Am Montag, den 19.07., fuhr ich mit meiner Mutter nach Hessen. Sie sollte dort für eine Kinder-Fernsehsendung eine Art Interview führen. Worum es genau ging, kann ich erst in ein paar Monaten erzählen, wenn alles fertig ist und ausgestrahlt wird. Jedenfalls wollte ich meine Mutter nicht allein fahren lassen, da es immerhin 5 Stunden Fahrt waren und sie sich zu alledem auch noch den Knöchel verknackst hatte. Abgesehen davon hatte ich ja eh nichts Besseres zu tun und fand es ganz schön, mal rauszukommen.
Ferienwohnung
Bei schönstem Sonnenschein kamen wir am frühen Montagnachmittag in dem kleinen Ort Gedern an. Als erste Gäste überhaupt durften wir eine wirklich schöne und komplett neu renovierte Ferienwohnung beziehen. Alles war supersauber (was für mich zurzeit ja noch extrem wichtig ist), geschmackvoll eingerichtet und bestens ausgestattet. Wir hatten sogar einen kleinen Gartenplatz mit Sonnenschirm, Tisch und Stühlen, sodass wir total entspannt in der Morgensonne frühstücken konnten. Wir fühlten uns sofort wie im Urlaub. Begrüßt wurden wir von der Vermieterin und ihrer zuckersüßen zweijährigen Enkeltochter Isabella, die mit ihren Eltern in dem Haus wohnt, in dessen Erdgeschoss sich die Ferienwohnung befindet.
Hessen
Obwohl Hessen unser Nachbarbundesland ist, kam ich mir teilweise wie im Ausland vor. Die Straßen sind irgendwie viel schmaler als bei uns, die Häuserfronten häufig nicht an ihnen ausgerichtet und die Gehwege dadurch an einigen Stellen plötzlich so schmal, dass man auf die Straße ausweichen muss, um nicht gegen eine Häuserecke zu laufen. Im Gegensatz zu Norddeutschland findet man in dieser Gegend kaum geklinkerte Fassaden, stattdessen sieht man verputzte und gekachelte Häuserfronten in allen möglichen Farben. Die Ortschaften im Umkreis haben teils ziemlich witzige Namen wie z.B. Busenborn, Burkhards, Merkenfritz und Auf der Lücke. Ja, ich weiß, wenn man mal genauer hinschaut, sind unsere Nachbardörfer hier in Niedersachsen auch nicht besser (Beispiel: Horst).
Mal wieder nicht so schlau von mir
Als ich nach der ersten Nacht unseres Kurzurlaubs meine allmorgendlichen Tabletten nehmen wollte, fiel mir auf, dass ich beim Packen richtig dumm gewesen bin. Fälschlicherweise hatte ich pro Tag zwei Prograf-Pillen (mein Immunsuppressivum und damit wichtigstes Medikament) eingepackt, dabei nehme ich morgens und abends JEWEILS zwei Kapseln. Ich hätte ja auch einfach sicherheitshalber eine Zusatzpackung mitnehmen können…hab ich aber nicht, weil mein Gehirn anscheinend mal wieder versagt hatte. Ich verfügte also nur über die Hälfte der benötigten Immunsuppressiva und suchte daher per Google Maps nach einer nahegelegenen Apotheke. Anschließend rief ich in der KMT-Ambulanz an. Als ich darum bat, das Rezept bitte an die Hirsch Apotheke in Hirzenhain zu schicken, bekam ich zur Antwort: „Oha! Wo sind Sie denn da gelandet?“ Als ich am nächsten Tag in der Apotheke ankam, war ich total erstaunt, dass mein Rezept bereits per Post angekommen war. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, einen frankierten Briefumschlag mit meiner Adresse zu hinterlegen, da ich das abgestempelte Rezept ja dringend für meine Abrechnung brauche. Deutsche Post, du hast mich endlich mal positiv überrascht! Da die Apotheke das Produkt eines günstigeren Herstellers geordert hatte, bezahlte ich statt der gewohnten 499,74€ „nur“ knapp 300€. Jetzt wo ich das schreibe, frage ich mich, wo ich das Rezept eigentlich gelassen habe. Sollte ich es verloren haben, war das trotz des günstigeren Produkts ein teurer Spaß (Keine Panik, Mama! Ich finde es bestimmt noch irgendwo…).
