Som­mer­ur­laub im Oktober

Som­mer­ur­laub im Oktober

Azur­blau­es Wasser

Schu­schuuuu der Eis­mann ruft in ver­schwö­re­ri­schem Ton selt­sa­me Din­ge. Ei­ner sei­ner Sät­ze hört sich an wie “Why so freeee­sh?” 

Die Wel­len tref­fen mit leich­tem Rau­schen auf den Strand. Das Was­ser ist glas­klar und schim­mert tür­kis-blau. Fünf Män­ner ste­hen in Ba­de­ho­se im Was­ser und las­sen ein Grup­pen­fo­to von sich schie­ßen. In der Fer­ne pad­deln zwei Stand-Up-Padd­ler durch das ru­hi­ge Was­ser. Auf un­se­rer De­cke hat sich mitt­ler­wei­le eine gan­ze Men­ge Sand an­ge­sam­melt. Die Hand­tü­cher sind noch nass. Die Rom­mé-Kar­ten sind in­zwi­schen et­was back­sig, vom Salz­was­ser, von der Son­nen­creme und vom Sand. 

Die Son­ne scheint seit Ta­gen herr­lich auf den wei­chen Strand. Kei­ne ein­zi­ge Wol­ke ist am blau­en Him­mel zu se­hen. Rechts en­det die Bucht in ei­ner fel­si­gen Land­zun­ge auf der me­di­ter­ra­ne Bäu­me wach­sen und ei­ni­ge Fe­ri­en­do­mi­zi­le an­ge­sie­delt sind. Um die­se Jah­res­zeit sind al­ler­dings alle Roll­lä­den her­un­ter ge­las­sen. Kei­ner der Be­sit­zer ge­nießt in die­sen Ta­gen den wun­der­ba­ren Spät­som­mer hier im Sü­den Frankreichs.

Links von uns hat sich eine ul­tra-deut­sche Fa­mi­lie ein La­ger bzw. eine Fes­tung er­rich­tet. Die El­tern mit ih­ren vier Kin­dern neh­men be­stimmt 15 Qua­drat­me­ter für sich ein. Eine blaue Strand­mu­schel bil­det das Zen­trum des Forts, ab­ge­steckt mit He­rin­gen und Schnü­ren. Alle Kin­der tra­gen Neo­pren­an­zü­ge auf ih­rer leuch­tend wei­ßen Haut, Müt­zen mit Schirm und Na­cken­schutz, Schwimm­wes­ten und eine di­cke Schicht Son­nen­creme auf den Hän­den, Fü­ßen und im Ge­sicht. Le­dig­lich das kleins­te Kind (noch ein Baby) wird durch­ge­hend von der Mut­ter auf dem Rü­cken ge­tra­gen. Zu se­hen sind von ihm nur die her­aus­hän­gen­den Füße. Aus­ge­stat­tet mit zwei Schwimm­nu­deln und drei gro­ßen, prall­ge­füll­ten IKEA-Ta­schen kann der Strand­tag be­gin­nen. Al­ler­dings schei­nen we­der die Kin­der noch die El­tern das schö­ne Wet­ter und das herr­li­che Am­bi­en­te ge­nie­ßen zu kön­nen. Stän­dig quen­gelt je­mand rum, im­mer ist ir­gend­wer un­fair oder traut sich ir­gend­was nicht. Die El­tern set­zen sich kein ein­zi­ges Mal hin, um den Blick über die Bucht zu ge­nie­ßen. Es klingt fies, aber so wie die Kin­der jetzt schon drauf sind, so wie sie aus­se­hen und die El­tern mit ih­nen um­ge­hen, wer­den das mal rich­tig ängst­li­che Op­fer ohne Selbst­ver­trau­en, die von ih­ren Mit­schü­lern ge­hän­selt wer­den. We­nigs­tens wer­den sie be­stimmt nie­mals Haut­krebs von zu viel UV-Strah­lung bekommen.

Rechts von uns sitzt ge­nau wie ges­tern eine an­de­re deut­sche Fa­mi­lie mit drei som­mer­blon­den, leicht ge­bräun­ten Söh­nen. Li­nus geht be­stimmt schon in die drit­te Kas­se, An­ton ver­mut­lich in die ers­te, Jus­tus ist der Jüngs­te und wi­ckelt mit sei­ner sü­ßen Art be­stimmt alle Kin­der­gärt­ne­rin­nen um den Fin­ger. Was­ser­eis­lut­schend lie­gen sie ne­ben ih­rer schlan­ken Mut­ter und dem Fa­mi­li­en­hund im Sand, wäh­rend der Papa eine Sand­burg baut. Die wis­sen, wie Ur­laub geht. 

