Hal­lo, Hessen!

Hal­lo, Hessen!

Am Mon­tag, den 19.07., fuhr ich mit mei­ner Mut­ter nach Hes­sen. Sie soll­te dort für eine Kin­der-Fern­seh­sen­dung eine Art In­ter­view füh­ren. Wor­um es ge­nau ging, kann ich erst in ein paar Mo­na­ten er­zäh­len, wenn al­les fer­tig ist und aus­ge­strahlt wird. Je­den­falls woll­te ich mei­ne Mut­ter nicht al­lein fah­ren las­sen, da es im­mer­hin 5 Stun­den Fahrt wa­ren und sie sich zu al­le­dem auch noch den Knö­chel ver­knackst hat­te. Ab­ge­se­hen da­von hat­te ich ja eh nichts Bes­se­res zu tun und fand es ganz schön, mal rauszukommen. 

Fe­ri­en­woh­nung 

Bei schöns­tem Son­nen­schein ka­men wir am frü­hen Mon­tag­nach­mit­tag in dem klei­nen Ort Ge­dern an. Als ers­te Gäs­te über­haupt durf­ten wir eine wirk­lich schö­ne und kom­plett neu re­no­vier­te Fe­ri­en­woh­nung be­zie­hen. Al­les war su­per­sau­ber (was für mich zur­zeit ja noch ex­trem wich­tig ist), ge­schmack­voll ein­ge­rich­tet und bes­tens aus­ge­stat­tet. Wir hat­ten so­gar ei­nen klei­nen Gar­ten­platz mit Son­nen­schirm, Tisch und Stüh­len, so­dass wir to­tal ent­spannt in der Mor­gen­son­ne früh­stü­cken konn­ten. Wir fühl­ten uns so­fort wie im Ur­laub. Be­grüßt wur­den wir von der Ver­mie­te­rin und ih­rer zu­cker­sü­ßen zwei­jäh­ri­gen En­kel­toch­ter Isa­bel­la, die mit ih­ren El­tern in dem Haus wohnt, in des­sen Erd­ge­schoss sich die Fe­ri­en­woh­nung befindet.

Hes­sen

Ob­wohl Hes­sen un­ser Nach­bar­bun­des­land ist, kam ich mir teil­wei­se wie im Aus­land vor. Die Stra­ßen sind ir­gend­wie viel schma­ler als bei uns, die Häu­ser­fron­ten häu­fig nicht an ih­nen aus­ge­rich­tet und die Geh­we­ge da­durch an ei­ni­gen Stel­len plötz­lich so schmal, dass man auf die Stra­ße aus­wei­chen muss, um nicht ge­gen eine Häu­ser­ecke zu lau­fen. Im Ge­gen­satz zu Nord­deutsch­land fin­det man in die­ser Ge­gend kaum ge­klin­ker­te Fas­sa­den, statt­des­sen sieht man ver­putz­te und ge­ka­chel­te Häu­ser­fron­ten in al­len mög­li­chen Far­ben. Die Ort­schaf­ten im Um­kreis ha­ben teils ziem­lich wit­zi­ge Na­men wie z.B. Bu­sen­born, Burk­hards, Mer­ken­fritz und Auf der Lü­cke. Ja, ich weiß, wenn man mal ge­nau­er hin­schaut, sind un­se­re Nach­bar­dör­fer hier in Nie­der­sach­sen auch nicht bes­ser (Bei­spiel: Horst). 

Mal wie­der nicht so schlau von mir

Als ich nach der ers­ten Nacht un­se­res Kurz­ur­laubs mei­ne all­mor­gend­li­chen Ta­blet­ten neh­men woll­te, fiel mir auf, dass ich beim Pa­cken rich­tig dumm ge­we­sen bin. Fälsch­li­cher­wei­se hat­te ich pro Tag zwei Pro­graf-Pil­len (mein Im­mun­sup­pres­si­vum und da­mit wich­tigs­tes Me­di­ka­ment) ein­ge­packt, da­bei neh­me ich mor­gens und abends JE­WEILS zwei Kap­seln. Ich hät­te ja auch ein­fach si­cher­heits­hal­ber eine Zu­satz­pa­ckung mit­neh­men können…hab ich aber nicht, weil mein Ge­hirn an­schei­nend mal wie­der ver­sagt hat­te. Ich ver­füg­te also nur über die Hälf­te der be­nö­tig­ten Im­mun­sup­pres­si­va und such­te da­her per Goog­le Maps nach ei­ner na­he­ge­le­ge­nen Apo­the­ke. An­schlie­ßend rief ich in der KMT-Am­bu­lanz an. Als ich dar­um bat, das Re­zept bit­te an die Hirsch Apo­the­ke in Hir­zen­hain zu schi­cken, be­kam ich zur Ant­wort: „Oha! Wo sind Sie denn da ge­lan­det?“ Als ich am nächs­ten Tag in der Apo­the­ke an­kam, war ich to­tal er­staunt, dass mein Re­zept be­reits per Post an­ge­kom­men war. Ich hat­te mich schon dar­auf ein­ge­stellt, ei­nen fran­kier­ten Brief­um­schlag mit mei­ner Adres­se zu hin­ter­le­gen, da ich das ab­ge­stem­pel­te Re­zept ja drin­gend für mei­ne Ab­rech­nung brau­che. Deut­sche Post, du hast mich end­lich mal po­si­tiv über­rascht! Da die Apo­the­ke das Pro­dukt ei­nes güns­ti­ge­ren Her­stel­lers ge­or­dert hat­te, be­zahl­te ich statt der ge­wohn­ten 499,74€ „nur“ knapp 300€. Jetzt wo ich das schrei­be, fra­ge ich mich, wo ich das Re­zept ei­gent­lich ge­las­sen habe. Soll­te ich es ver­lo­ren ha­ben, war das trotz des güns­ti­ge­ren Pro­dukts ein teu­rer Spaß (Kei­ne Pa­nik, Mama! Ich fin­de es be­stimmt noch irgendwo…).

