Azurblaues Wasser
Schuschuuuu der Eismann ruft in verschwörerischem Ton seltsame Dinge. Einer seiner Sätze hört sich an wie “Why so freeeesh?”
Die Wellen treffen mit leichtem Rauschen auf den Strand. Das Wasser ist glasklar und schimmert türkis-blau. Fünf Männer stehen in Badehose im Wasser und lassen ein Gruppenfoto von sich schießen. In der Ferne paddeln zwei Stand-Up-Paddler durch das ruhige Wasser. Auf unserer Decke hat sich mittlerweile eine ganze Menge Sand angesammelt. Die Handtücher sind noch nass. Die Rommé-Karten sind inzwischen etwas backsig, vom Salzwasser, von der Sonnencreme und vom Sand.
Die Sonne scheint seit Tagen herrlich auf den weichen Strand. Keine einzige Wolke ist am blauen Himmel zu sehen. Rechts endet die Bucht in einer felsigen Landzunge auf der mediterrane Bäume wachsen und einige Feriendomizile angesiedelt sind. Um diese Jahreszeit sind allerdings alle Rollläden herunter gelassen. Keiner der Besitzer genießt in diesen Tagen den wunderbaren Spätsommer hier im Süden Frankreichs.
Links von uns hat sich eine ultra-deutsche Familie ein Lager bzw. eine Festung errichtet. Die Eltern mit ihren vier Kindern nehmen bestimmt 15 Quadratmeter für sich ein. Eine blaue Strandmuschel bildet das Zentrum des Forts, abgesteckt mit Heringen und Schnüren. Alle Kinder tragen Neoprenanzüge auf ihrer leuchtend weißen Haut, Mützen mit Schirm und Nackenschutz, Schwimmwesten und eine dicke Schicht Sonnencreme auf den Händen, Füßen und im Gesicht. Lediglich das kleinste Kind (noch ein Baby) wird durchgehend von der Mutter auf dem Rücken getragen. Zu sehen sind von ihm nur die heraushängenden Füße. Ausgestattet mit zwei Schwimmnudeln und drei großen, prallgefüllten IKEA-Taschen kann der Strandtag beginnen. Allerdings scheinen weder die Kinder noch die Eltern das schöne Wetter und das herrliche Ambiente genießen zu können. Ständig quengelt jemand rum, immer ist irgendwer unfair oder traut sich irgendwas nicht. Die Eltern setzen sich kein einziges Mal hin, um den Blick über die Bucht zu genießen. Es klingt fies, aber so wie die Kinder jetzt schon drauf sind, so wie sie aussehen und die Eltern mit ihnen umgehen, werden das mal richtig ängstliche Opfer ohne Selbstvertrauen, die von ihren Mitschülern gehänselt werden. Wenigstens werden sie bestimmt niemals Hautkrebs von zu viel UV-Strahlung bekommen.
Rechts von uns sitzt genau wie gestern eine andere deutsche Familie mit drei sommerblonden, leicht gebräunten Söhnen. Linus geht bestimmt schon in die dritte Kasse, Anton vermutlich in die erste, Justus ist der Jüngste und wickelt mit seiner süßen Art bestimmt alle Kindergärtnerinnen um den Finger. Wassereislutschend liegen sie neben ihrer schlanken Mutter und dem Familienhund im Sand, während der Papa eine Sandburg baut. Die wissen, wie Urlaub geht.
Ich glaube, ich habe mich noch in keinem Urlaub so oft und so gründlich mit Sonnencreme eingeschmiert. Trotz hohen Lichtschutzfaktors hat mein Körper rasend schnell eine schöne Bräune angenommen. Nun sehe ich fast wieder so aus wie nach dem Chemo—Medikament Thiotepa, allerdings ist die Bräune diesmal durch meinen Bikiniabdruck unterbrochen. Im Gesicht habe ich neuerdings zwei weiße Flecken, an denen die Haut kaum Bräune annimmt. Zuhause bringt mir meine Sommerhaut aber eh nichts, da ich bei Nieselregen und Kälte kaum freizügig herumlaufen werde. Sauna- und Schwimmbadbesuche sind für mich weiterhin tabu, daher genieße ich es besonders, hier im Mittelmeer zu schwimmen (fließende Gewässer sind von meiner Ärztin genehmigt).
