Mein Februar dieses Jahr war eigentlich ganz gut. Auf jeden Fall war er um EINIGES besser als der Februar 2021.
NDR
Nachdem ich am 3.2. meinen ersten Stammzellgeburtstag gefeiert hatte, fuhr ich mit Jan und meiner Mutter am 5.3. nach Hamburg zum NDR, um die Interviews für Abenteuer Diagnose aufzunehmen. Dadurch, dass dieser Termin auf einen Samstag fiel, war es auf dem Gelände angenehm leer, leise und entspannt. Jan kam als Erster in die Maske und wurde dann auch gleich zum Interview mitgenommen. Danach kam ich, dann meine Mutter. Zwischendurch bekamen wir Pizza. Außerdem wurden Fotos von uns geschossen, damit später die Schauspieler entsprechend ausgewählt werden können. Eigentlich sahen wir vor meiner SZT ja ganz anders aus als heute. Jan hatte noch Haare auf dem Kopf und war meist glattrasiert und ich hatte lange Haare. Da das für die Geschichte aber unerheblich ist und die Darsteller zu den Interviewten passen sollen, werden wir auch in der Vorgeschichte so dargestellt wie wir heute aussehen.
Die Interviews fanden in einem Raum mit Greenscreen statt. Ich setzte mich auf den davor stehenden Sessel, stellte meine Füße auf ein am Boden liegendes Tuch, das Geräusche verhindern sollte und guckte an der Kamera vorbei zum Redakteur, der die Fragen stellte. Außer ihm waren noch ein Kameramann und ein Tonmann im Raum. Es war eine angenehme Atmosphäre, die dazu führte, dass ich mal wieder viel zu viel redete und irgendwann auch total vergaß, dass ich bei alledem gefilmt wurde. Ganz ehrlich, ich hab jetzt schon total Schiss vor der Ausstrahlung. Aber ich vertraue dem Team von Abenteuer Diagnose, die werden schon was Gutes daraus machen. Sorry Volker, dass ich so viel gelabert habe!
TickTack
Am Abend des 5.2. wurde dann die TickTack-Folge mit der Zeitreise in die 50er Jahre im KiKa ausgestrahlt. Meine Mutter fand es furchtbar, sich von der Seite gefilmt zu sehen, aber ansonsten war sie zufrieden. Das Format ist echt gut anzusehen, informativ und für Kinder ansprechend gestaltet.
Nachricht von Mama
Zwei Tage später schaute ich mit meiner Mutter den Serienstart von „Nachricht von Mama“ auf Sat1. Letzten Sommer hatte ich hier einen Komparsenjob als Barkeeperin, als meine Haare gerade mal wenige Millimeter lang waren. Das war auch der Grund, weshalb ich mir die Serie überhaupt ansah und vor allem auch der einzige Grund, weshalb ich nicht nach der ersten Folge abschaltete. Ich mag das Haus, in dem gedreht wurde und der 4‑jährige Sohn ist sehr süß. Aber ansonsten warf die ganze Handlung viele Fragen auf. Manche schauspielerische Leistung war zudem einfach schlecht. Bei einer Darstellerin hatte man ganz besonders das Gefühl, im Theater zu sitzen. Auf der Bühne hätte mich die Art und Weise wie sie gesprochen hat weniger gestört, aber in dieser Serie wirkte es nur extrem aufgesetzt und gespielt. Am meisten störte mich aber die Story. Das Thema an sich finde ich (wie ich bereits letztes Jahr geschrieben habe) ziemlich interessant. Was geht in einem Menschen vor, der weiß, dass er gehen muss? Was hinterlässt man seinen Kindern, seinen Angehörigen und Freunden? Passenderweise sprach Tommi Schmitt kurz nach meinem Tagebucheintrag bei Gemischtes Hack über genau dieses Problem und über den Druck, der auf todkranken Eltern lastet. Er sagte, es gäbe eine Agentur, die sich auf Interviews für Hinterbliebene spezialisiert habe. Naja, jedenfalls geht es in der Serie darum, dass die Mutter Krebs hat, die Behandlung abbricht (wodurch ihr nahender Tod besiegelt ist) und für ihre Kinder und ihren Mann Nachrichten auf USB-Sticks hinterlässt. So weit so gut. Die Sticks hat sie alle in einen Koffer gepackt und beschriftet. Somit kann sie aber nicht sicher sein, dass ihre Nachrichten nicht alle sofort binge-watching-mäßig hintereinander weg angesehen werden. Ich hätte an ihrer Stelle alle Sticks in Umschläge gepackt und mit Öffnungsdaten versehen (z.B. „17.05.2022 – Geburtstag“, „10. Hochzeitstag“, „bestandene Abschlussprüfung“, „Führerschein“, „zum 18. Geburtstag“). Dann hätte ich alle Umschläge einer Freundin/einem Freund zur Aufbewahrung gegeben. Bei „P.S. Ich liebe dich“ funktioniert das sehr gut. Ob das im wahren Leben so gut klappen würde, weiß ich nicht, aber die Serie ist ja nicht das wahre Leben, sondern folgt einem Drehbuch, das einfach schlecht geschrieben wurde. Als sich die dreizehnjährige Tochter nach dem Ansehen einer Videobotschaft die trutschigen Locken auf 5mm abrasiert, denkt man als Zuschauer: „Na endlich! Sieht viel besser aus als dieser altmodische Pony!