Bü­gel­hin­wei­se

Da die Glatt­heit ei­ni­ger Klei­der beim Trans­port ziem­lich ge­lit­ten hat­te, freu­ten wir uns, dass zur Aus­stat­tung der Fe­ri­en­woh­nung auch ein na­gel­neu­es Bü­gel­eisen ge­hör­te. Mei­ne Mut­ter (ohne Le­se­bril­le in­zwi­schen hilf­los) bat mich, in der Ge­brauchs­an­lei­tung nach­zu­se­hen, ob man vor dem ers­ten Ge­brauch et­was Be­stimm­tes be­ach­ten müs­se. Ich glau­be, kaum ei­ner von euch hat sich schon mal die An­lei­tung für ein stink­nor­ma­les Bü­gel­eisen durch­ge­le­sen, denn nor­ma­ler­wei­se hät­te ich das auch nicht getan….aber es lohnt sich! Im Fol­gen­den möch­te ich die schöns­ten Pas­sa­gen für euch zitieren:

ACH­TUNG: Hei­ße Ober­flä­cheEs be­steht eine hohe Wahr­schein­lich­keit, dass Ober­flä­chen wäh­rend des Ge­brauchs heiß wer­den.“ <—Wenn das nicht der Fall wäre, wür­de das gan­ze Ge­rät kei­nen Sinn ergeben.

Ach­tung! – Tau­chen Sie das Ge­rät nie­mals in Was­ser!“ <—Das ist ein Hin­weis, der glau­be ich bei al­len Ge­rä­ten mit Ste­cker be­rück­sich­tigt wer­den soll­te (jaja, ich weiß, dass ich das Waf­fel­ei­sen mal un­ter den Was­ser­hahn ge­hal­ten habe, weil die Rei­ni­gung so ät­zend ner­vig war). Aber war­um soll­te man ein Bü­gel­eisen in Was­ser tau­chen? Viel­leicht, um es ab­zu­küh­len? Ich glau­be, die Her­stel­ler ge­hen von sehr dum­men Be­nut­zern aus. 

Jetzt kommt mei­ne Lieb­lings­stel­le: „Kin­der ab 8 Jah­ren dür­fen das Ge­rät nur un­ter Auf­sicht rei­ni­gen oder das Calc-Clean-Ver­fah­ren durch­füh­ren.“ Wel­che El­tern be­auf­tra­gen denn ih­ren 8‑Jährigen mit dem Ent­kal­ken des Bü­gel­eisens? Und wo­her kommt die­se ge­naue Al­ters­an­ga­be? Ha­ben die von Phil­ipps Stu­di­en durch­ge­führt, in de­nen ge­tes­tet wur­de, ab wel­chem Al­ter Kin­der bü­geln und ent­kal­ken kön­nen soll­ten? Ich muss ehr­lich ge­ste­hen, dass ich noch nie in mei­nem Le­ben ein Dampf­bü­gel­eisen ent­kalkt habe. Un­ser letz­tes Ex­em­plar fing ei­nes Ta­ges plötz­lich an zu bren­nen, da das Ka­bel be­schä­digt war und wir es nicht be­merkt (bzw. ein­fach igno­riert) hat­ten. In dem Fall wäre es tat­säch­lich rat­sam ge­we­sen, auf die Be­die­nungs­an­lei­tung zu hö­ren: „Be­nut­zen Sie das Ge­rät nicht, wenn der Netz­ste­cker, das Netz­ka­bel oder das Ge­rät selbst be­schä­digt ist“. 

Op­tisch ir­ri­tiert mich üb­ri­gens, dass es vier ver­schie­de­ne Ach­tung-Über­schrif­ten-Va­ri­an­ten gibt:

  • Ach­tung! <— mit Ausrufezeichen
  • Ach­tung <— ohne Ausrufezeichen
  • ACH­TUNG: <— Ma­jus­kel­schrift und Doppelpunkt
  • Vor­sicht <— Heißt ja ei­gent­lich auch nichts an­de­res als „Ach­tung“. Ich fin­de, sie hät­ten statt­des­sen noch­mal „Ach­tung“, dies­mal in Kur­siv­schrift, ver­wen­den sol­len. Das wäre dann zu­min­dest in ir­gend­ei­ner Art kon­se­quent gewesen.

HIN­WEIS: Falls du kei­ne Lust hast, dir durch­zu­le­sen, wie ich mich über Recht­schrei­bung und die Ver­hun­zung der deut­schen Spra­che auf­re­ge, soll­test du den fol­gen­den Ab­satz bes­ser über­sprin­gen. 

Wo ist das ß???

Im­mer­hin wur­de in der Bü­gel­eisen­an­lei­tung das ß (mein Lieb­lings­buch­sta­be) dort ver­wen­det wo es hin­ge­hört. Ganz im Ge­gen­satz zu al­len an­de­ren Tex­ten auf Schil­dern, Spei­se­kar­ten, Fly­ern etc. hier in Hes­sen. Ich ver­steh das nicht! Schreib­wei­sen wie „gross“, „Sos­se“, „aus­sen“, „Fuss“, „schlies­sen“, „weiss“, „ge­nies­sen“ und „Stras­se“ sind schlicht­weg falsch. Die deut­sche Recht­schrei­bung lässt da kei­nen Ent­schei­dungs­frei­raum und das ist auch gut so, denn die Schreib­wei­se zeigt dem Le­ser, wie er ein Wort aus­zu­spre­chen hat. „Stras-se“ muss an­ders aus­ge­spro­chen wer­den als „Stra-ße“. Nach ei­nem lan­gen Vo­kal oder ei­nem Di­phthong (Dop­pel­lau­te wie au, eu, ei, ie) steht nie­mals ein „ss“! Es mag sein, dass sich die Or­tho­gra­fie in zehn Jah­ren an die Dumm­heit der Men­schen an­ge­passt ha­ben wird und man dann auch ganz le­gi­tim ss statt ß ver­wen­den darf, aber das wäre mei­ner Mei­nung nach echt scha­de, weil wir un­se­re Spra­che ei­nes sehr sinn­vol­len Buch­sta­bens be­rau­ben wür­den. Die Schwei­zer ver­wen­den in ih­rer selt­sa­men Va­ri­an­te der deut­schen Spra­che üb­ri­gens gar kein ß. Aber die kön­nen auch kein <ç> wie in „Milch“ aus­spre­chen, son­dern sa­gen im­mer wie in „Buch“, was of­fen­sicht­lich ziem­lich schei­ße klingt. (Wen es in­ter­es­siert und wer es noch nicht wuss­te: Nach a, o, u, au spricht man „ch“ als aus, nach ä, ö, ü, e, i so­wie nach Kon­so­nan­ten spricht man es <ç> aus. Das ist echt nicht schwer und ich wür­de den Schwei­zern emp­feh­len, die­se Un­ter­schei­dung (eben­so wie das ß) auch in ihre Spra­che zu über­neh­men. Klingt ein­fach bes­ser!) Beim Tip­pen ist mir üb­ri­gens auf­ge­fal­len, dass die Ap­ple-Text­kor­rek­tur die oben ge­nann­ten und ab­sicht­lich falsch ge­schrie­be­nen Wör­ter we­der rot un­ter­streicht noch kor­ri­giert. Be­stimmt we­gen der Schwei­zer (und Liech­ten­stei­ner). Ab­schlie­ßend (mit ß!) möch­te ich zu die­sem The­ma an­mer­ken, dass es seit dem 29. Juni 2017 auch das gro­ße (mit ß!) ß gibt. Da es aber in vie­len Schrif­ten nicht exis­tiert, kann ich bei groß­ge­schrie­be­nen Wör­tern ein „SS“ akzeptieren. 