Ich glau­be, ich habe mich noch in kei­nem Ur­laub so oft und so gründ­lich mit Son­nen­creme ein­ge­schmiert. Trotz ho­hen Licht­schutz­fak­tors hat mein Kör­per ra­send schnell eine schö­ne Bräu­ne an­ge­nom­men. Nun sehe ich fast wie­der so aus wie nach dem Chemo—Medikament Thio­te­pa, al­ler­dings ist die Bräu­ne dies­mal durch mei­nen Bi­ki­ni­ab­druck un­ter­bro­chen. Im Ge­sicht habe ich neu­er­dings zwei wei­ße Fle­cken, an de­nen die Haut kaum Bräu­ne an­nimmt. Zu­hau­se bringt mir mei­ne Som­mer­haut aber eh nichts, da ich bei Nie­sel­re­gen und Käl­te kaum frei­zü­gig her­um­lau­fen wer­de. Sau­na- und Schwimm­bad­be­su­che sind für mich wei­ter­hin tabu, da­her ge­nie­ße ich es be­son­ders, hier im Mit­tel­meer zu schwim­men (flie­ßen­de Ge­wäs­ser sind von mei­ner Ärz­tin ge­neh­migt). 

Mas­ken­vor­teil 

Etwa zehn Me­ter west­lich un­se­rer De­cke hat sich ein Grüpp­chen Ju­gend­li­cher an­ge­sam­melt. Die Mä­dels ver­su­chen die Auf­merk­sam­keit der Jungs zu si­chern, in­dem sie ihre Bi­ki­ni­hös­chen so weit es geht nach oben zie­hen, so­dass sie am Arsch fast wie ein Tan­ga sit­zen. Die Hüb­sches­te lässt sich jetzt von ei­nem stups­na­si­gen Boy auf ei­nem SUP übers Was­ser chauf­fie­ren. Er hat eine recht gute Fi­gur und eine blon­de Surferfrisur…aber die Nase ver­saut (<— pas­send, weil er wirk­lich eine Schwei­ne­na­se hat) es to­tal. Das ist doch echt ge­mein! Eine selt­sa­me Nase do­mi­niert das gan­ze Ge­sicht und ent­schei­det ex­trem über die At­trak­ti­vi­tät ei­nes Men­schen. Ich ver­ste­he jede Per­son, die sich ihre „miss­glück­te“ Nase kor­ri­gie­ren lässt. Wahr­schein­lich hab ich das schon mal ge­schrie­ben, aber in den letz­ten 1 1/2 Jah­ren muss es bei vie­len Leu­ten, die sich neu und mit Mas­ke ken­nen­ge­lernt ha­ben, ein in­ter­es­san­tes Er­wa­chen ge­ge­ben ha­ben, als sie ihr Ge­gen­über ir­gend­wann das ers­te Mal ohne Mas­ke ge­se­hen ha­ben. Mei­ner Er­fah­rung nach se­hen die meis­ten Men­schen mit Mas­ke tat­säch­lich bes­ser aus als ohne. Schie­fe Zäh­ne, Schwei­ne­na­sen, Zahn­span­gen, Her­pes­bläs­chen, un­pro­por­tio­na­le Lip­pen, Pi­ckel und Ha­ken­na­sen ver­schwin­den aus dem Sicht­feld. Klei­ne Ma­kel, die nor­ma­ler­wei­se beim ers­ten Ken­nen­ler­nen ganz na­tür­lich hin­ge­nom­men und als zur Per­son zu­ge­hö­rig emp­fun­den wer­den, wir­ken an­ders, wenn man sie erst spä­ter, nach­dem man je­man­den be­reits per­sön­lich ken­nen­ge­lernt hat, zu Ge­sicht be­kommt. Un­ser Ge­hirn baut sich sein ei­ge­nes Bild und er­gänzt den Teil un­ter der Mas­ke ein­fach in­tui­tiv durch ei­nen pas­sen­den Mund und eine „nor­ma­le“ Nase. Stimmt das „an­ge­nom­me­ne“ Bild dann nicht mit dem tat­säch­li­chen über­ein, ist man erst­mal to­tal ver­wirrt. Be­son­ders auf­ge­fal­len ist mir das bei den letz­ten Kom­par­sen­jobs. Alle Schau­spie­ler und Kom­par­sen tru­gen durch­ge­hend ei­nen Mund- und Na­sen­schutz. Erst in dem „Wir drehen!“-Moment nah­men alle gleich­zei­tig ihre Mas­ke ab. Da­bei kam es nur sel­ten vor, dass ich dach­te „Mensch, die/der sieht ja viel bes­ser aus als ich dach­te.“ Meist war das Ge­gen­teil der Fall. Ich kann mir vor­stel­len, dass es an­de­ren Leu­ten bei mir auch so geht. Zwar bin ich mit mei­nem Ge­sicht zu­frie­den, aber ich mag mei­ne Au­gen­par­tie lie­ber als den Be­reich un­ter der Maske.