“ Man denkt, das sei ein Moment der Befreiung und Weiterentwicklung der Figur. Aber stattdessen wird sie von allen seltsam angesehen, gemieden und sogar beleidigt. Beim Hockeyspiel macht sie als Torwartin einen super Job. Ihre Mitspielerinnen kommen jubelnd auf sie zugelaufen, um sie zu umarmen, bleiben aber abrupt stehen, als sie den Helm abnimmt und ihre neue Frisur enthüllt. WARUM?!? Es sind ihre Freundinnen?! Und sie sieht viel besser aus als vorher. Warum mögen die anderen sie plötzlich nicht mehr? Weil sie sich ihre Haare abrasiert hat???! Sie ist 13, da machen viele Jugendliche seltsame Haarexperimente. Außerdem ist ihre Mutter gerade an Krebs gestorben. Diese Reaktionen haben mich echt wütend gemacht, weil ich mir sicher bin, dass Kinder und Jugendliche im wahren Leben nicht so oberflächlich und scheiße sind.
Übrigens bestärkt die Mutter auch noch die Selbstzweifel der Tochter, indem sie in einem anderen Video sagt: „Ändere niemals, wirklich NIEMALS deine Frisur, nur weil du gegen irgendwas oder irgendwen rebellieren willst.“ Das ist genau das, was man hören will, wenn man sich gerade die Haare abrasiert hat. „Das Problem ist: Alle anderen gewöhnen sich an deinen Anblick. Nur du nicht.“ Was für ein Schwachsinn! Man gewöhnt sich an alles. Außerdem sind es nur Haare! Die wachsen nach. Als sie der Lehrerin unter Tränen ihre Haare zeigt (indem sie die Mütze abnimmt) fragt die sofort in bösem Ton: „Wer war das?“ Aber es kommt noch schlimmer: Die Einzige, die noch nett zu ihr ist, ist eine neue Mitspielerin, die Quotenschwarze. Naja und dann haben sich die Drehbuchautoren gedacht: „Ok, wir haben jetzt eine Schwarze und eine, die sich die Haare abrasiert hat. Fehlt nur noch, dass die beiden lesbisch sind!“ Klar, Kurzhaarfrisur = Lesbe. Lasst euch mal was Neues einfallen, SAT1! Was ich außerdem sehr irritierend fand, war die Tatsache, dass die Mutter trotz Chemo keine Haare verliert. Sie stirbt mit wunderschön vollem, schulterlangem Haar. Aaaaber: Zwischendurch trägt sie eine Perücke?! Die Perücke sieht total scheiße (unecht) aus und erfüllt keinen ersichtlichen Zweck, denn die Haare sind wie gesagt noch alle da. Außerdem geht die Mutter zum Sterben in ein Hospiz. Sie hat drei Kinder zu Hause und einen Mann, der sie liebt. Sie bekommt keine medizinische Behandlung mehr. Ihr Mann arbeitet größtenteils von zu Hause aus (als Sprecher). Ihre Mutter lebt ebenfalls in der Nähe und würde sich um ihre Tochter kümmern. Aber sie will lieber allein sterben, in einem kahlen, fremden Raum. Jeder wie er mag, aber ich finde das echt seltsam. Zumal sie zu ihrer Freundin gesagt hat, dass sie die Chemo abbricht, weil sie die Zeit, die ihr noch bleibt, mit ihrer Familie verbringen will. Der Teenagersohn verabschiedet sich übrigens nicht von seiner Mutter und geht auch nicht auf ihre Beerdigung, weil er mitbekommen hat, wie sie seinen Vater mit einem jüngeren Typen betrogen hat. Auch das finde ich von der Mutter total scheiße und feige. Sie gibt ihrem Mann nicht mal die Möglichkeit, sauer auf sie zu sein, während sie lebt. Sie weiß, dass ihr Sohn Bescheid weiß und darunter leidet, es dem Vater nicht sagen zu können. Charakterlich gibt die Mutter echt kein gutes Bild ab. Man man man, ich wollte überhaupt nicht so viel über diese schlechte Serie schreiben, aber eine Sache muss ich noch loswerden: Wieso taucht der Vierjährige eine ganze Folge lang nicht auf?! Wo ist er während der Zeit? Das ist ja fast so wie in der Serie „Grand Hotel“ (die ich sehr mochte), in der ein Baby auf die Welt kommt, das nach einem Jahr immer noch in der Wiege liegt und als kleines Bündel umhergetragen wird. Am Ende wurde übrigens ganz schlecht versucht, einen Cliffhanger einzubauen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir niemals erfahren werden, warum da ein Polizeiauto vorfährt. Eine zweite Staffel wird es von dieser Serie sicher nicht geben.