Bügelhinweise
Da die Glattheit einiger Kleider beim Transport ziemlich gelitten hatte, freuten wir uns, dass zur Ausstattung der Ferienwohnung auch ein nagelneues Bügeleisen gehörte. Meine Mutter (ohne Lesebrille inzwischen hilflos) bat mich, in der Gebrauchsanleitung nachzusehen, ob man vor dem ersten Gebrauch etwas Bestimmtes beachten müsse. Ich glaube, kaum einer von euch hat sich schon mal die Anleitung für ein stinknormales Bügeleisen durchgelesen, denn normalerweise hätte ich das auch nicht getan….aber es lohnt sich! Im Folgenden möchte ich die schönsten Passagen für euch zitieren:
„ACHTUNG: Heiße Oberfläche – Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Oberflächen während des Gebrauchs heiß werden.“ <—Wenn das nicht der Fall wäre, würde das ganze Gerät keinen Sinn ergeben.
„Achtung! – Tauchen Sie das Gerät niemals in Wasser!“ <—Das ist ein Hinweis, der glaube ich bei allen Geräten mit Stecker berücksichtigt werden sollte (jaja, ich weiß, dass ich das Waffeleisen mal unter den Wasserhahn gehalten habe, weil die Reinigung so ätzend nervig war). Aber warum sollte man ein Bügeleisen in Wasser tauchen? Vielleicht, um es abzukühlen? Ich glaube, die Hersteller gehen von sehr dummen Benutzern aus.
Jetzt kommt meine Lieblingsstelle: „Kinder ab 8 Jahren dürfen das Gerät nur unter Aufsicht reinigen oder das Calc-Clean-Verfahren durchführen.“ Welche Eltern beauftragen denn ihren 8‑Jährigen mit dem Entkalken des Bügeleisens? Und woher kommt diese genaue Altersangabe? Haben die von Philipps Studien durchgeführt, in denen getestet wurde, ab welchem Alter Kinder bügeln und entkalken können sollten? Ich muss ehrlich gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben ein Dampfbügeleisen entkalkt habe. Unser letztes Exemplar fing eines Tages plötzlich an zu brennen, da das Kabel beschädigt war und wir es nicht bemerkt (bzw. einfach ignoriert) hatten. In dem Fall wäre es tatsächlich ratsam gewesen, auf die Bedienungsanleitung zu hören: „Benutzen Sie das Gerät nicht, wenn der Netzstecker, das Netzkabel oder das Gerät selbst beschädigt ist“.
Optisch irritiert mich übrigens, dass es vier verschiedene Achtung-Überschriften-Varianten gibt:
- Achtung! <— mit Ausrufezeichen
- Achtung <— ohne Ausrufezeichen
- ACHTUNG: <— Majuskelschrift und Doppelpunkt
- Vorsicht <— Heißt ja eigentlich auch nichts anderes als „Achtung“. Ich finde, sie hätten stattdessen nochmal „Achtung“, diesmal in Kursivschrift, verwenden sollen. Das wäre dann zumindest in irgendeiner Art konsequent gewesen.
HINWEIS: Falls du keine Lust hast, dir durchzulesen, wie ich mich über Rechtschreibung und die Verhunzung der deutschen Sprache aufrege, solltest du den folgenden Absatz besser überspringen.
Wo ist das ß???
Immerhin wurde in der Bügeleisenanleitung das ß (mein Lieblingsbuchstabe) dort verwendet wo es hingehört. Ganz im Gegensatz zu allen anderen Texten auf Schildern, Speisekarten, Flyern etc. hier in Hessen. Ich versteh das nicht! Schreibweisen wie „gross“, „Sosse“, „aussen“, „Fuss“, „schliessen“, „weiss“, „geniessen“ und „Strasse“ sind schlichtweg falsch. Die deutsche Rechtschreibung lässt da keinen Entscheidungsfreiraum und das ist auch gut so, denn die Schreibweise zeigt dem Leser, wie er ein Wort auszusprechen hat. „Stras-se“ muss anders ausgesprochen werden als „Stra-ße“. Nach einem langen Vokal oder einem Diphthong (Doppellaute wie au, eu, ei, ie) steht niemals ein „ss“! Es mag sein, dass sich die Orthografie in zehn Jahren an die Dummheit der Menschen angepasst haben wird und man dann auch ganz legitim ss statt ß verwenden darf, aber das wäre meiner Meinung nach echt schade, weil wir unsere Sprache eines sehr sinnvollen Buchstabens berauben würden. Die Schweizer verwenden in ihrer seltsamen Variante der deutschen Sprache übrigens gar kein ß. Aber die können auch kein <ç> wie in „Milch“ aussprechen, sondern sagen immer wie in „Buch“, was offensichtlich ziemlich scheiße klingt. (Wen es interessiert und wer es noch nicht wusste: Nach a, o, u, au