Wo sind wir eigentlich?

Jan und ich ha­ben ge­ra­de un­se­re De­cke ei­ni­ge Me­ter über den Sand ge­zo­gen, um dem auf­kom­men­den Schat­ten zu ent­flie­hen. Heu­te ist un­ser letz­ter Tag am Strand hier in…ähmmm…wir sind seit ei­ner Wo­che hier und mir fällt jetzt erst auf, dass ich nicht ein­mal weiß, wie die­ser Ort ei­gent­lich heißt. Auf je­den Fall be­fin­den wir uns ir­gend­wo zwi­schen Mar­seil­le und Saint Tro­pez. Be­vor wir hier wa­ren, ha­ben wir Pom­mes und bel­gi­sche Waf­feln in Lüt­tich ge­ges­sen, sind mit den Fahr­rä­dern durch Pa­ris ge­fah­ren, ha­ben zwei Tage im Dis­ney­land ver­bracht, sind noch ei­nen Tag durch die Pa­ri­ser Mu­se­en ge­streift und ha­ben di­ver­se Crê­pes ge­ges­sen. Wir ha­ben Zeit mit Iri­na und Ales­sio ver­bracht (lei­der viel zu we­nig) und die Stre­cke von Pa­ris bis Nî­mes in ei­nem Tag zu­rück­ge­legt. Bei schöns­tem Som­mer­wet­ter sind wir mit den Rä­dern durch die Stu­den­ten­stadt Mont­pel­lier ge­fah­ren und ha­ben den Nach­mit­tag bei 24°C am Strand ver­bracht, wo wir Kar­ten spiel­ten und Fla­min­gos be­ob­ach­ten konn­ten. Da die meis­ten Cam­ping­plät­ze in die­ser Re­gi­on am 1. Ok­to­ber schlie­ßen, fuh­ren wir als es dun­kel wur­de noch ei­ni­ge Stun­den Rich­tung Os­ten an der Küs­te ent­lang und lan­de­ten schließ­lich hier. Mor­gen geht es wei­ter über Saint Tro­pez, Can­nes und Niz­za Rich­tung Ita­li­en. Da wir im letz­ten Jahr ein­fach dar­an vor­bei­ge­fah­ren sind, möch­te ich die­ses Mal am Co­mer See hal­ten. Como soll sehr schön sein. Nicht um­sonst wur­de der See da­mals als Star Wars-Ku­lis­se aus­ge­wählt. Wir wol­len uns aber nicht lan­ge an ei­nem Ort auf­hal­ten, da wir spä­tes­tens am Sams­tag zu­rück sein müs­sen. Ge­plant ist ein Halt in Lör­rach, viel­leicht fah­ren wir auch noch ein­mal kurz nach Ba­sel (ich mag die Stadt sehr ger­ne). Da­nach geht es straight Rich­tung Nor­den, wo­bei wir durch Frei­burg, Hei­del­berg und Mann­heim fah­ren, wo wir Fa­bi­an und Lau­ra zum Es­sen tref­fen. 

Mei­ne Fa­mi­lie hat mir vor­hin mit­ge­teilt, dass es zu­hau­se arsch­kalt ist und es den gan­zen Tag nie­selt. Das kann ich mir mo­men­tan (mit den Fü­ßen im Sand und der Son­ne auf der Haut) kaum vor­stel­len. Ich bin ein­fach sehr froh dar­über, ge­ra­de am rich­ti­gen Ort zu sein. Trotz­dem freue ich mich auch schon auf die Zeit zu Hau­se. Wenn es drau­ßen wie­der käl­ter wird und es län­ger dun­kel als hell ist, kann man es sich in der Woh­nung rich­tig schön ge­müt­lich ma­chen. 