Zeitungsartikel
Übrigens hat der Winsener Anzeiger (WA) einen Bericht über meine Krankengeschichte gebracht. Ich fand es ganz passend, da kurz zuvor über einen jungen Mann berichtet wurde, der Stammzellen gespendet hat. Außerdem war am 4.2. Weltkrebstag. Als Titelfoto wurde ein Foto genommen, welches kurz zuvor beim NDR von meiner Mutter, Jan und mir geschossen wurde. Der Artikel war schön geschrieben und füllte beinahe die ganze Seite. Mir ging es dabei nicht darum, Aufmerksamkeit auf mich, sondern auf die Stammzellspende zu lenken. Ich finde, jeder gesunde Erwachsene sollte sich als Spender registrieren lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man tatsächlich angeschrieben wird, ist ja eh ziemlich gering. Aber WENN man als passender Spender infrage kommt, ist es doch total cool zu wissen, dass man einem anderen Menschen vielleicht das Leben retten kann, indem man ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt.
Ausmisten
Da mein Vater den kompletten Februar im Krankenhaus verbrachte, nutzten meine Mutter und ich die Zeit, um ihre alten Schulsachen (sehr viele Ordner, Bücher, Papiere) auszumisten. Da sich zwischen den Dingen, die in den Müll konnten auch immer wieder schöne Erinnerungen und (für mich) brauchbare Materialien befanden, kamen wir nicht ganz so schnell voran wie erhofft. Zwischendurch machten wir Spaziergänge durch die Siedlung bis zu meiner alten Grundschule. Wenn ich abends mit Jan auf dem Sofa saß, bekam ich in dieser Zeit häufig juckende Quaddeln an Rücken, Hals und Bauch. Manchmal schwollen auch wieder meine Augen und/oder Lippen an. Ich bekam Angst, dass vielleicht Mucki (der Kater meiner Eltern) Auslöser für meine allergischen Reaktionen sein könnte. Andererseits hatte ich einmal vor dem Anschwellen auch chinesisches Essen gegessen. Vielleicht war das Glutamat schuld? Da ich mal wieder im Dunkeln tappte, sehnte ich den nächsten Termin zur Knochenmarkpunktion im UKE herbei. Meine Ärztin hatte nämlich gesagt, dass sie für diesen Tag auch einen Termin beim Dermatologen vereinbaren wolle. Wenn ich schonmal da sei, könne man die Krebsvorsorge ja gleich mitmachen. Ein Dermatologe würde mir sicher auch etwas zu meinen Quaddeln sagen können. Als ich am 11.2. zur Punktion erschien, hatte meine Ärztin es jedoch leider vergessen, einen Termin zu organisieren, sodass ich mich zuhause selbst drum kümmerte und einen Termin in der Dermatologie des UKE sowie bei einem Allergologen im Dermatologikum am Stephansplatz am 8.3. bekam.