spricht man „ch“ als aus, nach ä, ö, ü, e, i sowie nach Konsonanten spricht man es <ç> aus. Das ist echt nicht schwer und ich würde den Schweizern empfehlen, diese Unterscheidung (ebenso wie das ß) auch in ihre Sprache zu übernehmen. Klingt einfach besser!) Beim Tippen ist mir übrigens aufgefallen, dass die Apple-Textkorrektur die oben genannten und absichtlich falsch geschriebenen Wörter weder rot unterstreicht noch korrigiert. Bestimmt wegen der Schweizer (und Liechtensteiner). Abschließend (mit ß!) möchte ich zu diesem Thema anmerken, dass es seit dem 29. Juni 2017 auch das große (mit ß!) ß gibt. Da es aber in vielen Schriften nicht existiert, kann ich bei großgeschriebenen Wörtern ein „SS“ akzeptieren.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich so ein Rechtschreib-Nazi bin und finde z.B. von Hand komplett falsch geschriebene Menütafeln vor italienischen Restaurants auch manchmal ganz süß (mit ß). Was mich aber aufregt ist, wenn sich Unternehmen, Geschäfte, Restaurants usw. große Werbebanner, Autos, Speisekarten und Verpackungen bedrucken lassen und dabei komplett auf die korrekte Schreibweise scheißen (mit ß!). Wie soll ich denn den Kindern in der Grundschule beibringen, wann ein ß geschrieben werden muss, wenn sie in ihrem alltäglichen Leben ständig die falsche Schreibweise präsentiert bekommen? Und wo ich gerade dabei bin, möchte ich auch meinen Unmut darüber äußern (mit ß!), dass immer mehr Firmen, Unternehmen, Vereine, Werbetexter etc. auf die Großschreibung von Nomen (Namenwörtern) verzichten. Mein Gott, Leute! Das hat doch alles einen Sinn! Wenn ich einen deutschen Satz grob überfliege, sehe ich anhand der großgeschriebenen Nomen als Leser sofort, worum es geht und kann mich im Text viel besser orientieren. Im Englischen und Französischen ist das beispielsweise viel schwieriger. „Rechtschreibung ist Höflichkeit dem Leser gegenüber.“ <— Diesen Satz sollte man sich immer vor Augen halten, denn meistens schreibt man etwas auf, damit ein anderer es liest. Gerade Vereine wie der Landesjugendring Niedersachsen (der sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigt) sollten sich daran halten und nicht aus falsch verstandener Coolness ihre Namen und die Namen ihrer Kampagnen komplett kleinschreiben. Beispiele: „korrespondenz – informations- und kommunikationsorgan des landesjugendring niedersachsen e.v.“, „360°jugend“. Was soll sowas?!
Aber der Landesjugendring scheint es mit der Rechtschreibung eh nicht so genau zu nehmen, denn eine weitere Eigenart der deutschen Sprache ist es, dass innerhalb eines Wortes kein Großbuchstabe stehen darf (außer bei der Majuskelschrift, die ja komplett aus Großbuchstaben besteht). Der ljr pfeift auch auf diese Regel und nennt beispielsweise sein Corona-Förderprojekt (Welches ich total gut finde und unterstütze!) „LernRäume“. Dabei ist Lernräume ein zusammengesetztes Nomen, welches ohne Bindestrich, ohne Lücke und vor allem ohne falschen Großbuchstaben innerhalb des Wortes auskommt. Aber da es grafisch ansprechender aussieht, wird auf die Rechtschreibung geschissen. Auch die Art und Weise mit einem großen I zu gendern ist aufgrund der letztgenannten Regel falsch: z.B. LehrerInnen, SchülerInnen, BürgerInnen. Um trotzdem die männliche und die weibliche Form in ein Wort zu packen, gibt es seit jeher den guten alten Schrägstrich: Lehrer/-innen, Schüler/-innen, Bürger/-innen. (Natürlich kann man ihn aber nur setzen, wenn das Wort vor dem Schrägstrich grammatikalisch richtig dekliniert ist.) Da wir diesen Schrägstrich haben, frage ich mich, weshalb plötzlich überall dieses hässliche Sternchen steht? Versteht mich nicht falsch, ich bin total für Gleichberechtigung und eine gendersensible Ausdrucksweise, aber ich bin auch strikt gegen eine Verhunzung unserer Sprache. Einige Texte enthalten heutzutage so viele seltsam gesetzte Sternchen, dass man kaum noch von einem ordentlichen Lesefluss sprechen kann. Gibt es bereits einheitliche Regeln für die Sternchenverwendung?