Sep­tem­ber 2021

Ei­gent­lich ist es selt­sam, dass ich in mei­nem Ta­ge­buch bis­her noch gar nichts über den ver­gan­ge­nen Mo­nat ge­schrie­ben habe. Das liegt we­ni­ger dar­an, dass nichts los war als dar­an, dass so un­glaub­lich viel pas­siert ist. Ich war auf ei­ner Tau­fe, ei­nem Ge­burts­tag, ei­nem Jung­ge­sel­lin­nen­ab­schied, ei­ner Hoch­zeit, ei­nem Richt­fest und ei­ner Ba­by­par­ty. Au­ßer­dem habe ich viel Zeit mit Freun­den ver­bracht, war mit mei­ner Mut­ter in der Lü­ne­bur­ger Hei­de, habe mir im Fit­ness­stu­dio ei­nen ge­eig­ne­ten Trai­nings­plan er­stel­len las­sen und habe ei­nen neu­en Raum für mein Kunst­pro­jekt an­ge­mie­tet. Als Kom­par­sin hat­te ich ein furcht­ba­res „Date“ als Bar­gast, war Kran­ken­schwes­ter im Elb­kran­ken­haus, Ste­war­dess am Ham­bur­ger Flug­ha­fen, stand nachts auf den Lan­dungs­brü­cken und war am Ende noch­mal Kran­ken­schwes­ter bei Aben­teu­er Dia­gno­se. Jetzt reicht mir das mit den Kom­par­sen­jobs aber auch erst­mal. Man lernt zwar (fast) im­mer net­te Leu­te ken­nen und führt teils sehr in­ter­es­san­te Ge­sprä­che mit Men­schen, zu de­nen man sonst ver­mut­lich nie­mals Kon­takt ge­habt hät­te, aber es ist manch­mal auch ziem­lich an­stren­gend und im­mer sehr spon­tan und man weiß nie, wie lan­ge ein Dreh dau­ern wird. In nächs­ter Zeit möch­te ich ein biss­chen mehr Rou­ti­ne und ei­nen ge­ord­ne­te­ren Ab­lauf in mei­nen Tag brin­gen. Au­ßer­dem muss ich auf­pas­sen, mich nicht zu über­neh­men. Da ich ziem­lich schlecht im Punkt Selbst­kon­trol­le bin, hof­fe ich, dass mir das gelingt.

Kei­ne Im­mun­sup­pres­si­va mehr!

Am 6.9. durf­te ich end­lich mei­ne Im­mun­sup­pres­si­va voll­stän­dig ab­set­zen, was mir SO viel mehr Frei­hei­ten er­mög­licht hat! Seit­dem habe ich ton­nen­wei­se Sa­lat ge­ges­sen und li­ter­wei­se Lei­tungs­was­ser ge­trun­ken. Ich sna­cke jetzt wie­der Ba­by­to­ma­ten, Wein­trau­ben, Nek­ta­ri­nen, Pflau­men, Him­bee­ren, un­ge­schäl­te Äp­fel und Gur­ken. Au­ßer­dem kann ich jetzt auch end­lich den Spa­ghet­ti­eis­be­cher mit Erd­bee­ren be­stel­len, den Jan im­mer nimmt. Fri­sche Erd­bee­ren sind der Ham­mer! Ich habe jetzt meh­re­re Jah­re auf sie ver­zich­ten müs­sen und bin ein­fach über­glück­lich, dass ich sie wie­der es­sen kann und darf. An Me­di­ka­men­ten muss ich jetzt nur noch Aci­clo­vir und Co­trim For­te neh­men. Hof­fent­lich bleibt das so.

