Kompanie immer entweder zu spät oder zu früh auftauchte, um kämpfen zu müssen. Als es dann doch mal zu einer Schlacht kam, wurde er recht stark verwundet und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Nur einen Tag später kam der Rest seiner Kameraden bei einem Angriff ums Leben. Wäre er also nicht verwundet gewesen, wäre ich heute nicht auf der Welt. Genauso wäre es wohl gelaufen, wenn die erste große Liebe meiner Oma nicht ums Leben gekommen wäre. Sie hätten wahrscheinlich geheiratet und ganz andere Kinder bekommen als meine Tanten und meine Mutter. Wenn man über diese ganzen Zufälle erstmal nachdenkt, ist es doch eigentlich echt erstaunlich, dass wir überhaupt existieren, oder?
Freizeit
Abgesehen von den ganzen Gedanken rund um meine Krankheit hatte ich seit dem letzten Beitrag eine wirklich schöne Zeit! Wir haben bei schönstem Sommerwetter die EM-Spiele geguckt, gegrillt, im Garten Karten gespielt und Eis gegessen, Freunde besucht, Pizza gegessen, waren im Outlet Neumünster shoppen, bekamen einen neuen Fernseher (der „alte“ war kaputt) und feierten Bärbels Geburtstag. Ich besuchte meine Patentante, malte mit meinem Kunstkurs, kaufte mir eine neue externe SSD-Festplatte, auf der ich ganz viele Fotos und Videos sicherte, schickte endlich den Antrag auf Schwerbehinderung ab und erstellte mit den JRK-Kindern eine Erste-Hilfe-Fotostory. Überdies waren wir bei der Winsener Blutspende, die wieder einmal unser JRK unter der Leitung meiner Mutter ausgerichtet hat. Während Jan spendete, half ich Merle an der Anmeldestation.
Happy Hippos im Sommer
Außerdem trafen wir uns mit den Happy Hippos bei Aileen und Christian in Langenhorn. Es war richtig heiß, sodass die Kinder im Planschbecken spielen konnten und wir alle den Schatten suchten. Wir haben gegrillt und uns endlich mal wieder in echt (also am selben Ort) unterhalten können. Eva war inzwischen hochschwanger, Aileen normal schwanger und Wiebke nicht mehr schwanger (Hannes ist ja bereits im Januar auf die Welt gekommen). Leider konnten Alexandra und ihr Töchter nicht dabei sein. Dass Irina und Michelle kommen würden, war aufgrund der Entfernung ja von Anfang an eher unwahrscheinlich. Michelle und ihre beiden Söhne kommen aber hoffentlich im August nach Deutschland. Es ist schon krass, wie unsere JRK-Gruppe innerhalb von vier Jahren plötzlich 10(!!!) neue Menschen hervorgebracht hat. Wir haben früher zwar immer gescherzt, dass wir irgendwann alle gleichzeitig Kinder kriegen und die dann eine neue Gruppe aufmachen können, aber wer hätte gedacht, dass die anderen den Plan so ernst nehmen und ihn tatsächlich in die Tat umsetzen? Am 13. Juli – und somit etwa zwei Wochen nach unserem Treffen – erblickte der kleine Ole Jonas das Licht der Welt und machte Marlen damit zu einer großen Schwester.
Schönes Wochenende
Ein weiterer Höhepunkt des letzten Monats war die Konfirmation meiner kleinen Nele, die sich in den letzten Jahren total verändert hat und jetzt gar nicht mehr wie das kleine süße Mädchen, sondern vielmehr wie eine elegante junge Frau aussieht. Ich kann inzwischen sehr gut die Leute verstehen, die einen früher immer mit den Worten:„Mein Gott, bist du groß geworden!“, begrüßt haben. Nach der schönen Gartenfeier fuhren Jan und ich direkt weiter nach Bad Iburg. Dort waren nämlich Matze und seine Tochter Leah (Mein Gott, ist die groß geworden!) aus Norwegen zu Besuch bei seinen Eltern. Durch Corona hatten sie sich seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Jan und ich hatten letztes Jahr auf unserer Fahrt durch Deutschland einen Zwischenstopp mit einem sehr schönen Frühstück auf der Terrasse bei Jochen und Sylvia eingelegt. Matze hatten wir ebenfalls seit unserer Hochzeit vor zwei Jahren nicht mehr gesehen. Als wir abends ankamen, waren auch sein Bruder Magnus sowie Helge und dessen Verlobte anwesend. Es war total schön, diese ganzen netten Menschen wiederzusehen. Am nächsten Tag machten wir einen Spaziergang durch die Stadt und erkundeten den Baumwipfelpfad Bad Iburg inklusive Wassertreten (Kneipen). Nachmittags traten wir die Heimfahrt an. Es war ein wirklich schönes Wochenende!
2. Corona-Impfung
Am nächsten Tag erhielt ich meine zweite Corona-Impfung und wieder war es mein Bruder, der mir in den Arm pikste. Bis auf die Armschmerzen litt ich auch dieses Mal unter keinen weiteren Nebenwirkungen.
Batiken
Heute haben Jan, Anna, Kimbo und ich gebatikt! Wir haben uns T‑Shirts, Strümpfe und ein Batik-Set gekauft. Trotz der anfänglichen Skepsis gegenüber der Batik-Technik seitens der Männer, hatten wir am Ende alle viel Spaß und wunderschöne Batikshirts. Übermorgen, wenn alles getrocknet ist, werden wir mit unseren neuen Outfits ein Video für die Hochzeit von Charlotte und Matthias aufnehmen. Vielleicht lade ich hier später noch ein paar Fotos von unseren hammermäßigen Outfits hoch.
Abschied nehmen
Morgen findet übrigens das Abschiedsfest meiner 4. Klasse statt. Es ist immer ein sehr seltsames Gefühl, Kinder auf die weiterführende Schule zu entlassen. Sie sind in den letzten Jahren alle so groß geworden!!! Da ja immer noch gewisse Coronaauflagen einzuhalten sind, wird die Feier ohne die Eltern stattfinden, was ich sehr schade finde. Auch werde ich die Kinder nicht umarmen dürfen, was mir sehr schwer fallen wird. Aber ich bin mir sicher, dass es trotzdem ein schöner Abschied werden wird, da sich die tollen Elternvertreterinnen viel Mühe mit der Vorbereitung gegeben haben. Wenn meine Kinder nicht mehr dort sind, ist es für mich auch einfacher, mit dem Thema Schule (vorläufig) abzuschließen.
Zwei Sachen noch
Jetzt hab ich auch schon wieder genug geschrieben. Zwei Sachen liegen mir aber noch am Herzen:
- Geht Blutspenden!
- Registriert euch bei der DMKS bzw. animiert eure Freunde und Verwandten dazu, sich registrieren zu lassen!