Knochenmarkpunktion
Die Knochenmarkpunktion war wie die letzten Male recht entspannt. Dank der Drogen, die mir meine Ärztin spritze, schlief ich friedlich ein und erwachte, als alles vorbei war. Auf die Ergebnisse musste ich dann wieder zwei Wochen warten. Allerdings ergab mein Blutbild, dass sich meine Hormonwerte jenseits von Gut und Böse befanden. Der FSH-Wert lag bei 124,1 U/l (Normwert: 2,5–10,2 – Wobei der Wert postmenopausal zwischen 23,0 und 116,3 liegen kann), mein 17-ß-Östradiol lag bei ‑13 ng/l (Normwert: 19,9–144,2). Wahrscheinlich sagen euch die Werte genauso wenig wie mir, aber es scheint doch ratsam, endlich mit der Einnahme von Hormonen zu beginnen, um meinen Körper wieder meinen 33 Jahren anzupassen. Der Einblick in die Wechseljahre mit Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und dem ganzen Scheiß hat mir erstmal gereicht.
Medikamente adé!
Der Termin im UKE brachte aber auch etwas Gutes mit sich. Ab jetzt muss ich keine Medikamente mehr nehmen! Kein Aciclovir, kein Cotrim forte, kein Pantoprazol. Lediglich Vitamin D sollte ich weiterhin nehmen (so wie jeder andere Mensch in Nordeuropa auch).
Freizeit
Neben all den Dingen, die sich irgendwie um meine Krankheit drehten, verbrachte ich auch sehr viele schöne Stunden mit Freunden und meiner Familie. Wir feierten Geburtstage, machten Spieleabende, gingen ins Kino, machten Musik, tranken Wein und waren in „meinem“ Kunstraum kreativ. Mit Luise und ihrem neuen Freund guckten wir den Super Bowl, wobei es wiedermal mehr ums Essen als um das Spiel ging. Gemeinsam hatten wir ein Snack-Stadion gebaut und es bis oben hin gefüllt. Außerdem machte Jan sehr leckere Burger und einen mega geilen Nachtisch. In der folgenden Woche versuchten Jan und ich mit großer Mühe alle im Stadion verbliebenen Snacks und Süßigkeiten zu vernichten.
Jede Woche traf ich mich mit „meinen Frauen“ zum Malen. Auch Carina, die ich ziemlich lange nicht mehr gesehen hatte, kam mit ihrer dreijährigen Tochter zu mir in den Kunstraum. Tilda malte mit ein wenig Hilfe zwei echt schöne abstrakte Bilder für ihren Onkel, die jetzt bei ihm in der Wohnung hängen und ziemlich teuer aussehen.
In der Nacht vom 18. auf den 19. wütete ein schwerer Sturm in Winsen, dem unter anderem die riesige Tanne von Elmar und Bärbel zum Opfer fiel. Dabei wurde sie nicht entwurzelt, sondern knickte in 1,50m Höhe einfach ab, machte einen kleinen Satz und landete komplett in unserem Garten. Nur knapp verfehlte sie zur Linken unser Gartenhaus und zur Rechten das alte Schaukelgerüst. Das einzige wirkliche Opfer war ein Apfelbaum, der jedes Jahr die leckersten Äpfel von allen trug. Den gibt‘s jetzt nicht mehr.
Mein Erwachen am 19. war aber auch noch aus einem weiteren Grund nicht das beste. Mein rechtes Auge war geschwollen und auf meiner Stirn befand sich eine Beule. Außerdem fühlte ich mich insgesamt abgeschlafft und erschlagen (so wie der Apfelbaum). Supernervig sag ich euch. Vor allem, weil wir so einen schönen Kreativtag mit Jan und Steffi geplant hatten. Sie kamen zunächst zum Frühstück zu uns, anschließend begutachteten wir die monströse Tannenleiche. Wir sahen dabei zu, wie Elmar und sein Vater die Kettensägen schwangen, um der gewaltigen Biomasse Herr zu werden. Schließlich machten wir uns auf in den Kunstraum, wo wir batikten, malten, Schlüsselanhänger herstellten, Keramik bemalten (das fand Steffi richtig scheiße, Jan und Jan waren hingegen erstaunlich gut darin), einen Stop Motion-Film erstellten und Kreuzstich- bzw. Bügelperlenbilder produzierten. Am Ende waren wir total erledigt.
Naja und dann war da noch dieser Tag, der ziemlich mies begann, da ich mir dreimal richtig heftig den Kopf stieß (an drei unterschiedlichen Orten) und der aber mit einem wunderbaren Essen mit anschließendem Spieleabend bei den Cramers endete.
Am 27.2. feierten wir mit Anna und Kimbo ihre Geburtstage. Jan versuchte sich für diesen Anlass an einer Kinder Bueno-Torte, die sehr süß, sehr lecker und sehr mächtig war.