Was ich überhaupt nicht unterstützen kann, ist dieser seltsame Trend, das Gendersternchen auch ausgesprochen zu verwenden wie z.B. bei Bürger-innen. Das Wort Bürgerinnen wird folgendermaßen getrennt: Bür-ge-rin-nen! Alles andere (und am besten noch mit so einer bekloppten Pause) klingt und ist einfach falsch! Dann sagt halt Bürgerinnen und Bürger! Und bevor mir jetzt jemand sagt, dass es ja auch Menschen gibt, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen können: Die Häufigkeit eines uneindeutigen Genitales bei der Geburt wird auf etwa 1:4500 bis 5500 geschätzt, andere schätzen die Zahl der intergeschlechtlichen Personen in Deutschland auf etwa 0,2% der Bevölkerung. Doch der Großteil dieser 0,2 Prozent ordnet sich selbst einem der beiden Geschlechter zu. Dies ergab z.B. die Studie eines europäischen Forscherkonsortiums, welche sich mit 1040 Personen mit einem intersexuellen Syndrom befasste. Lediglich 12 Probanden (1,15%) bezeichneten sich selbst als intersexuell bzw. divers, alle anderen (mit 98,85% die übergroße Mehrheit) nicht. Wenn man diesen Anteil auf die vermuteten 0,2% anrechnen würde, käme man zu dem Ergebnis, dass sich 0,0023% der hierzulande lebenden Menschen als divers einordnen. Auf ganz Deutschland gerechnet wären das 1.909 Personen, für die jetzt an vielen Orten diverse Toiletten eingerichtet und für die alle Stellenausschreibungen in m/w/d umgeändert werden mussten. Das ist doch alles nicht verhältnismäßig! Jeder Mensch sollte sich (sexuell) so definieren dürfen, wie er sich selbst fühlt, aber ich glaube nicht, dass man mit Gendersternchen und falsch ausgesprochenen Wörtern für mehr Toleranz, Akzeptanz und Gleichberechtigung sorgt. (Anmerkung: Natürlich übernehme ich keinerlei Gewähr für die Richtigkeit meiner Zahlen und Angaben. Meine Berechnungen beruhen auf sehr wackeligen Vermutungen.)
Gemischte Küche
Die Restaurants und Geschäfte hier in Gedern legen sich nicht gerne fest.
Direkt am Gederner See (der ist sehr schön) liegt ein Restaurant, das deutsch-italienisch-indische Küche anbietet. Man bekommt dort beispielsweise Pfifferlingschnitzel, Rumpsteak, Calamari, Scampipfännchen, diverse Salate, Pizzen, Nudelgerichte, Rinder-Kraftbrühe, Murgh Sabzi und Lamm Curry, aber auch Cocktails, Kaffee und Kuchen sowie original indischen Tee. Normalerweise bin ich bei einer zu langen Speisekarte immer skeptisch, aber da uns das Restaurant von unseren Vermietern empfohlen wurde und der Inhaber Inder ist, haben wir nach einem entspannten Tag am See dort indisch gegessen. Es war wirklich lecker! Vor dem Hauptgericht wurde sogar ein großzügiger Salat gereicht, auf den ich allerdings verzichten musste. Solange ich noch unter Immunsuppression stehe, darf ich weiterhin nichts anrühren, was nicht geschält oder erhitzt worden ist. Da man nicht mit Karte zahlen konnte, was ich im Jahr 2021 immer ziemlich seltsam finde, war ich froh, dass meine Mutter Bargeld dabei hatte. Ich selbst bin nämlich eigentlich nur noch bargeldlos unterwegs, da man (bei uns) seit Corona sogar beim Bäcker mit Karte zahlen kann.Durch Gedern führt eine Hauptstraße, an der auch die meisten Geschäfte liegen. Hier gibt es einen Uhren-Schmuck-Augenoptiker, eine Eisdiele, einen Friseur, eine Sparkasse und sehr viele leerstehende Gebäude. Außerdem gibt es das Istanbul Pizza Kebaphaus (Slogan: „…einmal essen nie vergessen“) und nur drei Häuser weiter die Pizzeria & Döneria Baran (Slogan: „Einmal essen – nie vergessen!“). Da dies die einzigen Restaurants auf diesem Straßenabschnitt sind, könnte man meinen, dass die Auswahl (Pizza und Döner/Kebap) nicht besonders groß sei. Das hat sich wahrscheinlich auch Baran gedacht und daher mit seinen Daueraktionstagen für Abwechslung gesorgt: Mittwoch ist Nudeltag und Donnerstag ist Schnitzeltag in der Döneria-Pizzeria! Außerdem gibt es ein TOP-Angebot für nur 24,99€ (Ja, auf dem großen Schild an der Hauswand steht zwar noch 19,99€, aber der Preis ist veraltetet und ein neues Schild einfach zu teuer!): 1x Pizza nach Wahl, 1x Schnitzel nach Wahl, 1x Nudeln nach Wahl, 1x gemischter Salat, 1x Wein oder Flasche Cola. Da kann man nun wirklich nicht meckern. Als ich vor dem Eingang auf meine Mutter wartete (wir haben uns am ersten Abend Pizza gekauft), kam eine alte Frau aus dem Laden, in den Händen eine große Tupperdose, bis obenhin vollgefüllt mit Pommes. Damit ist sie dann um die Ecke nach Hause getappert. Voll putzig und nachhaltig bezüglich Verpackungsmüll und so. Während ich wartete fiel mein Blick auch auf die gegenüberliegende Straßenseite, auf der sich ein äußerst merkwürdiges Geschäft befand, das in puncto „vielfältiges Angebot“ den Vogel abschoss. Neben Sparschweinen, Schultüten, Kinderspielzeug, Schulmaterialien und Kuscheltieren zeigte das Schaufenster eine große Auswahl schnurloser Telefone, einen Drucker, goldglänzende Buddha-Statuen in verschiedenen Größen, japanische Winkekatzen sowie diverse Schilder, die mir sagten, dass ich hier auch Werkzeuge bestellen (Westfalia Bestellshop), meine Pakete abholen/versenden (GLS Paketshop) und meine neuen Münz- und Briefmarkenalben (Leuchtturm) erwerben kann. Soweit – soviel, dachte ich mir, als ein gelbes Schild meine Aufmerksamkeit erregte: „Metzgerei-Artikel Gewürze-Därme-Zubehör“!!!! Ich lass das jetzt mal so stehen.