Maskenvorteil
Etwa zehn Meter westlich unserer Decke hat sich ein Grüppchen Jugendlicher angesammelt. Die Mädels versuchen die Aufmerksamkeit der Jungs zu sichern, indem sie ihre Bikinihöschen so weit es geht nach oben ziehen, sodass sie am Arsch fast wie ein Tanga sitzen. Die Hübscheste lässt sich jetzt von einem stupsnasigen Boy auf einem SUP übers Wasser chauffieren. Er hat eine recht gute Figur und eine blonde Surferfrisur…aber die Nase versaut (<— passend, weil er wirklich eine Schweinenase hat) es total. Das ist doch echt gemein! Eine seltsame Nase dominiert das ganze Gesicht und entscheidet extrem über die Attraktivität eines Menschen. Ich verstehe jede Person, die sich ihre „missglückte“ Nase korrigieren lässt. Wahrscheinlich hab ich das schon mal geschrieben, aber in den letzten 1 1/2 Jahren muss es bei vielen Leuten, die sich neu und mit Maske kennengelernt haben, ein interessantes Erwachen gegeben haben, als sie ihr Gegenüber irgendwann das erste Mal ohne Maske gesehen haben. Meiner Erfahrung nach sehen die meisten Menschen mit Maske tatsächlich besser aus als ohne. Schiefe Zähne, Schweinenasen, Zahnspangen, Herpesbläschen, unproportionale Lippen, Pickel und Hakennasen verschwinden aus dem Sichtfeld. Kleine Makel, die normalerweise beim ersten Kennenlernen ganz natürlich hingenommen und als zur Person zugehörig empfunden werden, wirken anders, wenn man sie erst später, nachdem man jemanden bereits persönlich kennengelernt hat, zu Gesicht bekommt. Unser Gehirn baut sich sein eigenes Bild und ergänzt den Teil unter der Maske einfach intuitiv durch einen passenden Mund und eine „normale“ Nase. Stimmt das „angenommene“ Bild dann nicht mit dem tatsächlichen überein, ist man erstmal total verwirrt. Besonders aufgefallen ist mir das bei den letzten Komparsenjobs. Alle Schauspieler und Komparsen trugen durchgehend einen Mund- und Nasenschutz. Erst in dem „Wir drehen!“-Moment nahmen alle gleichzeitig ihre Maske ab. Dabei kam es nur selten vor, dass ich dachte „Mensch, die/der sieht ja viel besser aus als ich dachte.“ Meist war das Gegenteil der Fall. Ich kann mir vorstellen, dass es anderen Leuten bei mir auch so geht. Zwar bin ich mit meinem Gesicht zufrieden, aber ich mag meine Augenpartie lieber als den Bereich unter der Maske.
Wo sind wir eigentlich?
Jan und ich haben gerade unsere Decke einige Meter über den Sand gezogen, um dem aufkommenden Schatten zu entfliehen. Heute ist unser letzter Tag am Strand hier in…ähmmm…wir sind seit einer Woche hier und mir fällt jetzt erst auf, dass ich nicht einmal weiß, wie dieser Ort eigentlich heißt. Auf jeden Fall befinden wir uns irgendwo zwischen Marseille und Saint Tropez. Bevor wir hier waren, haben wir Pommes und belgische Waffeln in Lüttich gegessen, sind mit den Fahrrädern durch Paris gefahren, haben zwei Tage im Disneyland verbracht, sind noch einen Tag durch die Pariser Museen gestreift und haben diverse Crêpes gegessen. Wir haben Zeit mit Irina und Alessio verbracht (leider viel zu wenig) und die Strecke von Paris bis Nîmes in einem Tag zurückgelegt. Bei schönstem Sommerwetter sind wir mit den Rädern durch die Studentenstadt Montpellier gefahren und haben den Nachmittag bei 24°C am Strand verbracht, wo wir Karten spielten und Flamingos beobachten konnten. Da die meisten Campingplätze in dieser Region am 1. Oktober schließen, fuhren wir als es dunkel wurde noch einige Stunden Richtung Osten an der Küste entlang und landeten schließlich hier. Morgen geht es weiter über Saint Tropez, Cannes und Nizza Richtung Italien. Da wir im letzten Jahr einfach daran vorbeigefahren sind, möchte ich dieses Mal am Comer See halten. Como soll sehr schön sein. Nicht umsonst wurde der See damals als Star Wars-Kulisse ausgewählt. Wir wollen uns aber nicht lange an einem Ort aufhalten, da wir spätestens am Samstag zurück sein müssen. Geplant ist ein Halt in Lörrach, vielleicht fahren wir auch noch einmal kurz nach Basel (ich mag die Stadt sehr gerne). Danach geht es straight Richtung Norden, wobei wir durch Freiburg, Heidelberg und Mannheim fahren, wo wir Fabian und Laura zum Essen treffen.
