Irgendwie ist mir gerade alles zu anstrengend. Ich merke, wie erschöpft und müde ich von der ganzen Behandlung. Mein Körper wurde die letzten drei Wochen mit einer Masse heftiger Medikamenten malträtiert und ist momentan dabei, neue Zellen zu bilden, damit ich wieder voll durchstarten kann.
Aussicht auf Freigang
Vorgestern (+13) bin ich gar nicht richtig wach geworden. Nachdem ich morgens vom System abgestöpselt wurde, sagte die Schwester, ich dürfe heute zum ersten Mal auf den Flur gehen und dort hin und her laufen. Das klingt erstmal ziemlich bescheuert, weil es auf diesem Flur eigentlich überhaupt nichts zu sehen gibt. Aber wenn man drei Wochen in einem winzigen Zimmer eingesperrt war, ist die Aussicht auf einen Flurspaziergang ganz schön verlockend. Der Plan war daher: Dusche, Frühstück, Flur.
Überwindung
Nachdem ich den ersten Punkt erfolgreich abgehakt hatte, setzte ich mich an den Tisch und begann mit meinem „Frühstück“, bestehend aus Cornflakes, einer Schoko-Reiswaffel, 4 Tabletten und Apfelschorle. Es war so verdammt anstrengend und kostete mich einiges an Überwindung. Die zwei Tabletten meines Immunsuppressivums (Myfortic) stinken richtig eklig nach schalem Bier und sind dazu noch ziemlich groß. Außerdem ekelte mich alles was mit Essen oder Trinken zu tun hat an. Meine Zunge war und ist immer noch geschwollen und hat weiße Ränder, wodurch sich im Mund einfach alles seltsam pappig und störend anfühlt.
Visite
Während ich mit meinem Ekel kämpfte, kam die Visite ins Zimmer. Der Chefarzt guckte mitleidig auf meine Reiswaffel und sagte: „Sie müssen das nicht essen.“ Als er sah, dass die Reiswaffel auf einer Seite Schokolade hatte, war er ganz erstaunt und wandte sich zu den anderen Ärzten: „Haben wir die jetzt auch mit Schoko?“ Ich erklärte ihm, dass ich die Waffeln selbst mitgebracht hätte, da ich sie eigentlich ziemlich gerne mag. Die Ärzte guckten sich meine Haut an, fragten nach Schmerzen und sagten schließlich, dass sie zufrieden mit mir seien.
Erstmal schlafen
Als die Visite mein Zimmer verlassen hatte und ich wieder mit Laura und dem Azubi allein war, sagte ich, dass ich mich erstmal hinlegen müsse, bevor ich auf den Flur könnte. Die Müdigkeit übermannte mich vollkommen und ich schaffte es gefühlt gerade noch so ins Bett. Laura sagte sie würden mich in einer Stunde wecken. Joa, das haben sie dann auch versucht, allerdings ohne Erfolg. Ich war so weit weg, dass sie mich nicht wach bekamen. Erst eine halbe Stunde später wachte ich wieder aus meinem Tiefschlaf auf, war aber immer noch komplett gerädert. Es war kurz vor 12, mir war wiedermal übel und ich wollte einfach nur wieder ins Bett. Ich ging kurz ins Bad und machte mein Mundspülprogramm. Als der Kellner kam und fragte, welches Mittagessen ich gerne hätte, lehnte ich mit voller Überzeugung dankend ab. Essen war das Letzte woran ich denken mochte. Auch Laura sagte ich, dass das mit dem Spaziergang heute nichts mehr werden würde. Ich musste nämlich gleich wieder an die Leine und hatte einen Bewegungsdrang wie ein Faultier. Als ich wieder angestöpselt im Bett lag, schlief ich sofort ein. Viereinhalb Stunden später wachte ich auf. Meine Füße schmerzten und brannten. Mein Kopf tat weh auch die Übelkeit war noch nicht verschwunden. Ich ließ mir daher von der Schwester ein paar Infusionen anhängen.
Da ich hier niemanden langweilen will, hör ich an dieser Stelle mal auf, denn es passierte wirklich nichts Interessantes mehr an diesem Tag. Was die Nacht betrifft, konnte ich (oh Wunder) nicht schlafen und wälzte mich stundenlang im Bett hin und her, sodass ich am nächsten Morgen wieder komplett erschöpft aufwachte.