Ich möch­te nicht den Ein­druck er­we­cken, dass ich so ein Recht­schreib-Nazi bin und fin­de z.B. von Hand kom­plett falsch ge­schrie­be­ne Me­nü­ta­feln vor ita­lie­ni­schen Re­stau­rants auch manch­mal ganz süß (mit ß). Was mich aber auf­regt ist, wenn sich Un­ter­neh­men, Ge­schäf­te, Re­stau­rants usw. gro­ße Wer­be­ban­ner, Au­tos, Spei­se­kar­ten und Ver­pa­ckun­gen be­dru­cken las­sen und da­bei kom­plett auf die kor­rek­te Schreib­wei­se schei­ßen (mit ß!). Wie soll ich denn den Kin­dern in der Grund­schu­le bei­brin­gen, wann ein ß ge­schrie­ben wer­den muss, wenn sie in ih­rem all­täg­li­chen Le­ben stän­dig die fal­sche Schreib­wei­se prä­sen­tiert be­kom­men? Und wo ich ge­ra­de da­bei bin, möch­te ich auch mei­nen Un­mut dar­über äu­ßern (mit ß!), dass im­mer mehr Fir­men, Un­ter­neh­men, Ver­ei­ne, Wer­be­tex­ter etc. auf die Groß­schrei­bung von No­men (Na­men­wör­tern) ver­zich­ten. Mein Gott, Leu­te! Das hat doch al­les ei­nen Sinn! Wenn ich ei­nen deut­schen Satz grob über­flie­ge, sehe ich an­hand der groß­ge­schrie­be­nen No­men als Le­ser so­fort, wor­um es geht und kann mich im Text viel bes­ser ori­en­tie­ren. Im Eng­li­schen und Fran­zö­si­schen ist das bei­spiels­wei­se viel schwie­ri­ger. „Recht­schrei­bung ist Höf­lich­keit dem Le­ser ge­gen­über.“ <— Die­sen Satz soll­te man sich im­mer vor Au­gen hal­ten, denn meis­tens schreibt man et­was auf, da­mit ein an­de­rer es liest. Ge­ra­de Ver­ei­ne wie der Lan­des­ju­gend­ring Nie­der­sach­sen (der sich mit Kin­dern und Ju­gend­li­chen be­schäf­tigt) soll­ten sich dar­an hal­ten und nicht aus falsch ver­stan­de­ner Cool­ness ihre Na­men und die Na­men ih­rer Kam­pa­gnen kom­plett klein­schrei­ben. Bei­spie­le: „kor­re­spon­denz – in­for­ma­ti­ons- und kom­mu­ni­ka­ti­ons­or­gan des lan­des­ju­gend­ring nie­der­sach­sen e.v.“, „360°jugend“. Was soll sowas?!

Aber der Lan­des­ju­gend­ring scheint es mit der Recht­schrei­bung eh nicht so ge­nau zu neh­men, denn eine wei­te­re Ei­gen­art der deut­schen Spra­che ist es, dass in­ner­halb ei­nes Wor­tes kein Groß­buch­sta­be ste­hen darf (au­ßer bei der Ma­jus­kel­schrift, die ja kom­plett aus Groß­buch­sta­ben be­steht). Der ljr pfeift auch auf die­se Re­gel und nennt bei­spiels­wei­se sein Co­ro­na-För­der­pro­jekt (Wel­ches ich to­tal gut fin­de und un­ter­stüt­ze!) „Lern­Räu­me“. Da­bei ist Lern­räu­me ein zu­sam­men­ge­setz­tes No­men, wel­ches ohne Bin­de­strich, ohne Lü­cke und vor al­lem ohne fal­schen Groß­buch­sta­ben in­ner­halb des Wor­tes aus­kommt. Aber da es gra­fisch an­spre­chen­der aus­sieht, wird auf die Recht­schrei­bung ge­schis­sen. Auch die Art und Wei­se mit ei­nem gro­ßen I zu gen­dern ist auf­grund der letzt­ge­nann­ten Re­gel falsch: z.B. Leh­re­rIn­nen, Schü­le­rIn­nen, Bür­ge­rIn­nen. Um trotz­dem die männ­li­che und die weib­li­che Form in ein Wort zu pa­cken, gibt es seit je­her den gu­ten al­ten Schräg­strich: Leh­rer/-in­nen, Schü­ler/-in­nen, Bür­ger/-in­nen. (Na­tür­lich kann man ihn aber nur set­zen, wenn das Wort vor dem Schräg­strich gram­ma­ti­ka­lisch rich­tig de­kli­niert ist.) Da wir die­sen Schräg­strich ha­ben, fra­ge ich mich, wes­halb plötz­lich über­all die­ses häss­li­che Stern­chen steht? Ver­steht mich nicht falsch, ich bin to­tal für Gleich­be­rech­ti­gung und eine gen­der­sen­si­ble Aus­drucks­wei­se, aber ich bin auch strikt ge­gen eine Ver­hun­zung un­se­rer Spra­che. Ei­ni­ge Tex­te ent­hal­ten heut­zu­ta­ge so vie­le selt­sam ge­setz­te Stern­chen, dass man kaum noch von ei­nem or­dent­li­chen Le­se­fluss spre­chen kann. Gibt es be­reits ein­heit­li­che Re­geln für die Sternchenverwendung?