KMT-Am­bu­lanz

Am 17.9. war ich zu­letzt in der KMT-Am­bu­lanz. Es war wie­der ziem­lich voll, aber da ich mei­ner Ärz­tin be­reits bei der Ter­min­ver­ga­be ge­sagt hat­te, dass ich noch ei­nen wich­ti­gen An­schluss­ter­min habe, hat sie mich da­zwi­schen­ge­scho­ben, so­dass ich nur eine knap­pe Stun­de war­ten muss­te. Na­tür­lich spra­chen wir dar­über, wie es mir nach dem Ab­set­zen der Im­mun­sup­pres­si­va ge­gan­gen war. In den ers­ten Ta­gen war ich ein we­nig an­ge­schla­gen, müde und kör­per­lich ziem­lich ka­putt. Mei­ne Ge­len­ke und Mus­keln ta­ten et­was mehr weh als vor­her, aber das gab sich nach ein paar Ta­gen zum Glück. An­sons­ten zeig­te mein Kör­per kei­ne Re­ak­ti­on auf die Um­stel­lung. Als mir die Ärz­tin mein Blut­bild prä­sen­tier­te, hat­te sie auch nur Po­si­ti­ves zu be­rich­ten. Be­son­ders ge­freut habe ich mich dar­über, dass mein An­teil an Spen­der­zel­len nun end­lich bei >99,9% an­ge­kom­men ist! Das ist die höchst­mög­li­che Pro­zent­zahl, 100% geht wohl nicht. Bis­lang lag mein Wert bei 99,7%, was zwar nur ge­ring­fü­gig we­ni­ger ist, aber an­schei­nend trotz­dem viel aus­macht. 

Impf­sta­tus

Dar­über hin­aus la­gen nun end­lich die Er­geb­nis­se mei­nes Impf­sta­tus vor! Ich habe an­schei­nend Poliovirus‑, Hib- so­wie Pneu­mo­kok­ken-IgG-An­ti­kör­per von mei­nem Spen­der über­nom­men und habe auch eine ge­rin­ge Im­mu­ni­tät ge­gen Te­ta­nus, wo­bei eine Auf­frisch­imp­fung emp­foh­len wird. Al­ler­dings habe ich kei­nen Im­mun­schutz ge­gen Ma­sern, Mumps oder Diph­the­rie. Die Rö­teln­vi­rus-An­ti­kör­per konn­ten nur grenz­wer­tig nach­ge­wie­sen wer­den, so­dass auch hier ein Im­mun­schutz frag­lich ist. So­lan­ge ich kei­ne Im­mu­ni­tät ge­gen die­se Kin­der­krank­hei­ten habe, muss ich im Um­gang mit Kin­dern vor­sich­tig sein, vor al­lem, wenn sie krank sind. Bei mei­nem nächs­ten KMT-Ter­min er­hal­te ich eine 5‑­fach-Imp­fung mit Tot­impf­stof­fen (u.a. ge­gen Te­ta­nus und Diph­the­rie). Lei­der darf erst frü­hes­tens zwei Jah­ren nach der Stamm­zell­trans­plan­ta­ti­on mit dem Imp­fen von Le­bend­impf­stof­fen be­gon­nen wer­den. So­lan­ge bin ich Ma­sern, Mumps und Rö­teln schutz­los aus­ge­lie­fert. Da­her darf ich bis zu mei­ner Im­mu­ni­sie­rung nicht in ei­ner Grund­schu­le ar­bei­ten. 

Im­mun­sys­tem

Mo­men­tan ar­bei­tet mein Im­mun­sys­tem ja eh noch nicht wie­der zu­ver­läs­sig. Im Schnitt be­nö­tigt der Kör­per ein Jahr bis er Krank­heits­er­re­ger wie­der rich­tig ab­weh­ren kann. Das konn­te ich auch im Ur­laub fest­stel­len. An­schei­nend habe ich mir bei mei­ner Pe­di­kü­re eine klei­ne Ver­let­zung am Zeh­n­a­gel zu­ge­fügt, durch die Kei­me ein­drin­gen konn­ten, die di­rekt zu Be­ginn der Rei­se eine Ent­zün­dung ver­ur­sacht ha­ben. Mein Mit­tel­zeh war übelst schmerz­emp­find­lich und tat beim Ge­hen weh. Zum Glück hat­te ich beim Fahr­rad­fah­ren hin­ge­gen kaum Schmer­zen. Dank ei­ner Creme, die mir Iri­na ge­ge­ben hat, war die Ent­zün­dung nach drei Ta­gen wie­der weg. Eine Wo­che spä­ter hat­te ich ei­nen ähn­li­chen Fall am an­de­ren Fuß. Ich hat­te auch eine kur­ze Er­käl­tung, weil je­mand in mei­ner Nähe ge­hus­tet hat. Viel­leicht habe ich mich aber auch ver­kühlt, als ich im T‑Shirt durch Pa­ris ge­fah­ren bin, weil ich mal wie­der von ei­ner hef­ti­gen Hit­ze­wal­lung heim­ge­sucht wurde.