Meine Familie hat mir vorhin mitgeteilt, dass es zuhause arschkalt ist und es den ganzen Tag nieselt. Das kann ich mir momentan (mit den Füßen im Sand und der Sonne auf der Haut) kaum vorstellen. Ich bin einfach sehr froh darüber, gerade am richtigen Ort zu sein. Trotzdem freue ich mich auch schon auf die Zeit zu Hause. Wenn es draußen wieder kälter wird und es länger dunkel als hell ist, kann man es sich in der Wohnung richtig schön gemütlich machen.
September 2021
Eigentlich ist es seltsam, dass ich in meinem Tagebuch bisher noch gar nichts über den vergangenen Monat geschrieben habe. Das liegt weniger daran, dass nichts los war als daran, dass so unglaublich viel passiert ist. Ich war auf einer Taufe, einem Geburtstag, einem Junggesellinnenabschied, einer Hochzeit, einem Richtfest und einer Babyparty. Außerdem habe ich viel Zeit mit Freunden verbracht, war mit meiner Mutter in der Lüneburger Heide, habe mir im Fitnessstudio einen geeigneten Trainingsplan erstellen lassen und habe einen neuen Raum für mein Kunstprojekt angemietet. Als Komparsin hatte ich ein furchtbares „Date“ als Bargast, war Krankenschwester im Elbkrankenhaus, Stewardess am Hamburger Flughafen, stand nachts auf den Landungsbrücken und war am Ende nochmal Krankenschwester bei Abenteuer Diagnose. Jetzt reicht mir das mit den Komparsenjobs aber auch erstmal. Man lernt zwar (fast) immer nette Leute kennen und führt teils sehr interessante Gespräche mit Menschen, zu denen man sonst vermutlich niemals Kontakt gehabt hätte, aber es ist manchmal auch ziemlich anstrengend und immer sehr spontan und man weiß nie, wie lange ein Dreh dauern wird. In nächster Zeit möchte ich ein bisschen mehr Routine und einen geordneteren Ablauf in meinen Tag bringen. Außerdem muss ich aufpassen, mich nicht zu übernehmen. Da ich ziemlich schlecht im Punkt Selbstkontrolle bin, hoffe ich, dass mir das gelingt.
Keine Immunsuppressiva mehr!
Am 6.9. durfte ich endlich meine Immunsuppressiva vollständig absetzen, was mir SO viel mehr Freiheiten ermöglicht hat! Seitdem habe ich tonnenweise Salat gegessen und literweise Leitungswasser getrunken. Ich snacke jetzt wieder Babytomaten, Weintrauben, Nektarinen, Pflaumen, Himbeeren, ungeschälte Äpfel und Gurken. Außerdem kann ich jetzt auch endlich den Spaghettieisbecher mit Erdbeeren bestellen, den Jan immer nimmt. Frische Erdbeeren sind der Hammer! Ich habe jetzt mehrere Jahre auf sie verzichten müssen und bin einfach überglücklich, dass ich sie wieder essen kann und darf. An Medikamenten muss ich jetzt nur noch Aciclovir und Cotrim Forte nehmen. Hoffentlich bleibt das so.