Was ich über­haupt nicht un­ter­stüt­zen kann, ist die­ser selt­sa­me Trend, das Gen­der­stern­chen auch aus­ge­spro­chen zu ver­wen­den wie z.B. bei Bür­ger-in­nen. Das Wort Bür­ge­rin­nen wird fol­gen­der­ma­ßen ge­trennt: Bür-ge-rin-nen! Al­les an­de­re (und am bes­ten noch mit so ei­ner be­klopp­ten Pau­se) klingt und ist ein­fach falsch! Dann sagt halt Bür­ge­rin­nen und Bür­ger! Und be­vor mir jetzt je­mand sagt, dass es ja auch Men­schen gibt, die sich we­der dem männ­li­chen noch dem weib­li­chen Ge­schlecht zu­ord­nen kön­nen: Die Häu­fig­keit ei­nes un­ein­deu­ti­gen Ge­ni­tales bei der Ge­burt wird auf etwa 1:4500 bis 5500 ge­schätzt, an­de­re schät­zen die Zahl der in­ter­ge­schlecht­li­chen Per­so­nen in Deutsch­land auf etwa 0,2% der Be­völ­ke­rung. Doch der Groß­teil die­ser 0,2 Pro­zent ord­net sich selbst ei­nem der bei­den Ge­schlech­ter zu. Dies er­gab z.B. die Stu­die ei­nes eu­ro­päi­schen For­scher­kon­sor­ti­ums, wel­che sich mit 1040 Per­so­nen mit ei­nem in­ter­se­xu­el­len Syn­drom be­fass­te. Le­dig­lich 12 Pro­ban­den (1,15%) be­zeich­ne­ten sich selbst als in­ter­se­xu­ell bzw. di­vers, alle an­de­ren (mit 98,85% die über­gro­ße Mehr­heit) nicht. Wenn man die­sen An­teil auf die ver­mu­te­ten 0,2% an­rech­nen wür­de, käme man zu dem Er­geb­nis, dass sich 0,0023% der hier­zu­lan­de le­ben­den Men­schen als di­vers ein­ord­nen. Auf ganz Deutsch­land ge­rech­net wä­ren das 1.909 Per­so­nen, für die jetzt an vie­len Or­ten di­ver­se Toi­let­ten ein­ge­rich­tet und für die alle Stel­len­aus­schrei­bun­gen in m/w/d um­ge­än­dert wer­den muss­ten. Das ist doch al­les nicht ver­hält­nis­mä­ßig! Je­der Mensch soll­te sich (se­xu­ell) so de­fi­nie­ren dür­fen, wie er sich selbst fühlt, aber ich glau­be nicht, dass man mit Gen­der­stern­chen und falsch aus­ge­spro­che­nen Wör­tern für mehr To­le­ranz, Ak­zep­tanz und Gleich­be­rech­ti­gung sorgt. (An­mer­kung: Na­tür­lich über­neh­me ich kei­ner­lei Ge­währ für die Rich­tig­keit mei­ner Zah­len und An­ga­ben. Mei­ne Be­rech­nun­gen be­ru­hen auf sehr wa­cke­li­gen Vermutungen.)

Ge­misch­te Küche

Die Re­stau­rants und Ge­schäf­te hier in Ge­dern le­gen sich nicht ger­ne fest. 

Di­rekt am Ge­der­ner See (der ist sehr schön) liegt ein Re­stau­rant, das deutsch-ita­lie­nisch-in­di­sche Kü­che an­bie­tet. Man be­kommt dort bei­spiels­wei­se Pfif­fer­ling­schnit­zel, Rump­steak, Ca­la­ma­ri, Scam­pip­fänn­chen, di­ver­se Sa­la­te, Piz­zen, Nu­del­ge­rich­te, Rin­der-Kraft­brü­he, Murgh Sab­zi und Lamm Cur­ry, aber auch Cock­tails, Kaf­fee und Ku­chen so­wie ori­gi­nal in­di­schen Tee. Nor­ma­ler­wei­se bin ich bei ei­ner zu lan­gen Spei­se­kar­te im­mer skep­tisch, aber da uns das Re­stau­rant von un­se­ren Ver­mie­tern emp­foh­len wur­de und der In­ha­ber In­der ist, ha­ben wir nach ei­nem ent­spann­ten Tag am See dort in­disch ge­ges­sen. Es war wirk­lich le­cker! Vor dem Haupt­ge­richt wur­de so­gar ein groß­zü­gi­ger Sa­lat ge­reicht, auf den ich al­ler­dings ver­zich­ten muss­te. So­lan­ge ich noch un­ter Im­mun­sup­pres­si­on ste­he, darf ich wei­ter­hin nichts an­rüh­ren, was nicht ge­schält oder er­hitzt wor­den ist. Da man nicht mit Kar­te zah­len konn­te, was ich im Jahr 2021 im­mer ziem­lich selt­sam fin­de, war ich froh, dass mei­ne Mut­ter Bar­geld da­bei hat­te. Ich selbst bin näm­lich ei­gent­lich nur noch bar­geld­los un­ter­wegs, da man (bei uns) seit Co­ro­na so­gar beim Bä­cker mit Kar­te zah­len kann.Durch Ge­dern führt eine Haupt­stra­ße, an der auch die meis­ten Ge­schäf­te lie­gen. Hier gibt es ei­nen Uh­ren-Schmuck-Au­gen­op­ti­ker, eine Eis­die­le, ei­nen Fri­seur, eine Spar­kas­se und sehr vie­le leer­ste­hen­de Ge­bäu­de. Au­ßer­dem gibt es das Is­tan­bul Piz­za Ke­bap­haus (Slo­gan: „…ein­mal es­sen nie ver­ges­sen“) und nur drei Häu­ser wei­ter die Piz­ze­ria & Dö­ne­ria Baran (Slo­gan: „Ein­mal es­sen – nie ver­ges­sen!“). Da dies die ein­zi­gen Re­stau­rants auf die­sem Stra­ßen­ab­schnitt sind, könn­te man mei­nen, dass die Aus­wahl (Piz­za und Döner/Kebap) nicht be­son­ders groß sei. Das hat sich wahr­schein­lich auch Baran ge­dacht und da­her mit sei­nen Dau­er­ak­ti­ons­ta­gen für Ab­wechs­lung ge­sorgt: Mitt­woch ist Nu­del­tag und Don­ners­tag ist Schnit­zel­tag in der Dö­ne­ria-Piz­ze­ria! Au­ßer­dem gibt es ein TOP-An­ge­bot für nur 24,99€ (Ja, auf dem gro­ßen Schild an der Haus­wand steht zwar noch 19,99€, aber der Preis ist ver­al­te­tet und ein neu­es Schild ein­fach zu teu­er!): 1x Piz­za nach Wahl, 1x Schnit­zel nach Wahl, 1x Nu­deln nach Wahl, 1x ge­misch­ter Sa­lat, 1x Wein oder Fla­sche Cola. Da kann man nun wirk­lich nicht me­ckern. Als ich vor dem Ein­gang auf mei­ne Mut­ter war­te­te (wir ha­ben uns am ers­ten Abend Piz­za ge­kauft), kam eine alte Frau aus dem La­den, in den Hän­den eine gro­ße Tup­per­do­se, bis oben­hin voll­ge­füllt mit Pom­mes. Da­mit ist sie dann um die Ecke nach Hau­se ge­tap­pert. Voll put­zig und nach­hal­tig be­züg­lich Ver­pa­ckungs­müll und so. Wäh­rend ich war­te­te fiel mein Blick auch auf die ge­gen­über­lie­gen­de Stra­ßen­sei­te, auf der sich ein äu­ßerst merk­wür­di­ges Ge­schäft be­fand, das in punc­to „viel­fäl­ti­ges An­ge­bot“ den Vo­gel ab­schoss. Ne­ben Spar­schwei­nen, Schul­tü­ten, Kin­der­spiel­zeug, Schul­ma­te­ria­li­en und Ku­schel­tie­ren zeig­te das Schau­fens­ter eine gro­ße Aus­wahl schnur­lo­ser Te­le­fo­ne, ei­nen Dru­cker, gold­glän­zen­de Bud­dha-Sta­tu­en in ver­schie­de­nen Grö­ßen, ja­pa­ni­sche Win­ke­kat­zen so­wie di­ver­se Schil­der, die mir sag­ten, dass ich hier auch Werk­zeu­ge be­stel­len (West­fa­lia Be­stell­shop), mei­ne Pa­ke­te abholen/versenden (GLS Pa­ket­shop) und mei­ne neu­en Münz- und Brief­mar­ken­al­ben (Leucht­turm) er­wer­ben kann. So­weit – so­viel, dach­te ich mir, als ein gel­bes Schild mei­ne Auf­merk­sam­keit er­reg­te: „Metz­ge­rei-Ar­ti­kel Ge­wür­ze-Där­me-Zu­be­hör“!!!! Ich lass das jetzt mal so stehen. 