Hab eben gegoogelt, unter welcher Art Geschäft sich dieser Laden selbst einordnet und möchte euch die offizielle Info (laut Google Maps) zitieren: „Papierladen: Papier-Büro-Computer-Festartikel, Metzgereibedarf, Tischdecke, Kerzen, Schulartikel, Vakuumbeutel, Polybeutel, Geschenkartikel, Engel, Stofftiere, Kopier und Faxservice, Festnetztelefone, Mobilfunk, Imbissartikel, Hygiene Artikel“. (Da es sich um ein Zitat handelt, habe ich die Fehler dort gelassen wo sie sind.) Das nenn ich mal Auswahl! Da kann Real einpacken.
Der Edeka in Gedern verkauft übrigens auch Waschmaschinen.
Ausflug auf den Hoherodskopf
Meine Mutter und ich wollten einen Ausflug machen und uns die Gegend etwas genauer anschauen. Nachdem wir in Hirzenhain meine Medikamente abgeholt hatten (siehe oben) guckte ich auf der Karte, wo wir denn mal hinfahren könnten. Als erstes machten wir einen Abstecher zur Burg Lißberg, die heutzutage noch aus einem runden Turm und ein paar Überresten der Burgmauer besteht. Ab und zu finden dort bestimmt schöne Zeltlager und Veranstaltungen statt, das Ambiente ist dafür ideal und es gibt genügend versteckte Ecken, in denen sich die „jungen Menschen“ zum Knutschen treffen können. Wir waren ganz allein und genossen den Blick über die Landschaft. Anschließend fuhren wir weiter. Als die zwei besten Optionen stellten sich schnell der Vogelpark Schotten sowie der Baumkronenpfad auf dem Hoherodskopf heraus. Beim Lesen des Vogelpark-Flyers entschied ich mich ziemlich schnell für die andere Option, denn der Vogelpark warb mit „beeindruckenden Stachelschweinen, quirligen Nasenbären, stolzen Lamas und spannenden Luchsen“. Erstens sind das alles keine Vögel und zweitens sind das zu viele dubiose Adjektive. (Jan wies mich darauf hin, dass es doch irgendwie klar sei, dass sich ein Vogelpark in dieser Gegend nicht nur auf Vögel beschränken würde, sondern selbstverständlich mit einem vielfältigen Angebot aufwartet.)
Der Vogelsberg ist das größte Vulkangebiet Mitteleuropas. Dass es hier einst feurig und heiß zuging, sieht man der Gegend mit ihren bewaldeten Bergen und blühenden Tälern heutzutage nicht mehr an. Zu den beliebtesten Ausflugszielen gehört der Hoherodskopf auf 764 Metern Höhe. Er ist der zweithöchste Gipfel im Mittelgebirge Vogelsberg. Am 13. Juni 2012 eröffnete hier der erste schwebende Baumkronenpfad mit Hängebrücken zwischen den Bäumen. „Diese einzigartige Konstruktion verspricht noch spektakulärere Wald- und Wandererlebnisgefühle als man sie von anderen Baumkronenpfaden kennt.“ (Zitat aus dem Pressetext) Dieses Gefühlserlebnis wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen!