KMT-Ambulanz
Am 17.9. war ich zuletzt in der KMT-Ambulanz. Es war wieder ziemlich voll, aber da ich meiner Ärztin bereits bei der Terminvergabe gesagt hatte, dass ich noch einen wichtigen Anschlusstermin habe, hat sie mich dazwischengeschoben, sodass ich nur eine knappe Stunde warten musste. Natürlich sprachen wir darüber, wie es mir nach dem Absetzen der Immunsuppressiva gegangen war. In den ersten Tagen war ich ein wenig angeschlagen, müde und körperlich ziemlich kaputt. Meine Gelenke und Muskeln taten etwas mehr weh als vorher, aber das gab sich nach ein paar Tagen zum Glück. Ansonsten zeigte mein Körper keine Reaktion auf die Umstellung. Als mir die Ärztin mein Blutbild präsentierte, hatte sie auch nur Positives zu berichten. Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass mein Anteil an Spenderzellen nun endlich bei >99,9% angekommen ist! Das ist die höchstmögliche Prozentzahl, 100% geht wohl nicht. Bislang lag mein Wert bei 99,7%, was zwar nur geringfügig weniger ist, aber anscheinend trotzdem viel ausmacht.
Impfstatus
Darüber hinaus lagen nun endlich die Ergebnisse meines Impfstatus vor! Ich habe anscheinend Poliovirus‑, Hib- sowie Pneumokokken-IgG-Antikörper von meinem Spender übernommen und habe auch eine geringe Immunität gegen Tetanus, wobei eine Auffrischimpfung empfohlen wird. Allerdings habe ich keinen Immunschutz gegen Masern, Mumps oder Diphtherie. Die Rötelnvirus-Antikörper konnten nur grenzwertig nachgewiesen werden, sodass auch hier ein Immunschutz fraglich ist. Solange ich keine Immunität gegen diese Kinderkrankheiten habe, muss ich im Umgang mit Kindern vorsichtig sein, vor allem, wenn sie krank sind. Bei meinem nächsten KMT-Termin erhalte ich eine 5‑fach-Impfung mit Totimpfstoffen (u.a. gegen Tetanus und Diphtherie). Leider darf erst frühestens zwei Jahren nach der Stammzelltransplantation mit dem Impfen von Lebendimpfstoffen begonnen werden. Solange bin ich Masern, Mumps und Röteln schutzlos ausgeliefert. Daher darf ich bis zu meiner Immunisierung nicht in einer Grundschule arbeiten.
Immunsystem
Momentan arbeitet mein Immunsystem ja eh noch nicht wieder zuverlässig. Im Schnitt benötigt der Körper ein Jahr bis er Krankheitserreger wieder richtig abwehren kann. Das konnte ich auch im Urlaub feststellen. Anscheinend habe ich mir bei meiner Pediküre eine kleine Verletzung am Zehnagel zugefügt, durch die Keime eindringen konnten, die direkt zu Beginn der Reise eine Entzündung verursacht haben. Mein Mittelzeh war übelst schmerzempfindlich und tat beim Gehen weh. Zum Glück hatte ich beim Fahrradfahren hingegen kaum Schmerzen. Dank einer Creme, die mir Irina gegeben hat, war die Entzündung nach drei Tagen wieder weg. Eine Woche später hatte ich einen ähnlichen Fall am anderen Fuß. Ich hatte auch eine kurze Erkältung, weil jemand in meiner Nähe gehustet hat. Vielleicht habe ich mich aber auch verkühlt, als ich im T‑Shirt durch Paris gefahren bin, weil ich mal wieder von einer heftigen Hitzewallung heimgesucht wurde.
Behindert in Paris
Apropos Paris: Es ist unglaublich, wie behindertenfreundlich diese Stadt ist (natürlich mal abgesehen von der beschissenen, nach Pisse stinkenden und aus Treppen bestehenden Metro)! Mit einem Behindertenausweis erhält man in allen Museen freien Eintritt und auch die Begleitperson muss nichts bezahlen. Außerdem muss man sich nicht in den langen Schlangen anstellen, sondern darf direkt reingehen. So kam es also, dass auch Jan endlich mal das Innere der Pariser Museen zu Gesicht bekam. Wir waren im Musée d’Orsay, im Musée de l‘Orangerie, im Louvre und im Centre Georges Pompidou. Eigentlich wollten wir auch noch in die Katakomben, aber dafür war das Wetter einfach zu schön und die Anzahl der Stufen zu hoch. Das machen wir dann beim nächsten Mal, inklusive einer Bootsfahrt und in Begleitung von Irina und Alessio.