Hab eben ge­goo­gelt, un­ter wel­cher Art Ge­schäft sich die­ser La­den selbst ein­ord­net und möch­te euch die of­fi­zi­el­le Info (laut Goog­le Maps) zi­tie­ren: „Pa­pier­la­den: Pa­pier-Büro-Com­pu­ter-Fest­ar­ti­kel, Metz­ge­rei­be­darf, Tisch­de­cke, Ker­zen, Schul­ar­ti­kel, Va­ku­um­beu­tel, Po­ly­beu­tel, Ge­schenk­ar­ti­kel, En­gel, Stoff­tie­re, Ko­pi­er und Fax­ser­vice, Fest­netz­te­le­fo­ne, Mo­bil­funk, Im­biss­ar­ti­kel, Hy­gie­ne Ar­ti­kel“. (Da es sich um ein Zi­tat han­delt, habe ich die Feh­ler dort ge­las­sen wo sie sind.) Das nenn ich mal Aus­wahl! Da kann Real einpacken. 

Der Ede­ka in Ge­dern ver­kauft üb­ri­gens auch Waschmaschinen.

Aus­flug auf den Hoherodskopf

Mei­ne Mut­ter und ich woll­ten ei­nen Aus­flug ma­chen und uns die Ge­gend et­was ge­nau­er an­schau­en. Nach­dem wir in Hir­zen­hain mei­ne Me­di­ka­men­te ab­ge­holt hat­ten (sie­he oben) guck­te ich auf der Kar­te, wo wir denn mal hin­fah­ren könn­ten. Als ers­tes mach­ten wir ei­nen Ab­ste­cher zur Burg Liß­berg, die heut­zu­ta­ge noch aus ei­nem run­den Turm und ein paar Über­res­ten der Burg­mau­er be­steht. Ab und zu fin­den dort be­stimmt schö­ne Zelt­la­ger und Ver­an­stal­tun­gen statt, das Am­bi­en­te ist da­für ide­al und es gibt ge­nü­gend ver­steck­te Ecken, in de­nen sich die „jun­gen Men­schen“ zum Knut­schen tref­fen kön­nen. Wir wa­ren ganz al­lein und ge­nos­sen den Blick über die Land­schaft. An­schlie­ßend fuh­ren wir wei­ter. Als die zwei bes­ten Op­tio­nen stell­ten sich schnell der Vo­gel­park Schot­ten so­wie der Baum­kro­nen­pfad auf dem Ho­he­rodskopf her­aus. Beim Le­sen des Vo­gel­park-Fly­ers ent­schied ich mich ziem­lich schnell für die an­de­re Op­ti­on, denn der Vo­gel­park warb mit „be­ein­dru­cken­den Sta­chel­schwei­nen, quir­li­gen Na­sen­bä­ren, stol­zen La­mas und span­nen­den Luch­sen“. Ers­tens sind das al­les kei­ne Vö­gel und zwei­tens sind das zu vie­le du­bio­se Ad­jek­ti­ve. (Jan wies mich dar­auf hin, dass es doch ir­gend­wie klar sei, dass sich ein Vo­gel­park in die­ser Ge­gend nicht nur auf Vö­gel be­schrän­ken wür­de, son­dern selbst­ver­ständ­lich mit ei­nem viel­fäl­ti­gen An­ge­bot aufwartet.)

Der Vo­gels­berg ist das größ­te Vul­kan­ge­biet Mit­tel­eu­ro­pas. Dass es hier einst feu­rig und heiß zu­ging, sieht man der Ge­gend mit ih­ren be­wal­de­ten Ber­gen und blü­hen­den Tä­lern heut­zu­ta­ge nicht mehr an. Zu den be­lieb­tes­ten Aus­flugs­zie­len ge­hört der Ho­he­rodskopf auf 764 Me­tern Höhe. Er ist der zweit­höchs­te Gip­fel im Mit­tel­ge­bir­ge Vo­gels­berg. Am 13. Juni 2012 er­öff­ne­te hier der ers­te schwe­ben­de Baum­kro­nen­pfad mit Hän­ge­brü­cken zwi­schen den Bäu­men. „Die­se ein­zig­ar­ti­ge Kon­struk­ti­on ver­spricht noch spek­ta­ku­lä­re­re Wald- und Wan­der­erleb­nis­ge­füh­le als man sie von an­de­ren Baum­kro­nen­pfa­den kennt.“ (Zi­tat aus dem Pres­se­text) Die­ses Ge­fühls­er­leb­nis woll­ten wir uns na­tür­lich nicht ent­ge­hen lassen! 