Parkticket
Als wir auf dem Parkplatz ankamen, musste meine Mutter aber erstmal aufs Klo. Ich wollte mich währenddessen um ein Parkticket kümmern. Da ich wieder mal kein Bargeld dabei hatte und der Automat leider keine Kartenzahlung akzeptierte, musste ich mich bei der PARK NOW-App anmelden. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Registrierung endlich abgeschlossen war. Während ich in der prallen Sonne neben dem Automaten stand und in mein Handy tippte, sprach mich die Frau an, welche ihr Auto neben meinem geparkt hatte und informierte mich darüber, dass sich der Kontrolleur gerade mein Kennzeichen aufgeschrieben habe. Alter. Wehe ich bekomme einen Strafzettel! Zeitgleich zeigte mir die App an, dass ich pro Parkvorgang 0,29€ Gebühren zu zahlen hätte. Das sah ich schon aus Prinzip nicht ein! Daher beschloss ich, auf meine Mutter und ihr Bargeld zu warten.
WC-Schild-Chaos
Wo war sie eigentlich?! Es waren bestimmt 25 Minuten vergangen, als ich sie endlich über den Parkplatz kommen sah. Ihrem Gesichtsausdruck zu entnehmen war sie ziemlich genervt. Der Grund hierfür war, dass das aufgestellte WC-Schild in die komplett falsche Richtung wies, weshalb meine Mutter zunächst einen größeren Hügel hinunter gelotst wurde, um dort auf einem Schild zu lesen, dass sich die Toiletten inzwischen an einem anderen Ort oberhalb des Hügels befinden. Dort angekommen fand sie eine Schlange mehrerer verzweifelter Frauen vor, die (mit voller Blase) den selben Weg hinter sich gebracht hatten und nun vor den zwei geöffneten Kabinen warten mussten. Theoretisch hätte es fünf Kabinen gegeben, die übrigen drei waren aber aus Infektionsschutzgründen abgeschlossen. Eigentlich waren diese einschränkenden Maßnahmen vor einiger Zeit aufgehoben worden, aber anscheinend war vergessen worden, die Türen wieder zu öffnen. Nachdem meine Mutter ein Parkticket gelöst hatte, gingen wir zunächst in das Info-Gebäude, wo wir auf das WC-Schild-Chaos hinwiesen. Unser Anliegen wurde sehr freundlich entgegengenommen und als wir später zu unserem Auto zurückkehrten, war das falsche WC-Schild tatsächlich entfernt worden. Ich hoffe, dass wir dadurch einigen Menschen mit Blasendruck behilflich sein konnten.
Der Baumkronenpfad
Nun ging es endlich zum Baumkronenpfad! Auf einem großen Schild am Eingang stand „Keine Kartenzahlung möglich“. Warum das denn schon wieder nicht?! Der Eintritt betrug für einen Erwachsenen 8,50€, für Kinder 4,50€. Man konnte aber auch Kombitickets (inklusive Minigolf und Erlebnispfad) für 34,40€ bzw. 25,40€ kaufen. Das bedeutet, dass eine Familie mit zwei Kindern zwischen 26€ und 119,60€ zahlen muss. Wer hat denn heutzutage noch so viel Geld bei sich? Auf der Internetseite steht übrigens nicht, dass man nur barzahlen kann und auf dem Gelände befand sich auch kein Geldautomat. In unseren Gefilden ist es ja eher andersherum. Neulich habe ich z.B. ein Paket bei Amazon bestellt und es zu meinen Eltern liefern lassen. Als die Paketboten bei meinem Vater klingelten und sagten, er müsse noch 1,70€ Zoll nachzahlen, wollte er ihnen das Geld geben. Sie verweigerten aber die Annahme, weil sie aufgrund von Corona derzeit kein Geld annehmen dürfen und fuhren mit meinem Paket wieder weg! Mein Vater rief mich komplett verwirrt an und meinte, die Welt sei verrückt geworden.