Behindert im Disneyland
Übrigens ist auch das Disneyland Paris echt behindertenfreundlich. Während ich im Heidepark Soltau kaum irgendeinen Vorteil habe, bekomme ich in Paris mit meinem Ausweis eine grüne Karte, auf der vermerkt ist, dass ich behindert bin und was mein Problem ist. Natürlich kann man nicht mit jeder Behinderung jedes Fahrgeschäft nutzen. Wenn man keine Arme und/oder keine Hände hat, wird es schwierig, sich festzuhalten. Wenn man nicht selbstständig gehen kann, wäre es im Ernstfall schwierig, über eine Leiter evakuiert zu werden. In meinem Fall wurde allerdings nur angekreuzt, dass ich nicht lange stehen kann, was auch der Wahrheit entspricht. Ich bekomme recht schnell Schmerzen in den Beinen und muss mich immer wieder ausruhen und hinsetzen. Mit meiner Karte durfte ich dann (inklusive meiner Begleitpersonen) zum Ausgang der Fahrgeschäfte gehen, wo es eine Extraschlange für Behinderte inklusive Sitzmöglichkeiten gab. Auf diese Weise mussten wir nur einen Bruchteil der normalen Wartezeit in den Schlangen vor den Fahrgeschäften verbringen.
Disneyland
Ich mag das Disneyland Paris echt gerne, wobei mir die Attraktionen nicht so wichtig sind wie das Ambiente. Es wird peinlich genau darauf geachtet, dass überall im Park die Disney-Stimmung aufrechterhalten wird. Selbst die Geschäfte, in denen man sich an Merchandise-Artikeln totkaufen kann, sind mit wunderschönen Glaskuppeln und feinen architektonischen Besonderheiten ausgestattet. In den großen Gängen und Räumen befinden sich versteckt immer wieder kleinere Attraktionen, die dem Großteil der Besucher entgehen. Besonders cool finde ich das Zeotrope mit Toy Story Figuren, das sich in den Disney Studios befindet. Es besteht aus einer großen Drehscheibe, auf der sich in regelmäßigen Abständen die gleichen Figuren in unterschiedlichen Positionen befinden. Durch eine bestimmte Geschwindigkeit und den Einsatz von Licht nimmt das Auge die einzelnen Bilder nicht mehr wahr und die Figuren bewegen sich wie in einem Trickfilm. Allerdings ist es momentan etwas schwierig, das Zeotrope zu finden. Man muss dafür nämlich an der langen Schlange von Frozen-Fans vorbeigehen, die dort für ein Foto mit Anna/Elsa/Olaf anstehen. Im Gebäude befindet sich dann direkt neben dem Selfie-Spot der Eingang zu dem unscheinbaren Raum. Da Irina und Alessio auch VIP-Touren durchführen und dafür entsprechend ausgebildet wurden, haben sie sehr viel Hintergrundwissen zu den verschiedenen Bereichen, an dem sie uns immer wieder teilhaben lassen. Ich war jetzt bereits zum sechsten Mal im Disneyland, lerne aber immer wieder etwas Neues kennen. Übrigens empfehle ich allen Eltern, ihre Kinder zuhause zu lassen, dann macht es viel mehr Spaß, weil man viel weniger Kram mit sich rumschleppen muss, nach Lust und Laune alle Attraktionen besuchen kann und in den Stores keine nervigen „Darum kaufen wir das jetzt nicht“-Gespräche führen muss. Das war natürlich ein Witz. Bestimmt ist es mit Kindern ganz toll. Allerdings empfehle ich wirklich allen Eltern, nicht zu früh mit ihren Kindern zu Pinocchio oder Schneewittchen zu gehen, wenn sie ihre Kinder nicht nachhaltig traumatisieren wollen. Die Bäume im Schneewittchen-Wald?! Alter! Die fand selbst ich gruselig. Aber ich hab‘s eh nicht so mit animierten Bäumen. Als ich drei war haben mich die freundlichen, sprechenden Bäume im elektronischen Vogeltheater des Heideparks schon völlig fertig gemacht.