Park­ti­cket

Als wir auf dem Park­platz an­ka­men, muss­te mei­ne Mut­ter aber erst­mal aufs Klo. Ich woll­te mich wäh­rend­des­sen um ein Park­ti­cket küm­mern. Da ich wie­der mal kein Bar­geld da­bei hat­te und der Au­to­mat lei­der kei­ne Kar­ten­zah­lung ak­zep­tier­te, muss­te ich mich bei der PARK NOW-App an­mel­den. Es dau­er­te eine ge­fühl­te Ewig­keit, bis die Re­gis­trie­rung end­lich ab­ge­schlos­sen war. Wäh­rend ich in der pral­len Son­ne ne­ben dem Au­to­ma­ten stand und in mein Han­dy tipp­te, sprach mich die Frau an, wel­che ihr Auto ne­ben mei­nem ge­parkt hat­te und in­for­mier­te mich dar­über, dass sich der Kon­trol­leur ge­ra­de mein Kenn­zei­chen auf­ge­schrie­ben habe. Al­ter. Wehe ich be­kom­me ei­nen Straf­zet­tel! Zeit­gleich zeig­te mir die App an, dass ich pro Park­vor­gang 0,29€ Ge­büh­ren zu zah­len hät­te. Das sah ich schon aus Prin­zip nicht ein! Da­her be­schloss ich, auf mei­ne Mut­ter und ihr Bar­geld zu warten. 

WC-Schild-Cha­os

Wo war sie ei­gent­lich?! Es wa­ren be­stimmt 25 Mi­nu­ten ver­gan­gen, als ich sie end­lich über den Park­platz kom­men sah. Ih­rem Ge­sichts­aus­druck zu ent­neh­men war sie ziem­lich ge­nervt. Der Grund hier­für war, dass das auf­ge­stell­te WC-Schild in die kom­plett fal­sche Rich­tung wies, wes­halb mei­ne Mut­ter zu­nächst ei­nen grö­ße­ren Hü­gel hin­un­ter ge­lotst wur­de, um dort auf ei­nem Schild zu le­sen, dass sich die Toi­let­ten in­zwi­schen an ei­nem an­de­ren Ort ober­halb des Hü­gels be­fin­den. Dort an­ge­kom­men fand sie eine Schlan­ge meh­re­rer ver­zwei­fel­ter Frau­en vor, die (mit vol­ler Bla­se) den sel­ben Weg hin­ter sich ge­bracht hat­ten und nun vor den zwei ge­öff­ne­ten Ka­bi­nen war­ten muss­ten. Theo­re­tisch hät­te es fünf Ka­bi­nen ge­ge­ben, die üb­ri­gen drei wa­ren aber aus In­fek­ti­ons­schutz­grün­den ab­ge­schlos­sen. Ei­gent­lich wa­ren die­se ein­schrän­ken­den Maß­nah­men vor ei­ni­ger Zeit auf­ge­ho­ben wor­den, aber an­schei­nend war ver­ges­sen wor­den, die Tü­ren wie­der zu öff­nen. Nach­dem mei­ne Mut­ter ein Park­ti­cket ge­löst hat­te, gin­gen wir zu­nächst in das Info-Ge­bäu­de, wo wir auf das WC-Schild-Cha­os hin­wie­sen. Un­ser An­lie­gen wur­de sehr freund­lich ent­ge­gen­ge­nom­men und als wir spä­ter zu un­se­rem Auto zu­rück­kehr­ten, war das fal­sche WC-Schild tat­säch­lich ent­fernt wor­den. Ich hof­fe, dass wir da­durch ei­ni­gen Men­schen mit Bla­sen­druck be­hilf­lich sein konnten.

Der Baum­kro­nen­pfad

Nun ging es end­lich zum Baum­kro­nen­pfad! Auf ei­nem gro­ßen Schild am Ein­gang stand „Kei­ne Kar­ten­zah­lung mög­lich“. War­um das denn schon wie­der nicht?! Der Ein­tritt be­trug für ei­nen Er­wach­se­nen 8,50€, für Kin­der 4,50€. Man konn­te aber auch Kom­bi­ti­ckets (in­klu­si­ve Mi­ni­golf und Er­leb­nis­pfad) für 34,40€ bzw. 25,40€ kau­fen. Das be­deu­tet, dass eine Fa­mi­lie mit zwei Kin­dern zwi­schen 26€ und 119,60€ zah­len muss. Wer hat denn heut­zu­ta­ge noch so viel Geld bei sich? Auf der In­ter­net­sei­te steht üb­ri­gens nicht, dass man nur bar­zah­len kann und auf dem Ge­län­de be­fand sich auch kein Geld­au­to­mat. In un­se­ren Ge­fil­den ist es ja eher an­ders­her­um. Neu­lich habe ich z.B. ein Pa­ket bei Ama­zon be­stellt und es zu mei­nen El­tern lie­fern las­sen. Als die Pa­ket­bo­ten bei mei­nem Va­ter klin­gel­ten und sag­ten, er müs­se noch 1,70€ Zoll nach­zah­len, woll­te er ih­nen das Geld ge­ben. Sie ver­wei­ger­ten aber die An­nah­me, weil sie auf­grund von Co­ro­na der­zeit kein Geld an­neh­men dür­fen und fuh­ren mit mei­nem Pa­ket wie­der weg! Mein Va­ter rief mich kom­plett ver­wirrt an und mein­te, die Welt sei ver­rückt geworden.

Je­den­falls be­tra­ten wir nach un­se­rer Bar­zah­lung den Ein­gang zum Baum­kro­nen­pfad und wur­den so­gleich von zwei weiß­ge­hörn­ten Heid­schnu­cken be­grüßt, die auf dem Ge­län­de frei her­um­lau­fen. Der Weg durch die Baum­wip­fel war sehr schön und even­tu­ell bin ich manch­mal ab­sicht­lich et­was zu schwung­voll über die Hän­ge­brü­cken spa­ziert, was mei­ner (von de­zen­ter Hö­hen­angst ge­plag­ten) Mut­ter even­tu­ell nicht sooo gut ge­fal­len hat. An ei­ner Stel­le am Ran­de des Wal­des be­fand sich ein Aus­sichts­punkt, von dem aus man die Sky­line von Frank­furt se­hen konn­te. Au­ßer­dem konn­te man von dort aus auch ein Ka­me­ra­team be­ob­ach­ten, wel­ches ge­ra­de da­bei war, ein In­ter­view mit ei­nem Ty­pen vor dem schö­nen Aus­blick zu fil­men. Auch im Info-Ge­bäu­de und auf dem Mi­ni­golf­platz hat­ten wir be­reits Män­ner mit Ka­me­ras ge­se­hen. An­schei­nend dreh­ten die ei­nen Wer­be­film über den Ho­he­rodskopf und sei­ne kras­sen Er­leb­nis­an­ge­bo­te (spek­ta­ku­lä­re Wald- und Wan­der­erleb­nis­ge­füh­le). Falls die Autoren/Autorinnen (NICHT: Autor*innen oder Au­torIn­nen!) des Wer­be­films noch eine Goog­le-Be­wer­tung mit ein­flie­ßen las­sen möch­ten, wür­de ich ih­nen den ir­ri­tie­ren­den Bei­trag von Volk­mar emp­feh­len: „Im Som­mer und Win­ter ein wun­der­ba­res Ziel. Für Sport­ler oder Geh­be­hin­der­te ist al­les spannend!“ 