Jedenfalls betraten wir nach unserer Barzahlung den Eingang zum Baumkronenpfad und wurden sogleich von zwei weißgehörnten Heidschnucken begrüßt, die auf dem Gelände frei herumlaufen. Der Weg durch die Baumwipfel war sehr schön und eventuell bin ich manchmal absichtlich etwas zu schwungvoll über die Hängebrücken spaziert, was meiner (von dezenter Höhenangst geplagten) Mutter eventuell nicht sooo gut gefallen hat. An einer Stelle am Rande des Waldes befand sich ein Aussichtspunkt, von dem aus man die Skyline von Frankfurt sehen konnte. Außerdem konnte man von dort aus auch ein Kamerateam beobachten, welches gerade dabei war, ein Interview mit einem Typen vor dem schönen Ausblick zu filmen. Auch im Info-Gebäude und auf dem Minigolfplatz hatten wir bereits Männer mit Kameras gesehen. Anscheinend drehten die einen Werbefilm über den Hoherodskopf und seine krassen Erlebnisangebote (spektakuläre Wald- und Wandererlebnisgefühle). Falls die Autoren/Autorinnen (NICHT: Autor*innen oder AutorInnen!) des Werbefilms noch eine Google-Bewertung mit einfließen lassen möchten, würde ich ihnen den irritierenden Beitrag von Volkmar empfehlen: „Im Sommer und Winter ein wunderbares Ziel. Für Sportler oder Gehbehinderte ist alles spannend!“
Schöne Aussicht
Nach der Baumkronenwanderung gönnte sich meine Mutter im Café neben dem Eingang erstmal ein Eis mit Erdbeeren. Da ich noch keine Beeren essen darf und auch das Gebäck in der Auslage nicht meinen Hygienevorschriften entsprach, verzichtete ich zunächst aufs Essen und holte mir im Anschluss am Imbiss „Zur schönen Aussicht“ eine Portion Pommes, die ich zusammen mit einem Alster und bestem Blick aufs Tal genoss. „Leider“ schien die Sonne ziemlich intensiv und da ich meine Haut nicht der UV-Strahlung aussetzen wollte, ließ ich meinen Pullover möglichst lange an. Als ich dann aber auch noch eine meiner Hitzewallungen bekam, zog ich ihn schließlich doch aus. Trotz Lichtschutzfaktor 50 fühlte ich mich sehr unwohl in der Sonne und schon bald fingen auch meine Arme an zu jucken. (Inzwischen habe ich festgestellt, dass das Jucken im Zusammenhang mit den Hitzewallungen auftritt, weshalb es wahrscheinlich nicht am Sonnenlicht lag.) Vorsichtshalber verließen wir das sonnige Plätzchen und machten uns auf den Weg zum Minigolfplatz, der erst vor Kurzem eröffnet wurde.
Minigolf
Die Anlage war wirklich schön und ganz anders als gewohnt. Wir hatten sehr viel Spaß und niemand verletzte sich (Als ich 8 war, hab ich mir mal beim Minigolf den Arm gebrochen). Zum Glück waren auch die Familien vor und hinter uns sehr entspannt und witzig. Niemand nahm es mir übel, dass ich bereits beim zweiten Schlag laut „FUCK!“ rief. Das ist mir natürlich nur reflexartig rausgerutscht. Danach achtete ich besser auf meine Ausdrucksweise. Als ich am Ende dem Familienvater vor uns sagte, dass niemand ihm seinen Sieg gönne, weil er immer so gehässig über die Fehlschläge der anderen gelacht habe, sagte er: „Naja, immerhin hab ich nicht ‚Fuck‘ gerufen.“ Am Ende gewann ich mit 52 zu 59 Schlägen gegen meine Mutter. Anschließend fuhren wir zurück in unsere Ferienwohnung wo wir Rommé spielten, Alster tranken und Melone mit Schinken aßen.
Letzter Tag
Den nächsten Tag verbrachten wir am See. Ich trug seit Ewigkeiten mal wieder einen Bikini und achtete darauf, mich regelmäßig einzucremen und im Schatten zu bleiben. Während meine Mutter in einen tiefen Mittagsschlaf abtauchte, las ich Herr der Ringe. Ich habe zwar mit 13/14/15 Jahren die Filme im Kino gesehen, konnte mich aber nie wirklich für die Geschichte begeistern, was bestimmt auch daran lag, dass ich in den Jahren zwischen den Filmen die Story wieder vergessen hatte und einfach viel zu viel passierte. Da es sich aber um ein wirklich großes Werk der Literaturgeschichte handelt (es ist eines der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts und gilt als grundlegendes Werk für die moderne Fantasy-Literatur) und ich ungern etwas beurteile, was ich nicht gelesen habe, kaufte ich mir vor dem Urlaub die knallgrünen Bücher mit der deutschen Übersetzung von Wolfgang Krege. Bisher liest es sich sehr gut! Wenn ich mit allen drei Bänden durch bin, machen Jan, Anna, Kimbo und ich einen Herr der Ringe-Filmmarathon (kein Ding, der dauert nur 535 Minuten bzw. 8 Stunden und 55 Minuten).
Gederner Schloss
Nachdem wir genug entspannt und im Restaurant gegessen hatten (s.o.), machten wir noch einen Abstecher zum Gederner Schloss. Im Licht der Abendsonne leuchtete die gelbe Fassade wunderschön. An den zum Schloss gehörenden Gebäuden waren durchsichtige Texttafeln angebracht, welche anscheinend vom Rotary Club Nidda gestiftet worden waren. Als Schriftart hatte man Comic Sans MS gewählt. Haltet mich für spießig, aber ich finde wirklich, dass diese Schrift nichts auf seriösen Erklärtafeln zu suchen hat, sondern sich mit ihrem verspielten und handschriftlichen Charakter doch eher für die Beschriftung von Kindergeburtstagseinladungskarten eignet. Aaaaber, ich will hier gar nicht so negativ sein. Natürlich ist es jedem Schloss selbst überlassen, wie es seine Texttafeln gestalten möchte.