Urlaubsgefühle
Jedenfalls waren die Tage in Paris ein sehr schöner Start in unseren Urlaub. Es war einfach herrlich, bei strahlendem Sonnenschein mit dem Rad an der Seine entlangzufahren. Auch, wenn ich noch nicht so viel Kondition habe und immer wieder Pausen einlegen musste, tat es richtig gut, sich körperlich an der frischen Luft zu betätigen. Die anschließende Zeit im Süden Frankreichs hat mit Sicherheit dafür gesorgt, dass unser Vitamin-D-Haushalt etwas aufgefüllt wurde. Von morgens bis abends schien die Sonne vom Himmel herab, wodurch das Meer in einem wunderschönen Blau erstrahlte. Da fragt man sich nicht mehr, warum die Küste Côte d’Azur genannt wird. Die Städte versprühten allesamt Mittelmeercharme und es war oft nicht klar auszumachen, ob wir uns gerade in Italien, auf Mallorca oder in Südfrankreich befanden.
Diddle-Rommé
Mein Datenvolumen war bereits in Paris aufgebraucht und da ich eh nicht vorhatte, viel Zeit am Handy zu verbringen, entschied ich mich gegen eine Aufladung. Jan und ich verbrachten stattdessen unsere Zeit mit Rommé, genauer gesagt Diddle-Rommé. Seit meiner Kindheit besitze ich ein Diddle-Kartenspiel, mit dem bei mir zu Hause Rommé gespielt wurde. Mit zunehmender Abnutzung wurde irgendwann ein neues Exemplar angeschafft, Jahre später (2009 am Münchener Hauptbahnhof) kauften Jan und ich die dritte Version. Mir gefallen die Zahlen und vor allem die Bilder viel besser als bei herkömmlichen Kartensätzen. Jeden Tag spielten wir einige Stunden, wobei das Gewinner-Verlierer-Verhältnis recht ausgeglichen war.
Das Leben ist kein Nullsummenspiel
Wenn wir gerade mal nicht spielten, plantschten wir im Meer, lagen in der Sonne oder lasen. Meine Tante hatte mir ein Buch mitgegeben, in dem ich viele Parallelen zu meinem eigenen Leben ziehen konnte. Der Protagonist schreibt und fotografiert gerne, seine Schwester malt und zeichnet ständig, studiert Lehramt (Kunst und Deutsch), gibt aber später den Lehrerberuf zugunsten ihrer Leidenschaft auf und schreibt und illustriert schließlich Kinderbücher. Die Frau des Protagonisten erkrankt an Leukämie und muss anstrengende Chemotherapien über sich ergehen lassen, bis schließlich alles nach einem Happy End aussieht. „Der behandelnde Arzt hatte ihr mitgeteilt, dass der Krebs vollständig verschwunden war. Er riet, auf die Anstrengungen und Risiken einer Knochenmarktransplantation zu verzichten und stattdessen gleich mit der Erhaltungstherapie zu beginnen.“ Hmmm…vielleicht wäre es besser gewesen, ihr neue Stammzellen zu transplantieren, denn nach etwa einem Jahr kommt der Krebs zurück und sie hat ihm nichts mehr entgegenzusetzen. Sie stirbt. „Das Leben ist kein Nullsummenspiel. Es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren. Manchmal gerecht, sodass alles einen Sinn ergibt, manchmal so ungerecht, dass man an allem verzweifelt.“ Ich glaube natürlich daran, dass meine Geschichte anders ausgehen wird als bei der Romanfigur. Mit Sicherheit sagen kann man das zwar nicht und es wird noch einige Jahre dauern, bis ich als geheilt gelte, aber anstatt an meinen Rückfallrisikogedanken zu verzweifeln versuche ich (im positivsten Sinne) jeden Tag so zu leben, als würde der Krebs morgen wiederkommen.
🥰❤️
Sehr schöne Eindrücke, danke fürs Teilen!
Liebe Nele, dass ist genau die richtige Lebenseinstellung. Als malende Kinderbuchautorin könnte ich mir Dich übrigens auch sehr gut vorstellen. Wer weiß, auf was für Ideen Du noch so kommst. Der „wichtige Anschlusstermin” hat mir übrigens sehr gefallen. 😘