Be­hin­dert in Paris

Apro­pos Pa­ris: Es ist un­glaub­lich, wie be­hin­der­ten­freund­lich die­se Stadt ist (na­tür­lich mal ab­ge­se­hen von der be­schis­se­nen, nach Pis­se stin­ken­den und aus Trep­pen be­stehen­den Me­tro)! Mit ei­nem Be­hin­der­ten­aus­weis er­hält man in al­len Mu­se­en frei­en Ein­tritt und auch die Be­gleit­per­son muss nichts be­zah­len. Au­ßer­dem muss man sich nicht in den lan­gen Schlan­gen an­stel­len, son­dern darf di­rekt rein­ge­hen. So kam es also, dass auch Jan end­lich mal das In­ne­re der Pa­ri­ser Mu­se­en zu Ge­sicht be­kam. Wir wa­ren im Mu­sée d’Orsay, im Mu­sée de l‘Orangerie, im Lou­vre und im Cent­re Ge­or­ges Pom­pi­dou. Ei­gent­lich woll­ten wir auch noch in die Ka­ta­kom­ben, aber da­für war das Wet­ter ein­fach zu schön und die An­zahl der Stu­fen zu hoch. Das ma­chen wir dann beim nächs­ten Mal, in­klu­si­ve ei­ner Boots­fahrt und in Be­glei­tung von Iri­na und Alessio.

Be­hin­dert im Disneyland

Üb­ri­gens ist auch das Dis­ney­land Pa­ris echt be­hin­der­ten­freund­lich. Wäh­rend ich im Hei­de­park Sol­tau kaum ir­gend­ei­nen Vor­teil habe, be­kom­me ich in Pa­ris mit mei­nem Aus­weis eine grü­ne Kar­te, auf der ver­merkt ist, dass ich be­hin­dert bin und was mein Pro­blem ist. Na­tür­lich kann man nicht mit je­der Be­hin­de­rung je­des Fahr­ge­schäft nut­zen. Wenn man kei­ne Arme und/oder kei­ne Hän­de hat, wird es schwie­rig, sich fest­zu­hal­ten. Wenn man nicht selbst­stän­dig ge­hen kann, wäre es im Ernst­fall schwie­rig, über eine Lei­ter eva­ku­iert zu wer­den. In mei­nem Fall wur­de al­ler­dings nur an­ge­kreuzt, dass ich nicht lan­ge ste­hen kann, was auch der Wahr­heit ent­spricht. Ich be­kom­me recht schnell Schmer­zen in den Bei­nen und muss mich im­mer wie­der aus­ru­hen und hin­set­zen. Mit mei­ner Kar­te durf­te ich dann (in­klu­si­ve mei­ner Be­gleit­per­so­nen) zum Aus­gang der Fahr­ge­schäf­te ge­hen, wo es eine Ex­traschlan­ge für Be­hin­der­te in­klu­si­ve Sitz­mög­lich­kei­ten gab. Auf die­se Wei­se muss­ten wir nur ei­nen Bruch­teil der nor­ma­len War­te­zeit in den Schlan­gen vor den Fahr­ge­schäf­ten ver­brin­gen. 

