Bockiges Kind
Wenn ich nachts nicht gut schlafe, ist der nächste Tag im Eimer. Wer schon mal eine Nacht wachgelegen hat, weiß sicher wovon ich spreche. Ich hatte den ganzen Morgen schlechte Laune und fühlte mich wie ein bockiges Kind. Ich wollte nicht mehr in diesem Zimmer sein, ich wollte dieses eklige Essen nicht essen, ich wollte keinen Tagebucheintrag schreiben, ich wollte mich auch nicht sinnvoll beschäftigen. Ich wollte einfach nur nach Hause zu den Menschen, die ich liebe und die mir unheimlich fehlen. Ich wollte kuscheln und endlich nicht mehr alleine einschlafen.
Routine
Nach drei Wochen ist alles Routine. Jeder Tag verläuft mehr oder weniger parallel zu dem vorigen und dem folgenden. Morgens wirst du vom Blutabnehmen geweckt. Dann wird dir ein Fieberthermometer ins Ohr gesteckt, Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung gemessen und am Ende musst du sogar dein Bett verlassen, um dich auf die Waage zu stellen. Anschließend wird geduscht, das ZVK-Pflaster gewechselt, das Bett neu bezogen und gefrühstückt. Nach jedem Essen folgt das Mundspülprogramm. Wenn du damit durch bist und gerade wieder auf dem Bett sitzt, kommt der Reinigungsdienst und wischt um dich herum. Danach kommt die Visite, bestehend aus 2–6 Ärzten. Dann kommt schon wieder der Typ, der fragt, was du zum Mittag essen möchtest, kurz darauf bringt er das Essen. Der gleiche Typ kommt auch noch mal zum Abräumen, zum Fragen was du zum Abendbrot möchtest, zum Abendbrot servieren und zum Abräumen. Nachmittags kommt die Putzkolonne manchmal ein zweites Mal. Abends folgt die gleiche Vitalfunktionen- und Gewichtskontrolle wie morgens. Dienstags und donnerstags wird zusätzlich ein Coronatest durchgeführt. Zwischendurch kommt außerdem immer mal wieder ein Pfleger oder eine Schwester ins Zimmer, um irgendwelche Medikamente neu einzustellen.
Flurgang
Heute (+14) gab es einen kleinen Ausbruch aus dieser Routine: Ich durfte auf den Flur! Gemeinsam mit der Physiotherapeutin verließ ich mein Zimmer und ging den Gang entlang. Das Gehen funktionierte recht gut, allerdings musste ich mich am Ende kurz auf einen Stuhl fallen lassen, da mein Kreislauf von so viel Anstrengung überrascht war. Wir gingen noch ein paar Mal hin und her. Auf dieser Isolierstation liegen momentan 14 Patienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren. Leider waren alle Zimmertüren geschlossen, sodass ich niemanden sehen konnte. Irgendwie ist es ein komisches Gefühl, zu wissen, dass hier, direkt neben mir, noch 13 andere Menschen in ähnlicher Situation wie ich liegen, wir uns aber nicht sehen oder miteinander sprechen können. Da ich ein bisschen erhöhte Temperatur hatte, gingen wir nicht an meine Grenzen, sondern hörten nach einigen Runden auf, mit dem Vorhaben, am Freitag die Isolierstation zu verlassen, um die Treppen hoch und runter zu gehen.
Essen, Trinken, Tabletten
Wieder im Zimmer, wurde ich an meine Leine angeschlossen und legte mich ins Bett. Die Oberärztin kam zu mir ins Zimmer und sprach mit mir über das weitere Vorgehen. In den nächsten Tagen würden wir immer mehr Medikamente aus dem Turm absetzen, bzw. auf Tabletten umstellen. Außerdem muss ich es schaffen, am Tag mindestens zwei Liter zu trinken und genügend Kalorien zu mir zu nehmen. Die Ärztin geht davon aus, dass ich am Dienstag (eventuell Mittwoch) nach Hause gehen darf. Montag ist eher unrealistisch, weil am Nachmittag vor der Entlassung ein Abschlussgespräch mit Ernährungsberatung etc. stattfindet und das am Sonntag etwas schwierig werden würde.
Stimmungsschwankungen
Den ganzen Tag kam nicht einmal die Sonne raus. Der Schnee war inzwischen komplett verschwunden, sodass der Blick aus dem Fenster eher trübe und grau war. Meine Grundstimmung war deshalb mal wieder eher depressiv, obwohl ich eigentlich allen Grund zur Freude hatte. Noch weniger als eine Woche im Krankenhaus! Dass meine neuen Zellen so schnell angefangen haben zu arbeiten, ist echt selten und super gut. Dennoch war ich traurig. Gerade als ich richtig down war, bekam ich Post. Der Umschlag enthielt eine schöne Karte, mehrere selbstgemachte Karten mit aufbauenden Sprüchen und ein paar Knobelspiele. Ich wurde ein bisschen von mir selbst überrascht, denn plötzlich gingen mir die Kartensprüche total nahe. Die Post kam also genau im richtigen Moment.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Telefonieren, Dösen, Musik hören und Serien gucken. Abends ließ ich mir eine Schlaftablette geben, in der Hoffnung, wenigstens diese Nacht durchschlafen zu können. Fehlanzeige. Nach ein paar Stunden Schlaf lag ich wach und wartete auf den Morgen.