Schö­ne Aussicht

Nach der Baum­kro­nen­wan­de­rung gönn­te sich mei­ne Mut­ter im Café ne­ben dem Ein­gang erst­mal ein Eis mit Erd­bee­ren. Da ich noch kei­ne Bee­ren es­sen darf und auch das Ge­bäck in der Aus­la­ge nicht mei­nen Hy­gie­ne­vor­schrif­ten ent­sprach, ver­zich­te­te ich zu­nächst aufs Es­sen und hol­te mir im An­schluss am Im­biss „Zur schö­nen Aus­sicht“ eine Por­ti­on Pom­mes, die ich zu­sam­men mit ei­nem Als­ter und bes­tem Blick aufs Tal ge­noss. „Lei­der“ schien die Son­ne ziem­lich in­ten­siv und da ich mei­ne Haut nicht der UV-Strah­lung aus­set­zen woll­te, ließ ich mei­nen Pull­over mög­lichst lan­ge an. Als ich dann aber auch noch eine mei­ner Hit­ze­wal­lun­gen be­kam, zog ich ihn schließ­lich doch aus. Trotz Licht­schutz­fak­tor 50 fühl­te ich mich sehr un­wohl in der Son­ne und schon bald fin­gen auch mei­ne Arme an zu ju­cken. (In­zwi­schen habe ich fest­ge­stellt, dass das Ju­cken im Zu­sam­men­hang mit den Hit­ze­wal­lun­gen auf­tritt, wes­halb es wahr­schein­lich nicht am Son­nen­licht lag.) Vor­sichts­hal­ber ver­lie­ßen wir das son­ni­ge Plätz­chen und mach­ten uns auf den Weg zum Mi­ni­golf­platz, der erst vor Kur­zem er­öff­net wurde. 

Mi­ni­golf

Die An­la­ge war wirk­lich schön und ganz an­ders als ge­wohnt. Wir hat­ten sehr viel Spaß und nie­mand ver­letz­te sich (Als ich 8 war, hab ich mir mal beim Mi­ni­golf den Arm ge­bro­chen). Zum Glück wa­ren auch die Fa­mi­li­en vor und hin­ter uns sehr ent­spannt und wit­zig. Nie­mand nahm es mir übel, dass ich be­reits beim zwei­ten Schlag laut „FUCK!“ rief. Das ist mir na­tür­lich nur re­flex­ar­tig raus­ge­rutscht. Da­nach ach­te­te ich bes­ser auf mei­ne Aus­drucks­wei­se. Als ich am Ende dem Fa­mi­li­en­va­ter vor uns sag­te, dass nie­mand ihm sei­nen Sieg gön­ne, weil er im­mer so ge­häs­sig über die Fehl­schlä­ge der an­de­ren ge­lacht habe, sag­te er: „Naja, im­mer­hin hab ich nicht ‚Fuck‘ ge­ru­fen.“ Am Ende ge­wann ich mit 52 zu 59 Schlä­gen ge­gen mei­ne Mut­ter. An­schlie­ßend fuh­ren wir zu­rück in un­se­re Fe­ri­en­woh­nung wo wir Rom­mé spiel­ten, Als­ter tran­ken und Me­lo­ne mit Schin­ken aßen.

Letz­ter Tag

Den nächs­ten Tag ver­brach­ten wir am See. Ich trug seit Ewig­kei­ten mal wie­der ei­nen Bi­ki­ni und ach­te­te dar­auf, mich re­gel­mä­ßig ein­zu­cre­men und im Schat­ten zu blei­ben. Wäh­rend mei­ne Mut­ter in ei­nen tie­fen Mit­tags­schlaf ab­tauch­te, las ich Herr der Rin­ge. Ich habe zwar mit 13/14/15 Jah­ren die Fil­me im Kino ge­se­hen, konn­te mich aber nie wirk­lich für die Ge­schich­te be­geis­tern, was be­stimmt auch dar­an lag, dass ich in den Jah­ren zwi­schen den Fil­men die Sto­ry wie­der ver­ges­sen hat­te und ein­fach viel zu viel pas­sier­te. Da es sich aber um ein wirk­lich gro­ßes Werk der Li­te­ra­tur­ge­schich­te han­delt (es ist ei­nes der er­folg­reichs­ten Bü­cher des 20. Jahr­hun­derts und gilt als grund­le­gen­des Werk für die mo­der­ne Fan­ta­sy-Li­te­ra­tur) und ich un­gern et­was be­ur­tei­le, was ich nicht ge­le­sen habe, kauf­te ich mir vor dem Ur­laub die knall­grü­nen Bü­cher mit der deut­schen Über­set­zung von Wolf­gang Kre­ge. Bis­her liest es sich sehr gut! Wenn ich mit al­len drei Bän­den durch bin, ma­chen Jan, Anna, Kim­bo und ich ei­nen Herr der Rin­ge-Film­ma­ra­thon (kein Ding, der dau­ert nur 535 Mi­nu­ten bzw. 8 Stun­den und 55 Minuten).