Dis­ney­land

Ich mag das Dis­ney­land Pa­ris echt ger­ne, wo­bei mir die At­trak­tio­nen nicht so wich­tig sind wie das Am­bi­en­te. Es wird pein­lich ge­nau dar­auf ge­ach­tet, dass über­all im Park die Dis­ney-Stim­mung auf­recht­erhal­ten wird. Selbst die Ge­schäf­te, in de­nen man sich an Mer­chan­di­se-Ar­ti­keln tot­kau­fen kann, sind mit wun­der­schö­nen Glas­kup­peln und fei­nen ar­chi­tek­to­ni­schen Be­son­der­hei­ten aus­ge­stat­tet. In den gro­ßen Gän­gen und Räu­men be­fin­den sich ver­steckt im­mer wie­der klei­ne­re At­trak­tio­nen, die dem Groß­teil der Be­su­cher ent­ge­hen. Be­son­ders cool fin­de ich das Zeo­tro­pe mit Toy Sto­ry Fi­gu­ren, das sich in den Dis­ney Stu­di­os be­fin­det. Es be­steht aus ei­ner gro­ßen Dreh­schei­be, auf der sich in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den die glei­chen Fi­gu­ren in un­ter­schied­li­chen Po­si­tio­nen be­fin­den. Durch eine be­stimm­te Ge­schwin­dig­keit und den Ein­satz von Licht nimmt das Auge die ein­zel­nen Bil­der nicht mehr wahr und die Fi­gu­ren be­we­gen sich wie in ei­nem Trick­film. Al­ler­dings ist es mo­men­tan et­was schwie­rig, das Zeo­tro­pe zu fin­den. Man muss da­für näm­lich an der lan­gen Schlan­ge von Fro­zen-Fans vor­bei­ge­hen, die dort für ein Foto mit Anna/Elsa/Olaf an­ste­hen. Im Ge­bäu­de be­fin­det sich dann di­rekt ne­ben dem Sel­fie-Spot der Ein­gang zu dem un­schein­ba­ren Raum. Da Iri­na und Ales­sio auch VIP-Tou­ren durch­füh­ren und da­für ent­spre­chend aus­ge­bil­det wur­den, ha­ben sie sehr viel Hin­ter­grund­wis­sen zu den ver­schie­de­nen Be­rei­chen, an dem sie uns im­mer wie­der teil­ha­ben las­sen. Ich war jetzt be­reits zum sechs­ten Mal im Dis­ney­land, ler­ne aber im­mer wie­der et­was Neu­es ken­nen. Üb­ri­gens emp­feh­le ich al­len El­tern, ihre Kin­der zu­hau­se zu las­sen, dann macht es viel mehr Spaß, weil man viel we­ni­ger Kram mit sich rum­schlep­pen muss, nach Lust und Lau­ne alle At­trak­tio­nen be­su­chen kann und in den Stores kei­ne ner­vi­gen „Dar­um kau­fen wir das jetzt nicht“-Gespräche füh­ren muss. Das war na­tür­lich ein Witz. Be­stimmt ist es mit Kin­dern ganz toll. Al­ler­dings emp­feh­le ich wirk­lich al­len El­tern, nicht zu früh mit ih­ren Kin­dern zu Pi­noc­chio oder Schnee­witt­chen zu ge­hen, wenn sie ihre Kin­der nicht nach­hal­tig trau­ma­ti­sie­ren wol­len. Die Bäu­me im Schnee­witt­chen-Wald?! Al­ter! Die fand selbst ich gru­se­lig. Aber ich hab‘s eh nicht so mit ani­mier­ten Bäu­men. Als ich drei war ha­ben mich die freund­li­chen, spre­chen­den Bäu­me im elek­tro­ni­schen Vo­gel­thea­ter des Hei­de­parks schon völ­lig fer­tig gemacht.

Ur­laubs­ge­füh­le

Je­den­falls wa­ren die Tage in Pa­ris ein sehr schö­ner Start in un­se­ren Ur­laub. Es war ein­fach herr­lich, bei strah­len­dem Son­nen­schein mit dem Rad an der Sei­ne ent­lang­zu­fah­ren. Auch, wenn ich noch nicht so viel Kon­di­ti­on habe und im­mer wie­der Pau­sen ein­le­gen muss­te, tat es rich­tig gut, sich kör­per­lich an der fri­schen Luft zu be­tä­ti­gen. Die an­schlie­ßen­de Zeit im Sü­den Frank­reichs hat mit Si­cher­heit da­für ge­sorgt, dass un­ser Vit­amin-D-Haus­halt et­was auf­ge­füllt wur­de. Von mor­gens bis abends schien die Son­ne vom Him­mel her­ab, wo­durch das Meer in ei­nem wun­der­schö­nen Blau er­strahl­te. Da fragt man sich nicht mehr, war­um die Küs­te Côte d’Azur ge­nannt wird. Die Städ­te ver­sprüh­ten al­le­samt Mit­tel­meer­char­me und es war oft nicht klar aus­zu­ma­chen, ob wir uns ge­ra­de in Ita­li­en, auf Mal­lor­ca oder in Süd­frank­reich be­fan­den. 