Mulmige Erinnerungen
Als wir schließlich wieder in unserer Wohnung ankamen, saßen wir noch einige Zeit im Wohnzimmer auf dem Sofa, sahen fern und guckten uns die Bilder auf meinem Tablet an, die ich während meines Krankenhausaufenthalts gemacht hatte. In den Wochen nach meiner Entlassung war ich überhaupt nicht in der Lage, mir diese Fotos anzusehen, weil mir immer gleich schlecht wurde bei der Erinnerung an diese Zeit. Auch jetzt noch ist es seltsam, sich die Bilder anzusehen und irgendwie kommt mir alles total unwirklich vor. Ist das alles vor einem halben Jahr tatsächlich passiert? Vielleicht hätte ich das mit dem Angucken der Bilder lieber lassen sollen, denn es zog die Stimmung schon ziemlich runter. Meine Mutter kam nicht umhin, ein paar Tränen zu verdrücken, weil es natürlich auch für sie und den Rest meiner Familie sehr hart gewesen ist, mich in dieser schlimmsten Phase meines Lebens allein lassen zu müssen. Ich selbst fand es aber auch aufbauend zu sehen, was ich seit der Transplantation geschafft habe. Die Ärzte sagten mir bei der Entlassung: „Wahrscheinlich werden Sie im nächsten halben Jahr nochmal für ein paar Wochen wegen einer Infektion oder einer Lungenentzündung herkommen müssen. Das ist bei fast jedem so.“ Zum Glück hatten sie Unrecht und ich zähle zu den wenigen Patienten, die das erste halbe Jahr ohne Komplikationen überstanden haben. Obwohl ich es selbst nicht mitbekam und mich auch nicht daran erinnerte, was ich geträumt hatte, sagte mir meine Mutter am nächsten Morgen, dass ich in der Nacht plötzlich um mich geschlagen und geschrien hätte. Eventuell haben die Fotos doch einige negative Erinnerungen in mir wachgerufen, die ich noch nicht ganz verarbeitet habe.
Rückfahrt
Am nächsten Tag fuhren wir wieder Richtung Heimat. Allerdings legten wir noch einen Zwischenstopp in Marburg ein. Dort gibt es nämlich einen botanischen Garten mit ziemlich vielen Schaugewächshäusern. Als Kind war das Tropenhaus in Planten und Bloom mein absoluter Lieblingsort. Ich liebe Tropenhäuser! Früher wollte ich unbedingt mal in den Regenwald und hab deshalb alle Zimmerpflanzen auf den Boden gestellt und mich dazwischengelegt, um dieses Gefühl zu bekommen, von grünen Pflanzen umgeben zu sein. In Kombination mit kindlicher Vorstellungskraft war das ganz okay, kam aber natürlich weder an einen echten Urwald noch an ein Tropenhaus heran. Während wir also ein Gewächshaus nach dem anderen durchforsteten merkte ich, dass ich inzwischen voll erwachsen geworden bin, denn ich las mir einige der Texttafeln durch! Ich war wirklich froh, dass wir diesen Abstecher unternommen hatten und konnte mich nur schwer von dem Ort trennen. Lediglich die FFP2-Maske half mir dabei, die Gewächshäuser schließlich zu verlassen, denn in Kombination mit der schwülen Hitze im Innern wurde mir langsam ernsthaft schwindelig. Als wir schließlich mit dem Auto vom Parkplatz fuhren, war es bereits nach 14Uhr.
Ziemlich ko von der langen Fahrt kamen wir am späten Abend in Winsen an. Ich setzte meine Mutter ab (die bereits sehnsüchtig von ihrem Kater erwartet wurde), umarmte meinen Vater und fuhr dann nach Hause. Jan brachte mir meine Bettdecke aufs Sofa und kuschelte sich neben mich. Es war wirklich schön in Hessen, aber bei meinem nächsten Urlaub soll Jan bitte wieder dabei sein.
Liebe Nele,
ich habe den Urlaub mit Dir sehr genossen. Danke, dass Du mich begleitet hast.
Wenn Du keine Kommentare bekommst, liegt es vielleicht daran, dass die Leute sich nicht mehr trauen Dir etwas schriftlich zu hinterlassen, Frau Deutschlehrerin😘
Alles Liebe
Mama