Ge­der­ner Schloss

Nach­dem wir ge­nug ent­spannt und im Re­stau­rant ge­ges­sen hat­ten (s.o.), mach­ten wir noch ei­nen Ab­ste­cher zum Ge­der­ner Schloss. Im Licht der Abend­son­ne leuch­te­te die gel­be Fas­sa­de wun­der­schön. An den zum Schloss ge­hö­ren­den Ge­bäu­den wa­ren durch­sich­ti­ge Text­ta­feln an­ge­bracht, wel­che an­schei­nend vom Ro­ta­ry Club Nid­da ge­stif­tet wor­den wa­ren. Als Schrift­art hat­te man Co­mic Sans MS ge­wählt. Hal­tet mich für spie­ßig, aber ich fin­de wirk­lich, dass die­se Schrift nichts auf se­riö­sen Er­klär­ta­feln zu su­chen hat, son­dern sich mit ih­rem ver­spiel­ten und hand­schrift­li­chen Cha­rak­ter doch eher für die Be­schrif­tung von Kin­der­ge­burts­tags­ein­la­dungs­kar­ten eig­net. Aaa­aber, ich will hier gar nicht so ne­ga­tiv sein. Na­tür­lich ist es je­dem Schloss selbst über­las­sen, wie es sei­ne Text­ta­feln ge­stal­ten möchte.

Mul­mi­ge Erinnerungen

Als wir schließ­lich wie­der in un­se­rer Woh­nung an­ka­men, sa­ßen wir noch ei­ni­ge Zeit im Wohn­zim­mer auf dem Sofa, sa­hen fern und guck­ten uns die Bil­der auf mei­nem Ta­blet an, die ich wäh­rend mei­nes Kran­ken­haus­auf­ent­halts ge­macht hat­te. In den Wo­chen nach mei­ner Ent­las­sung war ich über­haupt nicht in der Lage, mir die­se Fo­tos an­zu­se­hen, weil mir im­mer gleich schlecht wur­de bei der Er­in­ne­rung an die­se Zeit. Auch jetzt noch ist es selt­sam, sich die Bil­der an­zu­se­hen und ir­gend­wie kommt mir al­les to­tal un­wirk­lich vor. Ist das al­les vor ei­nem hal­ben Jahr tat­säch­lich pas­siert? Viel­leicht hät­te ich das mit dem An­gu­cken der Bil­der lie­ber las­sen sol­len, denn es zog die Stim­mung schon ziem­lich run­ter. Mei­ne Mut­ter kam nicht um­hin, ein paar Trä­nen zu ver­drü­cken, weil es na­tür­lich auch für sie und den Rest mei­ner Fa­mi­lie sehr hart ge­we­sen ist, mich in die­ser schlimms­ten Pha­se mei­nes Le­bens al­lein las­sen zu müs­sen. Ich selbst fand es aber auch auf­bau­end zu se­hen, was ich seit der Trans­plan­ta­ti­on ge­schafft habe. Die Ärz­te sag­ten mir bei der Ent­las­sung: „Wahr­schein­lich wer­den Sie im nächs­ten hal­ben Jahr noch­mal für ein paar Wo­chen we­gen ei­ner In­fek­ti­on oder ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung her­kom­men müs­sen. Das ist bei fast je­dem so.“ Zum Glück hat­ten sie Un­recht und ich zäh­le zu den we­ni­gen Pa­ti­en­ten, die das ers­te hal­be Jahr ohne Kom­pli­ka­tio­nen über­stan­den ha­ben. Ob­wohl ich es selbst nicht mit­be­kam und mich auch nicht dar­an er­in­ner­te, was ich ge­träumt hat­te, sag­te mir mei­ne Mut­ter am nächs­ten Mor­gen, dass ich in der Nacht plötz­lich um mich ge­schla­gen und ge­schrien hät­te. Even­tu­ell ha­ben die Fo­tos doch ei­ni­ge ne­ga­ti­ve Er­in­ne­run­gen in mir wach­ge­ru­fen, die ich noch nicht ganz ver­ar­bei­tet habe.

Rück­fahrt

Am nächs­ten Tag fuh­ren wir wie­der Rich­tung Hei­mat. Al­ler­dings leg­ten wir noch ei­nen Zwi­schen­stopp in Mar­burg ein. Dort gibt es näm­lich ei­nen bo­ta­ni­schen Gar­ten mit ziem­lich vie­len Schau­ge­wächs­häu­sern. Als Kind war das Tro­pen­haus in Plan­ten und Bloom mein ab­so­lu­ter Lieb­lings­ort. Ich lie­be Tro­pen­häu­ser! Frü­her woll­te ich un­be­dingt mal in den Re­gen­wald und hab des­halb alle Zim­mer­pflan­zen auf den Bo­den ge­stellt und mich da­zwi­schen­ge­legt, um die­ses Ge­fühl zu be­kom­men, von grü­nen Pflan­zen um­ge­ben zu sein. In Kom­bi­na­ti­on mit kind­li­cher Vor­stel­lungs­kraft war das ganz okay, kam aber na­tür­lich we­der an ei­nen ech­ten Ur­wald noch an ein Tro­pen­haus her­an. Wäh­rend wir also ein Ge­wächs­haus nach dem an­de­ren durch­fors­te­ten merk­te ich, dass ich in­zwi­schen voll er­wach­sen ge­wor­den bin, denn ich las mir ei­ni­ge der Text­ta­feln durch! Ich war wirk­lich froh, dass wir die­sen Ab­ste­cher un­ter­nom­men hat­ten und konn­te mich nur schwer von dem Ort tren­nen. Le­dig­lich die FFP2-Mas­ke half mir da­bei, die Ge­wächs­häu­ser schließ­lich zu ver­las­sen, denn in Kom­bi­na­ti­on mit der schwü­len Hit­ze im In­nern wur­de mir lang­sam ernst­haft schwin­de­lig. Als wir schließ­lich mit dem Auto vom Park­platz fuh­ren, war es be­reits nach 14Uhr.

Ziem­lich ko von der lan­gen Fahrt ka­men wir am spä­ten Abend in Win­sen an. Ich setz­te mei­ne Mut­ter ab (die be­reits sehn­süch­tig von ih­rem Ka­ter er­war­tet wur­de), um­arm­te mei­nen Va­ter und fuhr dann nach Hau­se. Jan brach­te mir mei­ne Bett­de­cke aufs Sofa und ku­schel­te sich ne­ben mich. Es war wirk­lich schön in Hes­sen, aber bei mei­nem nächs­ten Ur­laub soll Jan bit­te wie­der da­bei sein.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Susanne Brüggemann

    Lie­be Nele,
    ich habe den Ur­laub mit Dir sehr ge­nos­sen. Dan­ke, dass Du mich be­glei­tet hast.
    Wenn Du kei­ne Kom­men­ta­re be­kommst, liegt es viel­leicht dar­an, dass die Leu­te sich nicht mehr trau­en Dir et­was schrift­lich zu hin­ter­las­sen, Frau Deutschlehrerin😘
    Al­les Liebe
    Mama

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