Didd­le-Rom­mé

Mein Da­ten­vo­lu­men war be­reits in Pa­ris auf­ge­braucht und da ich eh nicht vor­hat­te, viel Zeit am Han­dy zu ver­brin­gen, ent­schied ich mich ge­gen eine Auf­la­dung. Jan und ich ver­brach­ten statt­des­sen un­se­re Zeit mit Rom­mé, ge­nau­er ge­sagt Didd­le-Rom­mé. Seit mei­ner Kind­heit be­sit­ze ich ein Didd­le-Kar­ten­spiel, mit dem bei mir zu Hau­se Rom­mé ge­spielt wur­de. Mit zu­neh­men­der Ab­nut­zung wur­de ir­gend­wann ein neu­es Ex­em­plar an­ge­schafft, Jah­re spä­ter (2009 am Mün­che­ner Haupt­bahn­hof) kauf­ten Jan und ich die drit­te Ver­si­on. Mir ge­fal­len die Zah­len und vor al­lem die Bil­der viel bes­ser als bei her­kömm­li­chen Kar­ten­sät­zen. Je­den Tag spiel­ten wir ei­ni­ge Stun­den, wo­bei das Ge­win­ner-Ver­lie­rer-Ver­hält­nis recht aus­ge­gli­chen war. 

Das Le­ben ist kein Nullsummenspiel

Wenn wir ge­ra­de mal nicht spiel­ten, plantsch­ten wir im Meer, la­gen in der Son­ne oder la­sen. Mei­ne Tan­te hat­te mir ein Buch mit­ge­ge­ben, in dem ich vie­le Par­al­le­len zu mei­nem ei­ge­nen Le­ben zie­hen konn­te. Der Prot­ago­nist schreibt und fo­to­gra­fiert ger­ne, sei­ne Schwes­ter malt und zeich­net stän­dig, stu­diert Lehr­amt (Kunst und Deutsch), gibt aber spä­ter den Leh­rer­be­ruf zu­guns­ten ih­rer Lei­den­schaft auf und schreibt und il­lus­triert schließ­lich Kin­der­bü­cher. Die Frau des Prot­ago­nis­ten er­krankt an Leuk­ämie und muss an­stren­gen­de Che­mo­the­ra­pien über sich er­ge­hen las­sen, bis schließ­lich al­les nach ei­nem Hap­py End aus­sieht. „Der be­han­deln­de Arzt hat­te ihr mit­ge­teilt, dass der Krebs voll­stän­dig ver­schwun­den war. Er riet, auf die An­stren­gun­gen und Ri­si­ken ei­ner Kno­chen­mark­trans­plan­ta­ti­on zu ver­zich­ten und statt­des­sen gleich mit der Er­hal­tungs­the­ra­pie zu be­gin­nen.“ Hmmm…vielleicht wäre es bes­ser ge­we­sen, ihr neue Stamm­zel­len zu trans­plan­tie­ren, denn nach etwa ei­nem Jahr kommt der Krebs zu­rück und sie hat ihm nichts mehr ent­ge­gen­zu­set­zen. Sie stirbt. „Das Le­ben ist kein Null­sum­men­spiel. Es schul­det ei­nem nichts, und die Din­ge pas­sie­ren, wie sie pas­sie­ren. Manch­mal ge­recht, so­dass al­les ei­nen Sinn er­gibt, manch­mal so un­ge­recht, dass man an al­lem ver­zwei­felt.“ Ich glau­be na­tür­lich dar­an, dass mei­ne Ge­schich­te an­ders aus­ge­hen wird als bei der Ro­man­fi­gur. Mit Si­cher­heit sa­gen kann man das zwar nicht und es wird noch ei­ni­ge Jah­re dau­ern, bis ich als ge­heilt gel­te, aber an­statt an mei­nen Rück­fall­ri­si­ko­ge­dan­ken zu ver­zwei­feln ver­su­che ich (im po­si­tivs­ten Sin­ne) je­den Tag so zu le­ben, als wür­de der Krebs mor­gen wiederkommen.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Jan Erik

    Sehr schö­ne Ein­drü­cke, dan­ke fürs Teilen!

  2. Alke

    Lie­be Nele, dass ist ge­nau die rich­ti­ge Le­bens­ein­stel­lung. Als ma­len­de Kin­der­buch­au­to­rin könn­te ich mir Dich üb­ri­gens auch sehr gut vor­stel­len. Wer weiß, auf was für Ideen Du noch so kommst. Der „wich­ti­ge An­schluss­ter­min” hat mir üb­ri­gens sehr gefallen. 😘

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